THE HEAVY, 18.11.2009, Schocken, Stuttgart

The Heavy

Foto: Steffen Schmid

„Californication“ ist eine sehr gute Fernsehserie. Da werden noch die wirklich wichtigen Themen ausdiskutiert: der kulturelle Weltuntergang, Selbstzerstörung, Sex, Slayer und Blackmetal aus Norwegen. Da habe ich auch zum ersten Mal The Heavy gehört. Als da „That Kind Of Man“ lief, kuschelte Hank Moody (David Duchovny) gerade irgendeine Frau durchs Bett oder sagte was Menschenverachtendes. Keine Ahnung, macht der da beides ständig. Aber das Lied blieb hängen.

The Heavy haben ansonsten aber nur wenig mit kalifornischem Wahnsinn gemein. Das Quartett kommt aus Bath in England. Von da aus hätte man einen prima Blick auf den Arsch der Welt, habe ich irgendwo gelesen. Vom Schocken manchmal auch. Zum Beispiel wenn sich am Wochenende die Besucher der angrenzenden Debattierclubs gegenseitig in die Zähne treten.  Am trostlosen Mittwoch gibt’s aber keine Roundhousekicks. Da freut man sich im bestens gefüllten Schocken recht sakrisch aber friedfertig auf The Heavy.

Deren schwerer Funk, 70er-Schmäh, HipHopHallo und knarziger Stax-Soul mit saugut dahergehüfteten Beats rollt gemütlich, aber mit genügend Nachdruck durchs Schocken. Nach dreißig Sekunden haben The Heavy schon den halben Laden am Schunkeln und spätestens nach „Colleen“ schlägt ihnen nur noch pure Liebe entgegen.

Muss nicht, aber kann man sich auch super einen stattlichen Backenbart dazu wachsen lassen, Pornos aus den 70er-Jahren gucken oder roadmoviemäßig mit einer Leiche im Kofferraum nach Mexiko fahren. Heslach ginge auch. Oder halt tanzen.

Um sicherzugehen, dass das auch so bleibt, springt Sänger Kelvin Swaby ab und an ins Publikum und singt Frauen mitten ins Gesicht. Dann wieder auf die Bühne und weiter geht’s mit dem Tanz auf dem Bierdeckel. Der Typ croont wie ein Weltmeister und klingt dabei fast immer wie einer, der Mädchen zu Sauereien überreden möchte. Wahlweise auch wie Lenny Kravitz, als er noch was zu sagen hatte, Prince oder Pharell Williams. Kurz: Rampensau. Obwohl mir die „Und jetzt alle Mädchen im Haus/Yeeeeaaahh“-Animationsnummer etwas suspekt ist. Beim Seniorenschwimmen im Hallenbad Heslach wäre das aber wahrscheinlich der Kracher. Bitte mal ausprobieren und erzählen, wie’s war. Hier im Schocken bedarf es eigentlich keiner großen Animation. Die Sache läuft rund. Auch wenn The Heavy manchmal nur haarscharf an Bands vorbeischrabben, die auch im Classic Rock Café, beim Stadtfest oder bei Hochzeiten spielen könnten. Den Unterschied machen aber die Wucht und Lieder wie „No Time“. Hendrix, Grand Funk Railroad, The Sonics, Led Zeppelin, The Kinks, Solomon Burke … lassen recht freundlich grüßen.

The Heavy

Foto: Steffen Schmid

„Heavy“ ist es auch irgendwie. Nicht im Sinne von Totenköpfen oder Tieropfer für Satan um Mitternacht in dunklen Wäldern. Eher so fettmäßig – trotz beängstigend viel Falsettgesang. Oder vielleicht auch deswegen? Wer weiß das schon so genau?

Kalvin Swaby gibt auf jeden Fall alles. „Hihi, der schwitzt am Bauchnabel“, sagt meine aufmerksame und charmante Begleitung. Andere schmachten Bassist Spencer Page  oder Daniel Taylor an der Gitarre an. Die könnten auch locker eine Boyband aufmachen und Teddybären und Unterhosen sammeln. Der  größte Trumpf sitzt aber am Schlagzeug: Chris Ellul. Schickes Karohemd, Mund offen und spielt, als habe er den Leibhaftigen im Genick. Nebenher holt er vom Laptop die Samples, damit all die Bläser, Keyboards und Co. dem dreckigen Funk noch ein wenig Extraschmäh geben. Klappt. „Not That Kind Of Man“ kickt wie doof – es wimmelt nur so vor lässigen Hits den ganzen Abend lang.

Bei „No time“ gibt Ellul nochmal alles. Verkackt einen Takt, schreit „Fuck“ und trommelt weiter.  Der Teufel kennt schließlich nur selten Erbarmen. „How you like me now?“ auch. Lied des Jahres. Gehört auf jede Tanzfläche, die was auf sich hält.

Zwei Mädchen in der ersten Reihe sind total aus dem Häuschen, fotografieren sich selbst in der ersten Reihe. Das macht man heutzutage so. Postkarten fürs Webzweinull. Alle anderen im Schocken tanzen, wippen, lächeln selig, klatschen und wollen mehr. Nach „Oh No! Not You Again“ ist Schluss. Leider. Swaby hat das Unterhemd vollgeschwitzt.

3 Gedanken zu „THE HEAVY, 18.11.2009, Schocken, Stuttgart

  • 19. November 2009 um 08:03 Uhr
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    MS hat so verdammt Recht. Klang für mich teilweise als hätte Marvin Gaye bei Rage Against The Machine angeheuert. Bisherige Sänger-Performance des Jahres, was Gesang, Moves und Oberkörper angeht.

  • 19. November 2009 um 09:03 Uhr
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    yeah cooler bericht. kannte die bislang nicht aber was ich gehört habe klang gut

  • 19. November 2009 um 09:45 Uhr
    Permalink

    Danke Lino, den gleiche Gedanken das irgendein alter Souler bei Rage Against The Machine singt habe ich auch geäußert :-)

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