THE XX, 11.01.2010, LKA, Stuttgart

The XX

Foto: Steffen Schmid

Na also, geht doch. The XX kommen endlich nach Stuttgart und holen ihr eigentlich für November 2009 geplantes Konzert nach. Mit Ihrem Debüt-Album hat die unverschämt junge Band (in den USA müssten sie allesamt ältere Freunde an die Kasse schicken, um irgendwie an Bier zu kommen) aus dem Süden Londons ein wahres Meisterwerk geschaffen. Da ist dann auch schon mal von den Newcomern oder der Pop-Sensation des Jahres die Rede. Eines ist jedenfalls sicher – The XX spielen ganz oben mit. Nach dem Ausstieg von Keyborderin Baria Quereshi ist aus dem Quartett ein Trio geworden. Persönliche Differenzen heißt es, was auch immer das bedeutet. Dass das der Qualität Ihrer Songs keinen Abbruch tut, werden Oliver Sim, Romy Madley Croft und Jamie Smith an diesem Abend im LKA noch beweisen.
Auch heftiges Schneetreiben hält die Fans am Montagabend nicht davon ab, in Scharen ins LKA zu strömen. An der Kasse gibt’s noch ein paar Restkarten, ansonsten ist die Halle rappelvoll. Bevor die jungen Londoner Stuttgart an diesem Abend beweisen können, dass sie auch eine richtig klasse Live-Band sind, darf erst mal der Support-Act ran. New Look heißt das Duo und kommt aus Kanada. Bin erst ein bisschen erschrocken: Von meinem Platz ein wenig weiter hinten sieht die Sängerin aus wie Marit Larsen. Der beim Gedanken an „If a song could get me you“ aufkeimende Brechreiz legt sich schnell wieder. Ist ja gar nicht die Larsen. Klingt viel netter, Future-Pop oder so ähnlich würde man das wohl nennen. Glasklarer Frauengesang trifft auf elektronische Beats. Dauert ein bisschen, aber nach dem dritten Stück hab ich beschlossen sie richtig dolle zu mögen. Nach dem fünften hab ich meine Meinung leider auch schon wieder geändert, auf Dauer ist mir das doch zu eintönig. Macht ja nix, scheint generell ganz gut anzukommen, ohne für Begeisterungsstürme zu sorgen. Kann man leicht am kollektiven Mitwippen der Masse erkennen. Wobei, einer ist richtig begeistert. Steht in der dritten oder vierten Reihe und schüttelt seine Locken, als wär der das Monster aus der Muppetshow. Sieht lustig aus von weiter oben. Nach 45 Minuten verlässt „New Look“ die Bühne.

