IAMX, 28.10.2009, Röhre, Stuttgart

IAMX

Foto: Steffen Schmid

Heute mal keine Lesung, kam mir ja so langsam auch wie der gig-blog Reich-Ranicki vor. Chris Corner, vormals Sänger und Head der formidablen Sneaker Pimps, ist heute mit seinem aktuellen Projekt IAMX zu Gast.

Die Vorband Nemo haben wir schon mal gleich sauber verpasst. Ist aber auch ein Durcheinander mit den Konzertbeginnen in dieser Stadt, mal früh, mal spät, ja was jetzt?
Dann eben gleich zum Hauptact. Ein passender Soundtrack zum Herbst, wenn die Psyche mal wieder Insolvenz anmeldet, ist das, was wir geboten bekommen. Dem melancholischen Elektro-Pop aus Sneaker Pimps-Tagen ist Herr Corner treu geblieben, hat jetzt wohl aber seine Restzweifel, was Pathos und Melodramatik angeht, komplett beiseite geräumt und suhlt sich in diesen. Im Gegensatz zu den Studioplatten ist die Musik live wesentlich rauer und die morbiden, verstörenden Elemente im Sound treten deutlicher hervor.
Optisch wird einiges geboten. Visuals, eine Art desolater Glühbirnenkronleuchter hängt über der Bühne, und die Band selber hat, was den Style angeht, einiges aufgefahren. Da ist mir dann auch schon klar, warum der Mann ein Buddie der Mighty Boosh ist. Schminke in industriellen Mengen, enge Kleidung, überhaupt hat das Ganze einen deutlichen 80ies Anstrich und wieder kommt eine booshige Assoziation in mir hoch. Apropos enge Kleidung, vom Schlagzeuger  vielleicht mal abgesehen, hab ich noch nie eine dünnere Band gesehen. Stichworte: XXS, Hungercasting, Rippen.
Back to music! Live wird deutlich, was IAMX, vom ganzen Style-Tamtam mal abgesehen, so auszeichnet: die Stimme von Chris Corner. Die ist wirklich einzigartig, wunderschön und gibt auch den schwächeren Songs Substanz. Ist auch nötig, denn im Gegensatz zu den Sneaker Pimps habe ich bei IAMX nicht den Eindruck, dass das Songwriting durchgängig auf so hohem Niveau ist. Kann aber auch daran liegen, dass ich nur das Album „The Alternative“ kenne. So sind für mich die Höhepunkte „The Alternative“, „Nightlife“, „Spit It Out“ und die letzte Zugabe „President„.
Performancemäßig gibt es allerdings rein gar nix zu meckern. Alle gut dabei und in Bewegung, Lust und Energie kommt gut rüber. Blickfang natürlich, neben der, wie Schmoudi bemerkt, kakaduartigen Keyboarderin, ist Chris Corner, der in Sachen Androgynität übrigens Brian Molko wie Bud Spencer aussehen lässt. Da singt er mal mit Schirm, hält sich eine Augenmaske vors Gesicht oder sitzt am Klavier und sein Gesicht wird mehrfach auf die Bühne und an die Hallenwand projeziert.

Ein schönes Konzert also, optisch einiges geboten, von dem ich mir musikalisch vielleicht etwas mehr versprochen hatte. Aber gut genug, um einen den Arbeitstag mit lauter infantilisierten Arbeitskollegen vergessen zu lassen, war es allemal.

4 Gedanken zu „IAMX, 28.10.2009, Röhre, Stuttgart

  • 29. Oktober 2009 um 20:48 Uhr
    Permalink

    Da mir, gottlob IAMX vor den Sneaker Pimps begegnet sind und ich im Moment kaum eine Platte lieber hören mag, als „The Alternative“, konnte ich musikalisch jetzt nicht nörgeln…
    Dass es live ein wenig lauter und brachialer zuging, als das Album vermuten läßt, war zu erwarten und tat den Songs beileibe keinen Abbruch. Meine Sorge war vielmehr, dass es schwierig für Herrn Corner werden könnte, gegen den Krach anzusingen. Völlig unbegründet- das hat er fein hinbekommen, doch, doch.
    Immer wieder überrascht bin ich, dass Stuttgarts Schwarze einfach die bessere Stimmung gebacken kriegen. Sind vielleicht weniger cool als die Indie-Nerds? Obwohl auch davon ein paar brav mit dem Füßchen gewippt haben.
    Ich fand es gestern in der Röhre ausgesprochen hübsch und war ein klitzekleines bisschen beseelt auf dem Heimweg.
    IAMX waren dann übrigens so nett, es nicht bei „President“ zu belassen. Wohl auch etwas früher gegangen, was?

  • 29. Oktober 2009 um 20:53 Uhr
    Permalink

    @Donna L: Volltreffer! Dachte als die Musik „vom Band“ anging, dass da nix mehr kommt. Shame on me! Was haben sie denn noch gespielt?

  • 7. November 2009 um 11:47 Uhr
    Permalink

    Der Bud Spencer-Vergleich war so garstig, ich musste lachen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.