MANOWAR, 22.01.2010, Arena, Ludwigsburg

Manowar

Foto: Steffen Schmid

Irgendwann Mitte der 80er: Ich schlapp völlig unbedarft in meinem violetten Chewan-Pulli, Pilotenbrille und langen Haaren in das Zimmer meines zwischen Sabrina und Stryper schwankenden Cousins, und mir hallt „Hail, Hail to England“ entgegen. Mein erster Kontakt mit Manowar, lang ist es her, und ich fand’s damals ziemlich geil. Anfang der 90er hab ich mir noch ein Livekonzert gegönnt, bei dem die Gefühle schon zwischen „Jau, schon geile Songs“ und „Oh Gott, was machen die da auf der Bühne?“ hin und her pendelten.

Wer einen totalen Manowarverriss erwartet hatte, wird aufgrund meiner Vorgeschichte leider enttäuscht werden müssen. Außerdem möchte ich mir ja nicht den Zorn Odins zuziehen.
Es ist schwer eine Band ernsthaft in die Pfanne zu hauen, die mit Textperlen wie „Kill with power“, „Stripes on a tiger don’t wash away, Manowar’s made of steel not clay“, „Blood and death are waiting like a raven in the sky, I was born to die“, „Hail And Kill“ um sich wirft und dabei noch rumläuft, als wären sie noch auf dem Set von Conan der Barbar. Die haben entweder tausendmal mehr Humor als wir Gscheitle alle zusammen, oder sind tatsächlich so dermaßen ganz weit draußen auf hoher See, dass man auch schon wieder nix sagen kann.
True Metal also, herzlich willkommen in der Manowarwelt aus Mittelalter-Fantasy, nordischer Mythologie, Harley Davidson und einem eher nicht ganz so emanzipierten Frauenbild.

Das Manowar-Ding scheint ja ganz gut zu laufen. Vor der Arena steht ein Ami-Monstertruck mit Manowarschriftzügen, Symbolen und Bemalungen zur aktuellen „Death To Infidels“ Tour.
Die neue Ludwigsburger Arena ist ein dickes Ding geworden, und mit ca. 3500 Fans, von denen 90% Manowar auf den Shirts, Jacken oder der Haut stehen haben, bestens gefüllt, wenn auch nicht ausverkauft.
Die Baden-Württemberger Metalforce haben wir verpasst, aber den zweiten Support, die New Yorker HolyHell, bekommen wir mit. NY-Sound stelle ich mir ja irgendwie anders vor, aber ich glaub, vor 25 Jahren hätte ich mich für so eine Band begeistern können. Sehr melodiöser, schon auch harter Heavy Metal mit Keyboardbombast und einer sehr großen Frau (Schmoudi: „Täuscht das, oder ist die tatsächlich drei Meter groß?“) als Sängerin.
Kann das als Außenstehender, was Metal angeht, mittlerweile nicht mehr richtig beurteilen, aber von den technischen Fingerfertigkeiten mal abgesehen, die in diesem Genre schon immer hoch im Kurs standen, scheint mir auch das Songmaterial überdurchschnittlich gut zu sein. Den Leuten gefällt’s.
Schelte gibt’s für den Gitarristen. Nicht weil er schlecht wäre, aber weil er mein Jugendidol Yngwie Malmsteen vom Posing, über die Fender Strat bis zum letzten Paganini-Lick in Schallgeschwindkeit, so dermaßen erbarmungslos kopiert, dass es nicht mehr feierlich ist.
Die Band muss übrigens ihren Auftritt um gut eine halbe Stunde unterbrechen, „due to technical problems“.

Um 22.15 Uhr legen also erst Manowar los. Das Intro ist natürlich das reinste Pathos mit Manowar Schriftzug und davor flackernden Flammen, die auf den Bühnenvorhang gebeamt werden. Vorhang runter, und die selbsternannten Kings Of Metal starten mit Call To Arms. Songtechnisch hab ich diesen Abend die Arschkarte gezogen, da sich mein Wissen nur auf ihre Platten vor Kings Of Metal bezieht. Soll heißen, außer Kings Of Metal, das von der ganzen Halle mitgesungen wird, und Black Wind, Fire & Steel, kenne ich gar nix. Ist aber auch nicht schlimm, da sich im Manowaruniversum nicht soviel getan hat, seit ich es verlassen habe. Die PA ist ein wenig fetter geworden (der Sound ist sehr laut aber auch sehr klar), das Licht noch besser, und eine Videoprojektionswand gibt es jetzt auch. Ansonsten hätte der Auftritt genauso vor 15 Jahren stattfinden können.

Eric Adams trifft weiterhin jeden Ton und sieht immer mehr aus wie ein Wrestler. Scott Columbus, der aber irgendwie schon sehr anders aussieht, holzt weiterhin stumpf mit aller Kraft aufs Schlagzeug drauf. Joey DeMaio ist weiterhin der größte Bass-Poser, den ich kenne, und kennt das Wort Haarausfall wohl nur aus irgendwelchen Mythenerzählungen. Karl Logan frickelt sich weiterhin in Höchstgeschwindigkeit einen ab, und passt muskeltechnisch immer noch nicht so richtig rein. Aber schnell frickeln und stundenlang schwere Gewichte stemmen passt eben nicht zusammen. Da hat man danach Hände wie ein Playmobilmännchen.