The XX

Foto: Steffen Schmid

Die Pausenunterhaltung übernimmt dann ein Pärchen direkt vor mir. Jesus, entweder die haben irgendwelche Lovepills gefressen oder gerade ihr 20 Jahre dauerndes Zölibat beendet. Da wird sich gegenseitig die Zunge bis zu den Mandeln in den Hals gesteckt, sich sinnlich befummelt und ganz ohne Worte mit tiefgründigen Blicken lange in die Augen gesehen. Sieht manchmal aus, als würden sie das Wer-zwinkert-zuerst-Spiel machen.
Dann ist die Pause vorbei. Das Licht geht aus und ein Raunen durch die Menge. The XX betreten die Bühne. Ganz in schwarz gekleidet, wie immer. Und schon schallt das Intro ihres einzigen Albums durch das LKA und sorgt vom ersten Takt an für gute Stimmung. Sänger und Bassist Oliver Sim bedankt sich dann auch artig, dass alle trotz des Wetters gekommen sind bevor es dann mit „Crystalised“ richtig losgeht. Mein Lieblingslied, keine Frage. Auch das Erste, das ich kannte. Herrlich auch wie The XX auf sämtliche Klischees scheißen. Sie sehen nicht aus wie die typische, röhrenhosentragende hippe Indie-Band und sie scheuen sich nicht auf Ihrer MySpace-Seite als Einflüsse unter anderem Mariah Carey, Justin Timberlake oder Rihanna zu nennen.
The XX reißen in ihren Bann. Da trifft eine Menge Gefühl auf Sounds, die mit dem tiefen durchs LKA wummernden Bass und ihrem Drumcomputer an frühe Gothic-Bands erinnert. Das Publikum ist sichtlich begeistert. Die Musik der Londoner ist ruhig und klingt verletzlich – und spricht für sich selbst. „Go slow“ heißt es in „Crystalised“. Das passt. Die Band selbst ist dagegen sympathisch zurückhaltend. The XX spielen bis auf einen Song ihr komplettes Album und mit „Kyla“ auch noch ein neues Stück. „We might fuck up“, entschuldigt sich Sim schonmal vorab. Aber ganz im Gegenteil, auch der neue Song ist einfach nur schön. Der absolute Hammer ist der Wechselgesang zwischen Sim und Croft. Klingt irgendwie sexy und sehr intim. Ja, auch so kann eine Schülerband klingen. Schon mit zarten 15 Jahren haben sie im Proberaum der Elliott School zusammen Musik gemacht. Da darf ich gar nicht an die Schulbands denken, die ich früher miterleben musste.
Nach knapp einer Stunde ist der Auftritt von The XX leider schon zu Ende. Das einzige Manko. Aber was will man machen wenn man nur ein Album hat. Jetzt geht’s wieder raus ins Schneegestöber – mit der sexy Stimme von Romy Madley Croft in den Ohren und der Vorfreude auf ein zweites Album mit herrlich pathetischen Zeilen wie „I still want to drown whenever you leave, please teach me gently how to breathe?“.

14 Gedanken zu „THE XX, 11.01.2010, LKA, Stuttgart

  • 12. Januar 2010 um 22:07 Uhr
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    Der Bericht ist wieder mal toll, fängt im großen und ganzen schon die ganze Stimmung ein, nur zum Konzert selber kann ich nur eins sagen…gähn…aber…

    1. Die Platte ist trotzdem sehr geil
    2. Die Band ist mir trotzdem sympatisch eben weil sie auf all die Klischees nix geben
    3. Ich persönlich finde die Band gehört wenn dann in einen kleinen intimen Club gerade wegen der ruhigen, verletzlichen und zurückhaltenden Musik. Passt irgendwie besser finde ich.

    Adios

  • 12. Januar 2010 um 23:27 Uhr
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    habe das konzert wirklich komplett anders empfunden. finde das album auch mit das beste was letztes jahr erschienen ist, aber muss sagen, dass das konzert mehr als langweilig war. und so hat das denke ich auch der großteil des publikums empfunden. denke auch, dass ein kleiner club besser gewesen wäre. finde aber auch nur eine knappe stunde spielen extrem kurz, wenn die stunde wenigstens richtig gut gewesen wäre….. irgendwie hat man die ganze zeit darauf gewartet das es richtig los geht.

  • 13. Januar 2010 um 00:22 Uhr
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    Stimmt, in einen kleineren Club hätte The XX besser gepasst. Ich fand’s dennoch spitze. Ist eben sehr ruhige und langsame Musik, da passiert sonst nicht viel. Die Leute, die ich nach dem Konzert gefragt habe, fanden’s trotzdem nicht langweilig. Kurz war’s natürlich.

  • 13. Januar 2010 um 08:16 Uhr
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    meiner meinung nach brauchen the xx ein neues bandmitglied, niemand fürs keyboard, sondern jemand fürs schlagzeug. dringend! bei den zwei, drei song mit live percussion war plötzlich so viel druck da, ohne kam zwar alles ganz schön wie auf platte rüber aber halt doch ein bisschen wie eingecshlafene füße in einem fast-ausverkauften lka. ich habe da noch hoffnung, is ja noch eine junge band;)

  • 13. Januar 2010 um 08:46 Uhr
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    Jepp ist ruhige, langsame Musik bei der nicht viel passiert und gerade diese Reduktion ist auf Platte sagenhaft gemacht.

