TOTO, 13.03.2018, Porsche-Arena, Stuttgart

Toto

Foto: Steffen Schmid

Alte Fußballtrainer-Binse: Gibt keine alten oder jungen Spieler, nur gute oder schlechte. Diese Wahnsinns-Bonmot kann man, wenn man mag, eins zu eins auf Musikkünstler übertragen. Und ich mag. Denn meine Beweisliste von überzeugenden Rentnerkapellenkonzerten der letzten Jahre mit The Who, The Zombies, ELO, 10cc, Magma, King Crimson, von mir aus auch Extreme, ist so überzeugend, dass ich mir mit nur geringen Minimalstbedenken auch Toto “reinziehen” (Einschub: so zu sprechen galt früher als attraktiv/aufmüpfig) werde.

Dabei verkörpern ja Toto ein bisschen alles, was man so als Alternativ-Schlumpfi und immer schön Indie-Lofi-Geilfindi hasst. Gibt wohl wenige Bands, die weniger Punk sind, und man hat immer den High-Fidelity Händler vor dem inneren Auge, welcher einem, um die Güte der Lautsprecher zu demonstrieren, zu einer perfekt produzierten CD von Toto greift, aber der Musikgeschmack ändert sich eben mit dem Alter. Nicht nur, dass man immer schöner, klüger und athletischer wird, man hört ja schon seit paar Jährchen Steely Dan und Hall & Oates, da ist der Sprung zu Toto nur ein kleiner. Außerdem hat mich mein Klavierlehrer, weltgrößter Toto-Fan, breitgeschlagen “Hold The Line” zu üben (wenn auch meine Versuche weiterhin klingen wie ein beschädigtes 8bit-File). Woher diese in den letzten Monate aufgekommene Kultigkeit von “Africa” herrührt, weiß ich bei dem Weg aber auch nicht, hier und hier sind dennoch zwei schöne Beispiele.

Toto

Foto: Steffen Schmid

Fast ausverkauft ist die Porsche-Arena würde ich sagen (oder sogar ganz), während nebenan Peter Maffay in der ausverkauften Schleyerhalle deutschprachigen Lederjackenschlagerrock spielt. Immerhin nicht ganz die gleiche Zielgruppe denke ich erleichtert, aber leichte Zweifel, ob ich nicht in ein paar Jahren Tabaluga live sehen und das als ganz normal empfinden werde, beschleichen mich schon.

Egal, ca. 20:10 Uhr geht es los mit einem neuen Song namens “Alone”. Guter Sound für so eine große Halle, und bei solch übelst guten Musikern wackelt ja eh nix. Der Song selbst ok, man merkt natürlich, dass ausgewachsene Langzeitprofis komponieren und arrangieren können. Besser natürlich “Hold The Line”, Tip-Top Hit mit überragendem Solopart, extrem gut, ein Popdenkmal. Sänger Joseph Williams ist gut bei Stimme, was er bei Totos Songs auch sein muss. Allein das Outfit mit langem Mantel und getönten Brillen sieht bisschen zu sehr nach altgewordenem Rockstar aus (vgl. Scorpions oder Westernhagen, auch immer schlimme Anblicke).

Toto

Foto: Steffen Schmid

Sehr sympathisch kommt David Paich rüber. Tapsig das Publikum animierend, mit einem Kleiderständer neben seinem Flügel, der verschiedene Hüte trägt, ist er vielleicht mittlerweile der schwächste Sänger der Band, aber hey, der Mann hat nicht nur viele der besten Toto-Tracks komponiert, sondern auch seine Finger fett bei “Thriller” von Michael Jackson drin gehabt. Das alleine reicht schon, der Mensch ist musikalisches Olymp. Weiterer Augenfang ist Gitarrist Steve Lukather. Auch jemand, dem man nichts mehr auf der Gitarre erklären muss, und dessen Musikvita mehr als Bände spricht. Bei vielen Stücken ist er auch der Leadsinger, u.a. natürlich bei “Rosanna”, welches ja seiner Ex-Frau Rosanna Arquette gewidmet war. Mal davon abgesehen, dass diesen Hit jeder kennt, für Drummer gewinnt er noch an Bedeutung, weil Jeff Porcaros Half Time Shuffle Weltruhm erlangte in schlagstockschwingenden Kreisen.

Danach werden erstmal Stühle im Halbkreis aufgebaut, und es gibt eine Runde Erzählungen der Toto Story mittels Anspielen diverser Songs und dazugehörigen Anekdoten. Z.B. “Miss Sunn”, ein wunderschöner, souljazziger Popsong von David Paich, der Ohr und Bauch erwärmt, mit dem sie damals ihren ersten Plattenvertrag bekommen haben. Mindestens ebenso brillant “Georgy Porgy”, laut David Paich wurde er beim Komponieren und Arrangieren dabei stark von Steely Dan beeinflusst. Mag man gerne glauben, so wie der Song klingt. Ändert nichts an seiner Brillanz.

Peinliche Wissenslücke meinerseits: Ich wusste nicht, dass “Human Nature” von Keyboarder Steve Porcaro stammt, aber nach seiner Erzählung und dem Anspielen des Songs bin ich schlauer, und noch beeindruckter. Der Rest dieser netten Plausch- und Anteaserunde bringt mit “Holyanna” und “Stop Loving You” immerhin noch zwei Songs, die mir in Erinnerung rufen, dass Toto ganz schön viele Singles im Laufe ihrer Geschichte in das Popmusikgedächtnis gepflanzt haben.