Manowar

Foto: Steffen Schmid

…da fällt mir plötzlich auch noch ein, dass wir mit unserer Abiband damals Carry On nachgespielt haben. Wir waren jung und litten an Pathos…
An Pathos leidet auch weiterhin Joey DeMaio, wie sein obligatorisches Bass-Solo zeigt. Braucht man nicht, war schon damals nervig.
Textlich auch alles beim Alten: Die Nordmannromantik, mit Kriegern, die in die Schlacht ziehen müssen, und ihre tapferen Söhne und Frauen an Heim und Herd zurücklassen müssen, wird weiterhin hoch gehalten. Jaja, schön war’s bei Wikingers. Vielleicht hört ja auch Frau Herman heimlich Manowar.

Ganz groß dann wieder Joey, als er zu dem Teil ansetzt, an dem das Publikum miteinbezogen wird. Bierdose in der Hand, gibt’s, fast komplett in deutsch (Respekt dafür!), eine kurze Einführung in die Manowarethik. Deutschland = geil, weil Bier, Frauen und Spitzen-Metalfans (und Wagner; sagt er nicht, weiß ich aber). Sex ebenfalls eine sehr gute Sache, und er kann’s wie kein zweiter. Dann der wichtigste Punkt: die ganzen anderen Bands sind scheisse; kaufen sich Villen, Autos und kümmern sich nicht um die Fans. Manowar hingegen stecken die Kohle der Fans in die beste PA, die beste Lightshow und die beste Videowand (und ab und an in neue Lederklamotten). Deswegen ist die Beziehung zu den Fans auch was besonderes, ein „magic circle“.

Zum Beweis dürfen ein Typ, aus Aalen, zum Gitarrespielen, und ein Mädel, aus Leonberg, als Inspiration für den Gitarristen (sic!), auf die Bühne kommen. Nach ’nem Bierdosensaufduell mit Joey bekommt der Typ, der bodymäßig auch gut da oben reinpasst, eine Gitarre umgehängt und darf den nächsten Song mitspielen. Wenn er’s gut macht, darf er, laut DeMaio, das Girl pömpeln. Der Mann spielt den Song einwandfrei mit, während das Mädel die sehr langen Haare schwenkt. Weiteres erfährt man dann nicht…
Wie schon damals, immer dieser Zwiespalt zwischen die Musik teils schon ganz ok finden, und dann wieder sich ein wenig schämen für manche Aktionen. Aber der Gedanke an Bad News tröstet dann schon wieder.

Am Ende war’s dann ein wenig, wie die Ex zu treffen. Man merkt schon auch wieder, warum das mal funktioniert hat, weiß aber auch, dass es jetzt gut so ist, wie es ist. Schön mal wieder vorbeigeschaut zu haben, um zu sehen ob noch alles in Ordnung ist.

Es ist: während andere Bands playen, killen Manowar immer noch.

Manowar

9 Gedanken zu „MANOWAR, 22.01.2010, Arena, Ludwigsburg

  • 24. Januar 2010 um 15:13 Uhr
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    „Heavy Metal or no Metal at all. Wimps and Posers leave the hall. If you’re not into Metal, you’re not my friend“. Prosa für das bessere Leben.

  • 24. Januar 2010 um 15:16 Uhr
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    @setzer: „und das ist so!“ (O-Ton DeMaio; ca. 10mal)

  • 26. Januar 2010 um 11:09 Uhr
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    An den violetten Chewan-Pulli kann ich mich gar nicht erinnern…. Manowar haben bei mir nie richtig eingeschlagen, da ich ja in einer „härteren“ Gangart unterwegs war, aber der Bericht ist sehr amüsant, mit das Beste, was Du bisher textlich verbrochen hast.
    Lay down your soul to the gods rock’n’roll!

  • 26. Januar 2010 um 11:12 Uhr
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    @Ali: danke! Der Pulli hat noch so Rauhleder-Fake-Applikationen drauf. Eigentlich ein unvergessliches Stück.

  • 26. Januar 2010 um 23:42 Uhr
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    @ Schmieriger

    Gute Analyse! – findet ein seinerzeit frenetischer Anhänger des männlichen Manowar Metals und hoch dekorierter Warrior of the world. „Mein Kampf“ ist allerdings eher spiritueller Natur und im
    Wesentlichen gegen das dümmliche Bewußtsein gerichtet aber zurück zum Artikel:

    Kritik muss auch sein: Mir fehlt in Bezug auf die zwar erwähnte aber nicht abschließend und befriedigend diskutierte frauengerechte Haltung der Leder-Stricher die Auseinandersetzung mit dem wunderschönen Titel „woman be my slave“. Allgemein muss die mangelnde Unterstützung des Authors für die Diskrimierung der Frauen kritisiert werden, Du Feigling!!

    Sex mit der Ex, ja im allgemeinen eher Mist, weißt Du ja selber am besten…other bands play, Manowar gay aber in dem Alter ja auch
    ok.Trotzdem Idole!

    Gruß an dein unvergessliches Stück

  • 26. Januar 2010 um 23:48 Uhr
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    @Joc Hen: hach, dieser herzhafte Besigheimer Ton, zauberhaft. „Woman Be My Slave“, auf was für ner Platte war denn der Song drauf?

  • 26. Januar 2010 um 23:59 Uhr
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    Ha, ha, „other bands play, manowar gay“.
    Trefflich, trefflich, mein Liebster.

  • 30. Januar 2010 um 14:45 Uhr
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    Ich hatte mal drei solcher Pullis auf einmal, lila, türkis und vogelwildes schwarz, alle mit Lederapplikation.

  • 1. Februar 2010 um 09:17 Uhr
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    Achja, Scott Columbus sah so anders aus, weil es nicht Scott Columbus war! Donnie Hamzik, der die Battle Hymns eingedrummt hat, saß am Schlagzeug…

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