10 JAHRE FFUS, 05.09.2009, FFUS, Stuttgart
Geburtstag! 10 Jahre Für Flüssigkeiten Und Schwingungen. Wie bei allen Dingen von Relevanz (Spitzenblogs, Indielegenden, DJs mit Weltreputation und Weltherrschaft) ist natürlich auch hier ein starker Besigheimer Einfluss zu verzeichnen. Dazu später mehr.
Wir sind um halb acht hier und haben schon Laura Vargas verpasst. Macht aber nix, Regine war da und darf jetzt endlich auch mal ran. Go, Regine, go!
Mein 2jähriger Sohn hat ein Faible für ältere Mädels…hört sich jetzt komisch an und dass sie gern auch mal so ungefähr 25 Jahre älter sein dürfen (sorry Laura, falls ich mich jetzt total verschätzt haben sollte), war mir bisher neu. Aber er flüstert mir sichtlich angetan „schööön“ ins Ohr (und recht hat er), als er die Stimme von Laura Vargas in der Abendsonne vor der Kulisse von Graffitis, Schrottbergen, Baggern (die ihn normalerweise mehr interessieren als singende Frauen) hört…ebenso begeistert applaudiert er nach jedem der etwa acht Lieder, die sie in Begleitung ihres E-Pianos singt.
Ich für mich überlege, ob dies eben wieder ein Mädchen sei, das deutsche Texte so daherträllert, muss mich aber sehr rasch eines Besseren belehren lassen…mit überzeugender und sicherer Stimme textet sie mit tiefem Sinn, der einem 2Jährigen sicher verborgen bleibt, von graubärtigen Herren und anderen Begegnungen im Leben…an dieser Stelle sollte jetzt sicher eine musikalische Einordnung kommen, mit der ich mich aber nach einiger Konzert- und Gezielt-Musikhören-Abstinenz schwer tue und auf die ich somit verzichte (obwohl ich das Gefühl habe, das nicht einfach lassen zu können…allein aus Gruppenzwang-Gründen, und obwohl es eigentlich schade ist für den Leser, der hier ja eher über Musik als über 2jährige Jungs lesen möchte). Um es dennoch kurz und persönlich zu machen: Laura Vargas schöne und kraftvolle Stimme, die schnörkeligen Lieder, die schöne Atmosphäre machen mir Lust auf mehr. Fast schon überklassisch ist dieser Abend – wie man sich einen der letzten Sommerabende eben vorstellt mit Sonnenuntergang, entspannten Menschen zwischen alten Eisenbahnwaggons, ausgedienten Gleisanlagen (man könnte fast eine Sendung aus der Reihe ‚Eisenbahnromantik’ dahinter vermuten), Schrottbergen und bunten Graffitis, an dem man sich gleich mal wieder wie Ende 20 fühlt.
Leider hat der kleine Junge dann aber die Windeln voll und die Müdigkeit im Gesicht, so dass das 10Jahre-Waggon-Jubiläums-Programm mit einem englisch sprechenden und singenden Herrn mit Gitarre (dessen Namen ich leider vorsichtshalber vergessen habe) ohne uns weitergehen muss. Es folgt eine andere Geschichte, die von jemand anderem erzählt werden soll.
Verraten will ich aber noch, wie die Sache mit dem Jungen und dem Mädchen zu Ende geht: verstohlen sitzt der kleine Junge kurz vor dem Gehen noch auf den Gleisen neben Laura, die mit einem Getränk mit Zitrone in der Hand dem Mann mit Gitarre lauscht und lässt sich nur schwer zum Nachhausegehen überreden…mit den Worten „Mama, Hause auch Saft mit Zitrone“ verabschiedet er sich schließlich doch schweren Herzens von seinem ersten richtigen Konzert-Besuch.
Gurdan Thomas heißt der Mann mit der Gitarre, liebe Regine. Engländer, der wohl gerade durch Deutschland tingelt und nun nach drei Monaten München in Stuttgart gelandet ist. Singer/ Songwriter trifft’s wohl am besten. Er alleine mit der Gitarre (bei einem Stück am Klavier) in oben beschriebener Kulisse. Sieht toll aus und klingt auch mindestens genauso gut. Sehr musikalisch der Mann, kann außerdem auch einiges an der Gitarre, so dass die Musik zum Glück nicht in allzu banalem Folk versinkt, sondern richtig interessant ist und sehr Laune macht.
Mit Les Quitriche verlagert sich der Auftrittsort in den Waggon. Sechs Leute stehen auf der „Bühne“, d.h. zum Großteil passen sie eben da nicht mehr drauf. Es wird eng, da immer mehr Leute zum Fest herbeiströmen. Die Band war mir bisher unbekannt, jetzt ist sie es definitiv nicht mehr. Beat Club 1965/66 in Auxerre oder sowas. Sehr charmanter französisch gesungener Retropop/Beatmusic. Musikalisch wie styletechnisch perfekt austariert, Musik und Style sind eins. Am besten gefallen mir die zwei Herren mit Hemd und Krawatte, die an den Percussions stehen und schön die abhottenden Beatnicks geben. Als kompletter Analphabet was französische Musik angeht, fällt mir nix besseres ein als der Vergleich zu France Gall oder der Bardot. Bin dann auch ganz froh, als sie ein Cover eines Bardotsongs spielen.