Toto

Foto: Steffen Schmid

Danach gibt es wieder in normaler Bandbesetzung mehrere Songs aus der rockigeren, bombastischeren Ecke, mit denen ich zuerst etwas fremdele, welche aber mit jeder Sekunde gewinnen. Was natürlich auch daran liegt, dass Toto nicht nur herausragende Soliparts auftischen (der Backgroundsänger, der ab und an zu Sax und Querflöte greift soll da auch nicht verschwiegen werden), sondern wissen was Dynamik ist. Alleine nur dem Schlagzeuger zuzuschauen, würde als abendfüllende und befriedigende Unterhaltung ausreichen. Gefühl: würde eher seine Mutter unterpreisig verkaufen, als den Beat unsauber zu spielen.

Toto

Foto: Steffen Schmid

Das Cover von “While My Guitar Gently Weeps” reisst mich nicht ganz vom Hocker, wirkt etwas blutarm auf mich. Danke Frau Merkel! Aber wahrscheinlich bin ich einfach zu sehr in die Originalversion verliebt, und meine Ansprüche dementsprechend nicht erfüllbar. Über “Make Believe” und seinem prägnanten Piano-Riff werden wir zum natürlichen Höhepunkt eines Toto-Konzerts geleitet, natürlich “Africa”. Was soll man sagen? Überall schon zu Tode gespielt, bis zum Erbrechen gehört, aber halt einfach ein großartiger Song durch und durch, und beim Refrain schaudert man wohlig. Percussionist Lenny Castro begeistert zwischendrin noch mit einem Solo, und dann dürfen alle mit diversen Mitsingparts “Africa” nochmal feste feiern.

Bei der Zugabe “Road Goes On” sind die 2 Stunden Spielzeit schon weit überschritten, und ich schleich mich zufrieden nach Hause. Werde ich mal bei tripadvisor weiterempfehlen diese Toto.

Toto

Foto: Steffen Schmid

Playlist:

Alone
Hold The Line
Lovers In The Night
Spanish Sea
I Will Remember
English Eyes
Jake To The Bone
Lea
Rosanna
Miss Sunn
Georgy Porgy
Human Nature
Holyanna
No Love
Mushanga
Stop Loving You
Girl Goodbye
Angela
Lion
Dune
While My Guitar Gently Weeps
Make Believe
Africa
Road Goes On

4 Gedanken zu „TOTO, 13.03.2018, Porsche-Arena, Stuttgart

  • 15. März 2018 um 21:01 Uhr
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    Sehr schöner Bericht, Herr Lino. Die „Kultigkeit“ von Africa” ist aber kein Phänomen der letzten Monate sondern eher der letzten Jahre. Ein Hit ist halt ein Hit. Siehe auch dieser fast 10 Jahre alte Vortrag: https://www.youtube.com/watch?v=4b2aGe8_Ag0

  • 16. März 2018 um 10:11 Uhr
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    Hallo Lino,
    dieser Gig war nun schon mein viertes Toto-Konzert. Über die musikalischen Fähigkeiten der Altmeister von Toto braucht man ja nicht diskutieren – perfekt.
    Aber ich weiß ja nicht, in welchem Konzert Du warst – der Sound in der Porsche-Arena am 13.03.2018 wurde der Band jedoch absolut nicht gerecht! Schwerer, basslastiger, schwammig-wummernder und sich überschlagender Sound mit über weite Strecken des Konzerts mangelnden Mitten- und Höhenlagen. So zumindest auf den Rängen (in unserem Alter nimmt man auch gerne mal Sitzplätze –
    in unserem Fall mittlere Höhe, fast mittig in der Gegenkurve zur Bühne, also m.E. eigentlich recht optimal).
    Da blieb der sonst bei früheren Konzerten genossene perfekte, klare raumfüllende Sound vollkommen auf der Strecke.
    Vergleichbare Probleme gab es laut Berichten auch schon z.B. bei den Konzerten in Düsseldorf, München und Leipzig. Offensichtlich haben die Veranstalter von WizProm und SKS hier ihre Hausaufgaben nicht richtig gemacht, schlechte oder unfähige Tontechniker verpflichtet bzw. schlicht an der falschen Stelle gespart. Wir haben uns zumindest über dieses in dieser Hinsicht schlechteste Konzert sehr geärgert.
    Grüße
    Achim

  • 18. März 2018 um 12:45 Uhr
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    Hallo,

    ich war auch auf dem Konzert und gebe dem Achim Recht. Auf der Tribüne war der Sound nur so lala. Joseph Williams hat man manchmal gar nicht richtig verstanden. Toto sind für ihre Perfektion bekannt, da bin ich schon verwundert, dass da nicht auch die besten Tontechniker am Regler sitzen. Gerade weil ie Porsche Arena, wie auch die Schleyerhalle, halt keine richtige Konzerthalle ist . Wie es besser geht, hat man bei Toto zuletzt 2016 auf der Freilichtbühne gesehen, oder auch davor auf der 2012 Tour in Mosbach. Beide Open Air und beide soundtechnisch glasklar und schlicht brilliant. Das Konzert war dennoch toll und vor allem die Soundauswahl hat mir sehr gut gefallen ( endlich mal Angela LIVE – geil ). Leider wurde Stranger in Town gestrichen, war bis zum Konzert in Zürich ( 1 Tag vorher) in der Setlist. Mir hats als Toto Fan trotzdem gefallen, aber ein leicht weinendes Auge bleibt halt trotzdem zurück. Gruß Wege

  • 18. März 2018 um 12:48 Uhr
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    korrigiere. nicht Soundauswahl, natürlich Songauswahl :-)

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