AMY WINEHOUSE, 08.05.2009, Pigeon Island, St. Lucia
Armes Mädchen, diese Amy.
Nicht einmal alleine Urlaub machen kann sie in der Karibik. Der Strand ihres Hotels wird von der Polizei überwacht, manche Reporter lauern ihr überall auf oder buchen sich einfach mal unverfroren in der gleichen Nobelherberge ein.
Manche berichten aber auch sachlich, wie die liebenswürdige Kollegin Jo der BBC.
Dass das Konzert von Amy Winehouse auf St. Lucia so viel Interesse verursacht, ist erstaunlich. Comebacks haben Bands, die seit Jahren nicht mehr aufgetreten sind. Künstler, die sich eigentlich von immer und ewig von der Bühne verabschiedet haben. Bei Amy Winehouse spricht man sogar jetzt nach acht Monaten Bühnenabstinenz von einer Rückkehr. Schließlich sind ihre angekündigten Konzerte häufig ganz oder sehr kurz ausgefallen. Am Freitagabend ist sie nördlich von Castries auf St. Lucia aufgetreten. Und hat dabei gezeigt, dass sie das im Moment eigentlich nicht sollte.
Die Leute auf St. Lucia stehen Amy Winehouse mit gemischten Gefühlen gegenüber. Seit Monaten urlaubt Winehouse immer wieder auf der Insel. Und sorgt für Schlagzeilen. Die einen sind froh, dass die Insel in den Medien auftaucht. Die anderen finden das transportierte Image nicht gut.
Dank dem Winehouseschen Klatschfaktor ist die kleine Antilleninsel St. Lucia ständig in den News. Der Tourismusdirektor wird schon ironisch „Winehouse-Direktor“ genannt, weil er ihr ein Studio auf die Insel bauen will. Vor zwei Tagen soll sie die Erlaubnis zur Einbürgerung bekommen haben. An jeder Straßenecke gibt es Wino-Gerüchte. Jüngst soll sie auf Jamaika gewesen sein, auf St. Lucia will sie sich ein Haus kaufen und ihre Mutter sei auch auf der Halbinsel Pigeon Island, auf der das jährliche Jazz-Festival mit Künstlern wie Kassav, Patti LaBelle oder Chicago stattfindet.
Doch die große Frage war an diesem Abend, ob Amy Winehouse wirklich auftritt. Sie kommt etwas verspätet. Sie wackelt auf die Bühne in einem hellblauen Minikleidchen auf weißen High Heels, schüttet eine schwarze Getränkemischung in sich hinein, lallt, nuschelt – und singt nicht wirklich. Es ist ein Auftritt wie von einem anderen Stern. Amy Winehouse schaut mal diabolisch, mal schüchtern, meistens entrückt. Nur: Einen Song am Stück zu singen, das will ihr nicht so recht gelingen. Manchmal da bricht sie einfach ab, stammelt ein leises „Entschuldigung“, nuckelt an ihrem Daumen, zeigt ihr baumwollenes Unterhöschen und nimmt noch einen Schluck von ihrem Getränk (es soll Cola-Light-Wodka sein, heißt es an den Straßenecken). Ein Kollege meint sehr treffend: „Es ist ein bisschen so wie bei einem Verkehrsunfall stehen zu bleiben.“
Die Interaktion mit dem Publikum ist, nun ja, gering. Selbst als es nach wenigen Liedern stark zu regnen beginnt, stottert sie weiter vor sich her. Es sind die Band und die Backgroundsänger, die sie durch den Abend retten. Immer wieder flüstert ihr Zalon ins Ohr. Womöglich motiviert er sie, doch noch ein bisschen durchzuhalten. In knapp fünfzig Minuten hat sie mindestens fünf Mal ihre Schuhe aus- und wieder angezogen, sie hängt sich hilfesuchend an ihren Mikrofonständer. Gerade bei dem Song „Tears Dry On Their Own“ beginnt es zu regnen. Ob der Wassermassen fällt für wenige Minuten das Licht auf der Bühne aus. Und just in diesen Momenten, in denen Amy nicht im Rampenlicht steht, sondern einfach im Dunkeln weitersingt, scheint ihre beeindruckende Soulstimme wenigstens im Ansatz hörbar. Es bleibt ein großes Fragezeichen, wie viel an diesem Auftritt inszenierte Show ist, wie viel öffentliche Selbstzerstörung.
Im Vorfeld hat Winehouse angekündigt, das Konzert solle ein Dankeschön für St. Lucia sein. So wohl wie sie sich hier fühle. Das Publikum nahm den Dank keineswegs dankend an. Zum Schluss wird sie heftig ausgebuht. Die Gäste sahen hier die öffentliche Selbstdemontage einer derangierten Frau. Ein armes Mädchen, diese Amy. „I told you I was in trouble“, singt sie. Und ja, man hat es schon vorher gewusst, dass sie Probleme hat.
Bester Konzert-Blog ever!
vote für Amy unter http://www.votingsongs.de