COOGANS BLUFF, WEDGE, 16.02.2018, Goldmark’s, Stuttgart

COOGANS BLUFF, WEDGE, 16.02.2018, Goldmark's, Stuttgart

Foto: Armin Kübler

In Zeiten, in denen die Welt nur aus ironisiertem Hipstertum auf Retrorennrädern, aus auf Heilpraktiker schwörende und den Rückzug in die Voraufklärung tretenden Impfskeptiker-Altbau-Mamas und -Papas, aus Menschen, die einem im Auto während die Playlist mit allen Lieblingssongs läuft fragen “Kann ich das Radio einschalten?”, und aus immer weiter sich enthumanisierender Gesellschaft und Politik zu bestehen scheint, ergo irgendwie alles den Bach runtergeht, tut es gut, sich Musik zuzuwenden, die so klingt, als käme sie von ganz woanders. Damit ist jetzt aber nicht unbedingt Coogans Bluff Ursprungsstadt Rostock als allererste, zwingende Assoziation gemeint, eher ihre nicht unbedingt auf Planet zu verortende Musik. Eskapismus? Gerne! Danke!

Monstervoll ist es im Goldmarks, als es gegen halb zehn mit der Vorband Wedge losgeht. Das Trio aus Berlin mag die 70er. Da gibt’s manchmal Uriah Heep artige Riffunterstützung von der Orgel, von der Gibson SG dreckigen Hardrock und manchmal angenehm vertraute Effekte aus Psychedelicrockgefilden.Dass der Sänger bei seinen Ansagen von der “neuen Scheibe” spricht, sowie ein burschikoses Aussehen mit Peter Lustig Brille samt Retroboots pflegt, passt bestens ins Bild. Burschikos natürlich wegen Peter Bursch.

COOGANS BLUFF, WEDGE, 16.02.2018, Goldmark's, Stuttgart

Foto: Armin Kübler

Warum mir entgegen der Tendenz des Abends, die ein ziemlich begeistertes Publikum den Auftritt der Band abfeiern lässt, das alles nicht so zusagt, hat nun Gründe. Irgendwann wird es mir schlicht zu laut, und zwar so, dass es trotz Ohrenschutz teilweise körperlich schmerzt. Zudem werde ich mit dem Gesang nicht richtig warm, der mir irgendwie zu farblos ist. Das kann aber auch mit dem dritten Grund zusammenhängen. Mir geht die Musik auf Dauer zu sehr in eine Richtung relativ straighten Party-Hardrocks, die einfach nicht meine ist. Vielleicht, denke ich mir, könnte da eine etwas interessantere Stimme dem Ganzen irgendetwas geben, was mir zu fehlen scheint. Aber begeisternde Reaktionen während des vierzigminütigen Sets, samt einer vehementen Zugabe-Rückrufaktion strafen meinen Snobismus aber eh Lügen.

COOGANS BLUFF, WEDGE, 16.02.2018, Goldmark's, Stuttgart

Foto: Armin Kübler

Um halb elf dann endlich Coogans Bluff. Bisschen späte Anfangszeit für so Leute wie mich, die schon langsam beim Studieren der Speisekarten anfangen zu überlegen, ob das Seniorenschnitzel zu bestellen jetzt irgendwie doof aussehen würde oder vielleicht doch geil und richtig. Egal, “Flying To The Stars”, von wegen Eskapismus und so, der Titeltrack des letzten Albums gibt den Anfang. Der Song beginnt mit einem ersten Part, der mit seinen schnellen unisono Gitarren und Bläser Parts sehr an die frühen King Crimson erinnert. Damit habe ich den Köder schon geschluckt. Die darauffolgende Viertelstunde des Liedes, ein unaufhaltsam sich steigerndes, hypnotisches Monster. Selbst wenn es jetzt nur noch Scheisse werden sollte, hat sich der Abend alleine deswegen schon gelohnt.

Wird es aber nicht, es bleibt so brillant. Es ist gar nicht so einfach zu beschreiben, was alles an der Musik der Band mich so anspricht. Da ist einmal die ungeheure Dynamik samt ausgeklügelter Arrangements der Songs, bei denen man jede Sekunde merkt, dass das hier große Musik ist. Die zwei Bläser sind bestens in diesen wilden Mix aus Heavyrock, Jazzrock, Krautrock und Prog eingebunden, und machen als integraler Bestandteil des Ganzen etwas ganz Eigenes aus Coogans Bluff. Manche Parts walzen einen vor lauter Wucht und Brillanz fast schon nieder.

COOGANS BLUFF, WEDGE, 16.02.2018, Goldmark's, Stuttgart

Foto: Armin Kübler

Es gibt kurze Songs, die klingen als würde Tom Waits Funk spielen wollen und Primus hätten dazu noch ihren Senf dazugegeben. Es gibt sich wiederholende Melodiemuster fast schon Steve Reichscher Dimension. Wann gab es das letztes Mal einen langen Posaunenpart bei einem Rockkonzert, das einen in Ekstase trieb? Bzw., gab es das überhaupt schon mal? Eben! Zudem in einem Set, das irgendwann später den heaviesten Doompart ever enthält, welches dem inneren Iommi ein anerkennendes Nicken abringt.

Großartig auch das Gefühl großer kollektiver Einheit des Bandsounds. Die Gitarre, oft großes Muckerinstrument in der Fachrichtung Rock, ist hier auf einer Stufe mit allen anderen Instrumenten und dient nur dem Sinn und Zweck die Musik besser, schöner, richtiger zu machen. Bassist Clemens Marasus trägt nicht nur eine schöne, bunte, sehr enge Hose zur Schau, sondern hat eine passende, gute Stimme und spielt den meist angezerrten Bass so, wie man eben spielt, wenn man das Instrument gelernt hat, und nicht aufgrund Bassistenmangels als Gitarrist dazu verdonnert wurde.

COOGANS BLUFF, WEDGE, 16.02.2018, Goldmark's, Stuttgart

Foto: Armin Kübler

Wenn tatsächlich jemand heraussticht aus diesem Quintett, ist das der ganz vorne platzierte Drummer Charlie Paschen. Stur, stoisch und präzise, wenn es der Song fordert. Virtuos, explosiv, die Musik in andere Sphären klöppelnd an anderer Stelle. Überhaupt herrscht das ganze Konzert ein zwingendes Gefühl vor, dass es der Band nur darum geht, die interessanteste, bestmögliche Musik kreieren zu wollen, und diese so live zu spielen, dass man als Zuschauer sowohl gefesselt als auch begeistert sein muss.

Nach 75 Minuten einzigartiger, mit keiner anderen Band zu vergleichender Musik gibt es noch Zugaben. Bin ja schließlich nicht nur ich aus dem Häuschen. Auch wenn es während des Konzerts manchmal vor lauter Dezibel in der Ohrmuschel Aua tat, das Gefühl, etwas Einzigartigem beiwohnen zu dürfen, katapultiert das Erlebte in den Olymp der eigenen Konzerthistorie. Definitiv einer der besten aktuellen Bands aus Deutschland.

Wedge

Coogans Bluff

2 Gedanken zu „COOGANS BLUFF, WEDGE, 16.02.2018, Goldmark’s, Stuttgart

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