In nächster Zeit sind sie übrigens am 26.09. im Ludwigsburger Scala zu sehen. Fantastique!
Als Schmoudi und ich noch vor Ende des Sets den Waggon verlassen, um uns Essen zu holen ist es ca. 23 Uhr und ’ne Menge Leute stehen auf dem Gelände rum.
Die nächste Band wird Sorry Computer sein. Doch bis sie loslegen, vergeht eine Menge Zeit, und als sie anfangen ist es schon 2 Uhr. Lifestyleprinzessin Anja ist mittlerweile nach einem anstrengenden Tag Facebook-Gardening auch dazugestoßen und zeigt sich entzückt ob der märchenhaften Ausstattung des Café Dshihad, einen Waggon nebenan.
Mittlerweile sind soviele Leute da, dass wir es nicht mehr reinschaffen in den Waggon und uns draußen noch paar Lieder anhören. Deswegen haben wir auch leider keine Fotos. Zur Musik hab ich schon an dieser Stelle alles gesagt. Einfach nur großartig!
Gerne hätte ich noch die anderen Bands gehört, v.a. Schlenz. Hab im Verlauf des Abends den lieben Martin (Besigheimer, klar doch) getroffen, mit dem ich zusammen in der Abiband (1991 2001 oder sowas) gespielt habe (bisheriger Höhepunkt meines Lebens. Der nächste? Pulitzerpreis für Blog-Artikel, definitiv), und erfahren, dass er in dieser Band spielt.
Auch The Ditcher und Cristo Crouch hätte ich gerne noch gehört, aber es ist definitiv zu spät geworden und die Menschenmassen zu riesig, als dass wir noch irgendwie in den Waggon hätten reinkommen können. Anscheinend haben auch die Veranstalter nicht mit so einem Zuspruch gerechnet, erzählt mir Moritz (na? Besigheimer, eben), weswegen er 15 Kästen Bier nachordern musste und sich vor seinem Auftritt mit oder als Monsieur Mo Rio erstmal hinlegen muss. Ob es dazu noch gekommen ist weiß ich nicht. Ich durfte ihn ja zum Glück schon mal vor einem Jahr sehen. Sunshinepop vom allerfeinsten, werde ich mir hoffentlich demnächst wieder irgendwo anschauen können.
Freut mich, dass die Leute vom FFUS so einen Erfolg mit diesem Abend hatten. Das haben sie sich auf alle Fälle verdient, da sie wirklich eine urbane Perle in Stuttgart erschaffen haben. Dass es aufgrund einprasselnder, unerwarter Zuschauermassen etwas chaotisch wurde…Woodstock war auch so.
REGINE MARRY ME
Ich würde gerne mehr über Jungs mit Faible für ältere, singende Mädchen lesen. Sehr schön!
Ich höre immer nur den Satz: „Mama, das Lied klingt aber in Wirklichkeit ganz anders“.
pädogisch richtige Antwort: Kind, das ist Jazz.
Interesse an Baggern…da war doch was…
Ich sitze gerade zu Hause und versuche meine 6,9 Promille abzubauen und die 2 Fahradstürze zu verarbeiten die dieser 10 Jahre ffus Tag zu verantworten hat. Toll wars. Auch das zu lesen !(-:
Nicht zu vergessen der open air projizierte Film, der FFUS-Konzertaufnahmen aus den vergangenen Jahren zeigte. Ein großartiges Dokument urbanen Kulturschaffens*).
*) stimmt das grammatikalisch so?
@Dan D.: thx, dann gingen die 15 Kästen also alleine auf dein Konto, Hut ab!:-)
Im Suff vom Rad fallen, da musste mal den Michi rausfordern. Wüsste nicht wer in der Disziplin besser ist.
@bertramprimus: keine Ahnung, bin Ausländer.
..ich hätte auch niemals gedacht, dass im dunkeln vor waggons rum stehen so viel spass machen kann.
ein schöner bericht! und schmoudis photos sind ein augenschmauss.
Jap, sehr schöner Bericht!
danke, ihr guten, für die netten worte zum gig-blog-einstand …
the ditcher fiel leider aus.deswegen blieb mir nicht viel zeit um mir während dem cristo crouch konzert ein auto zu leihen und noch weitere 13 kästen bier in der wagenhalle zu besorgen.um 4.30 hat dann noch monsieur mo rio gespielt.eine uhrzeit zu der ich zuvor noch nie gespielt hatte.die 13 kästen wurden noch getrunken.prost!
Wunderschöne Jubiläumsfeier war das! Warum gibt’s so etwas nicht öfter?
Übrigens hab ich Mr. Gurdan Thomas himself Sonntag früh um 0705 Uhr mit Gitarre und Fahrrad auf dem Pragsattel getroffen. Fragt aber nicht, was ich dort um diese Uhrzeit gemacht hab.
@Lino: Das mit den Fahrradstürzen ist der Fischi – mir passiert das nur ab und zu.
@Schmoudi: vielleicht gibt’s im nächsten Jahr nochmal 10jähriges FFUS-Jubiläum, dann komme ich auch.
@Emil: Finger weg von den Mädels, die werden Dir noch früh genug Probleme bereiten!
Besigheim!
you said it!