    Nur Platte und Live sind eben immer zwei verschiedene Sachen. Und wer sagt das man Live die Lieder nicht ein wenig anderes spielen darf als auf CD. Das beherrschen manche Bands sehr sehr gut und macht dann eben ein Konzert um einiges druckvoller und dynamischer.

    Aber wie mein Vorredner „se“ schreibt. Die Band ist jung, kann sich noch toll entwickeln und auf die 2 Platte freu ich mich schon.

  • 13. Januar 2010 um 08:50 Uhr
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    ja aber ich finde genau das live-die-songs-ein-bisschen-anders-als-auf-platte-spielen haben sie nicht gemacht, ich denke in zwei, drei jahren werden die auf manchen parts ihrer songs minutenlang rumexperimentieren, aber jetzt trauen sie sich noch nihct. grund: soooo jung! oder so;)

  • 13. Januar 2010 um 09:14 Uhr
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    Unbedingt brauchen die jemanden fürs Schlagzeug. So empfand ich das eher als einen elektronischen Live-Act mit Saiteninstrumenten. Ganz ok, aber halt nicht überragend.

    Ich hatte auch kurz die Idee von einem bestuhlten Konzert und ein Orchester spielt die ganzen Samples und Beats live, dann würde ich mir die nochmal anschauen. So gefällt mir die Musik, aber anschauen brauch ich die nicht mehr.

  • 13. Januar 2010 um 11:11 Uhr
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    Ich hab mich gern von diesen überirdischen Stimmen streicheln lassen. Bei the xx zählt ja auch immer extrem das timing zwischen den beiden Stimmen, das live hinzukriegen (wenn auch nicht immer): Respekt. Oft stimmte „heart skipped a beat“ bei mir, in froher Erwartung, was da noch kommen wird.

    Einen ziemlichen Indielook haben sie meiner Meinung nach aber schon: ihre Frisur ist doch in den letzten zwei Jahren sowas von oft aufgetaucht, sei es bei Beth Ditto oder Robyn.Natürlich trotzdem cool.
    Soweit ich weiß, ist es allerdings kein neuer Song gewesen, sondern ein Cover der Band Kyla namens „do you mind“ glaube ich.

    Der Lockenwerfer wars bestimmt auch, der die Arme xzibit-mäßig zu einem x in die luft reckte :-).
    Fazit: wenn auch nicht total grandios, dann doch sehr schön.

  • 13. Januar 2010 um 12:11 Uhr
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    @ Regine: japp, da haste Recht: Kyla-Cover…mein Fehler.

  • 13. Januar 2010 um 14:20 Uhr
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    und du hast recht mit dem pärchen, alter kommilitone, die waren echt glitschig eklig.schöner bericht, war sehr gespannt, was du schreiben würdest.

  • 13. Januar 2010 um 20:18 Uhr
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    ich gehöre der eher unkritischen minderheit an, die am montag einen wirklich schönen abend hatte. dass das lka nicht gerade das stimmungsvollste ambiente bietet und man mit gerade mal einem album kein zweistündiges programm auf die beine stellen kann war abzusehen, ansonsten gibt es aus meiner sicht nichts zu kritisieren. die songs und die wahnsinnsstimme dieses 19jährigen mädchens sind für mich auch live ein gänsehauterlebnis. und wenn man mit gerade mal 19 oder 20 jahren keine bombast-show abliefert und sich nicht ans wilde experimentieren wagt werte ich das mal als durchaus sympathische unsicherheit. eine gesunde portion respekt vor dem plötzlichen erfolg hat noch keinem geschadet.

  • 13. Januar 2010 um 22:05 Uhr
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    Zur Kenntnisnahme:

    Morgen (Do, 22.45 Uhr) kommt was in Trax/Arte über The XX

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