EBONY BONES!, 16.12.2009, Rocker33, Stuttgart
Schamanen müssen in sich selbst ruhen. Ebony Thomas, vor noch nicht allzu langer Zeit Soap-Schauspielerin in Großbritannien („Family Affaires“) und a.k.a. Ebony Bones befindet sich noch im Vikariat, also der praktischen Vorbereitung für den Beruf des Pfarrers, des Masters Of Ceremonies, des Schamanen. Sie ruht nicht. Der Reihe nach.
Es ist kalt draußen, so kalt, dass Gig-Blog-Fotogott Schmoudi Bodenproben nicht mehr mit seinen eingefrorenen Fingern klassifizieren kann: ist es nun Ton, Schluff oder sogar Sand? Im Club Rocker33 ist es zwar wärmer, aber was erwartet uns dort bei der nach einem Bibelzitat aus dem ersten Buch Mose (Genesis) benannten „Bones Of My Bones“-Tour – Riesenüberleitung: Disco, Soul oder sogar Punk? Punkt zehn geht es jedenfalls los, mit zwei Bäckroundsängerinnen, zwei Keyboardern, Drummer, E-Gitarrist und Saxophonistin zieht eine ganze Karawane auf die Bühne, die knallbunt gewandet und whiskeyflaschenschlagend mit Trillerpfeifen das Publikum für Ebony Bones klarmacht. Ein blondierter Afrohaarberg schiebt sich zuckend-tanzend auf die Bühne, grellgelb aufgeklebte Wimpern klimpern, Augen rollen. Der Begriff „tribal“ klappert mir durch den Kopf. Die Voodoo-Priesterin startet ihre Show prophetisch mit dem Song „We Know All About You“. Tiefe Synthiebässe, die John Carpenters selbst komponierten Horrorfilm-Soundtracks entstammen könnten, werden rhythmisch aufgeladen mit allerlei Getrommel, Beats, Claps, Percussion und ihrem durchdringenden Gesang. Einfache, aber wirkungsvolle Choreographien und die farbfantastischen Kostüme unterstützen die kraftvolle, energiegeladene und manchmal fast kämpferische („Warriors“) Performance. Häuptling Ebenholzknochen gibt vor, wie ihr Publikum zu tanzen hat: to the left… to the right. Und weil´s nicht sofort klappt gleich noch einmal. Leichter wird´s mit dem New Wave-Dance Floor Track „The Muzik“ und dem Pink Floyd-Cover “Another Brick In The Wall”. Letzteres unerwartet, gut gewählt und im Ebony-Bones-Zirkus großartig umgesetzt.
Miss Thomas und ihre Stammesbrüder und -schwestern präsentieren einen ziemlich verrückten Stilmix, der durch ihre Person und durch das kunterbunte Spektakel zusammengehalten wird. Was die Show anbetrifft, wird Ebony Bones auch schon mal mit George Clintons Parliament verglichen, aber das greift eher für die Optik, Funk kann man am heutigen Abend nicht wirklich hören. Unterm Strich möchte ich es Punk im übergeordneten Sinne nennen, der DoItYourself-Ansatz scheint nicht nur bei den Kostümen durch, bei denen aber deutlich: der rechte Keyboarder trägt einen himmelblauen Anzug mit weißen (aufgemalten?) Wolken.
Mehrere unentspannte Hinweise an den Tontechniker und 40 Minuten später verlassen Bones und Band ohne erkennbares Konzertende die Bühne. Das begeisterte und etwas überraschte Volk ruft nach mehr, aber vielleicht liegt es daran, dass es bislang nur ein Album zu präsentieren gibt oder dass der Club mit ca. 180 Zuhörern gut zur Hälfte gefüllt ist – oder an Erdstrahlen -, sie kommt jedenfalls nicht wieder. Ein ausgebildeter Schamane brächte freilich jede Show zu Ende, aber so weit ist Ebony Bones wohl noch nicht.
Bis auf das abrupte Ende ein tolles Konzert. Vielen Dank für die schönen Fotos.