EGOTRONIC, ALLES.SCHEISZE, 03.11.2017, Keller Klub, Stuttgart

Alles.Scheisze, Keller Klub, Stuttgart

Foto: Michael Weiß

Dass Clubs sich nur mit Konzerten nicht über Wasser halten können, das hat man ja schon öfters mitbekommen. Das Geld kommt mit den Parties, die man dann gerne auch noch nach dem Konzert macht. Weswegen man das ganze Livemusik-Ding dann auch mal so zügig wie möglich über die Bühne gebracht haben will. Aber wenn die Stagetime der Vorband mit 19:30 Uhr angegeben ist, wird der Konzertabend fast schon zur After-Work-Veranstaltung.

Alles.Scheisze, Keller Klub, Stuttgart

Foto: Michael Weiß

Für ein Clubkonzert an einem Freitag aber immer noch recht früh stand der heutige Support-Act dann aber doch erst um 20:00 Uhr auf der Bühne. Alles.Scheisze, zwei Typen in Sturmhauben, die sich als „die lächerliche Playback-Band“ vorstellen. Wobei sie sich nicht selber vorstellen, die Stimme vom Band macht das. Sagt bzw. versteht man heutzutage eigentlich noch den Begriff „vom Band“? Tonbänder gibt es ja schon lange nicht mehr, aber „von der Festplatte“ oder „vom Speicherstick“ klingt dann doch zu holprig, oder? Wie dem auch sei, das mit der „Playback-Band“ ist hier auf jeden Fall ernst gemeint. Boller-Beats in bester Stuttgart-Kaputtraven-Manier, darüber wird agitiert. Oder eben so getan als ob, es wird Gesang performt. Aber dank der Sturmhauben müssen nicht mal die Lippenbewegungen passen, und bei den Ansagen zwischen den Songs wird regungslos stillgestanden und auf den nächsten Einsatz gewartet.

Kudos für die Konsequenz, mit der das eine halbe Stunde lang durchgezogen wird. Wann kam es das letzte Mal vor, dass man in einem Konzert stand, ernsthaft überrascht war und „What the Fuck?“ gedacht hat?

Egotronic, Keller Klub, Stuttgart

Foto: Michael Weiß

Live und nicht vom Band sind dann aber Egotronic, die keine zehn Minuten später auch schon auf der Bühne stehen. Einst ein antifaschistisches Elektro-Projekt für Leute, die trotzdem feiern wollen, wurde die Wandlung zur astreinen Punkband in den letzten Jahre vollzogen. So mit Schlagzeug und Gitarre und allem drum und dran, aber natürlich auch noch immer mit Keyboard und Sampler auf der Bühne, das ist man der eigenen Elektro-Herkunft schuldig. Auf ihrer neuen von Rodrigo González produzierten Platte, deren Titel sich fast alle in der Setlist wiederfinden, sind Egotronic zorniger denn je. Die aktuelle Lage der Nation lässt keine Zweideutigkeiten mehr zu, klare Ansagen werden gemacht. Gegen Wutbürger, gegen provinzielle Politikdarsteller, gegen alle, die ein gemeinsames Zusammenleben durch Ausgrenzungen verhindern wollen. Doch Spaß und Humor sind natürlich nicht verschwunden und bei allen Parolen und bei aller Textsicherheit im Publikum sind die Leute heute Abend schließlich auch zum Tanzen gekommen. Und getanzt wird. Im Schubskreis vor der Bühne genauso wie im Rest des gut gefüllten aber nicht ausverkauften Kellerklubs. Für den Spaß sorgt auch Torsun Burckhardt, der Kopf und Kern von Egotronic. Mit seinem langsam ergrauenden Bart steht er da, wie der Papa Schlumpf der hedonistischen Anti-Patrioten. Wenn er sagt „der nächste Song ist über Drogenmissbrauch — da hab ich mal ein Buch drüber gelesen“ muss er selber lachen und man weiß, dass er schon viele „Bücher“ über dieses Thema „gelesen“ hat (auch wenn heute auf der Bühne nur noch Wasser getrunken wird und es nach dem Gig ins Hotel geht). Diese Vermischung von Humor und Haltung haben Egotronic von je her ausgezeichnet.

Egotronic, Keller Klub Stuttgart

Foto: Michael Weiß

Am Ende wird die Zeit auch noch knapp, alle Hits können gar nicht mehr untergebracht werden. Bis kurz nach zehn wird durchgespielt, dann ist tatsächlich und ohne Möglichkeit auf eine Zugabe Schluss.

Egotronic

Alles.Scheisze

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