FEZZMO, Blechduell, 30.06.2017, Schiefererlebnis, Dormettingen

FEZZMO @ BLECHDUELL, 30.06.2017, Schiefererlebnis, Dormettingen

Foto: Michael Haußmann

Fotograf Micha und ich sitzen entspannt bei Weißwein und Käse im Fan-Bus der Stuttgarter Band Fezzmo. Wir sind auf dem Weg nach Dormettingen, wo heute der Endausscheid des SWR 4 Blechduells stattfindet.

Ich gebe zu, ich habe ein bisschen Angst davor, was hier drin noch auf uns zukommt. Warum wir zwei uns das antun? Micha, weil er mir nichts abschlagen kann und ich das schamlos ausnütze. Ich, weil ich auf diese Band total abfahre und sie heute siegen sehen will! Wenn sie gewinnen, werden sie direkt in einen Nightliner reingeschoben und nach Österreich kutschiert, wo sie beim Woodstock der Blasmusik vor ca. 15000 Leuten auftreten.

Fezzmo spielen so ein Fusion-Ding aus Balkan und Klezmer und ich schätze sie unter anderem deshalb, weil sie sich nicht ausschließlich bei Bijelo Dugme (Goran Bregovićs Band in den 70ern und 80ern), Emir Kusturica (ja, der macht auch Musik), Shantel oder Traditionals bedienen, sondern hauptsächlich eigene Stücke schreiben. Teils mit schwäbischen Texten (find ich grundsätzlich charmant, inhaltlich mal sehr witzig, mal nicht so meins).

Schade ist, dass der geheimnisvolle Akkordeonist nicht mehr in der Band ist. Aber für Proben und Konzerte aus Freiburg anzureisen, ist bei den Gagen, mit denen Bands teilweise abgespeist werden, einfach nicht drin. Fezzmo-Tubist Andreas Schurig ist heute verhindert, wird aber würdig  vertreten.

Die Fahrt verläuft ziemlich gesittet, ich hatte im Vorhinein etwas Angst, mit größtenteils Jugendlichen und Bierkästen eine Reise anzutreten, aber das war unbegründet. Als wir endlich am Konzertgelände, dem Schiefererlebnispark Dormettingen, ankommen, sind wir ziemlich überrascht. Es sieht dort aus, wie an einer Autobahn-Raststätte, nur sauber. Schafe gibt es auch. Gerrit, Sänger der Fezzmos, fühlt sich eher an einen Truppenübungsplatz erinnert. Egal was, man kann dort Schiefer klopfen und Fossilien finden und das machen Micha und ich gleich mal.

FEZZMO @ BLECHDUELL, 30.06.2017, Schiefererlebnis, Dormettingen

Foto: Michael Haußmann

Viel Geduld haben wir nicht dafür und machen uns auf Richtung Bühne. Auf dieser läuft gerade der Bürgermeister von Dormettingen ein und wird von Michael Branik empfangen. Ach, den gibt´s also auch noch. Der war in meiner Kindheit bei SDR 3, glaub ich. Jetzt SWR 4 – für mich eine Strafversetzung. Er interviewt den Bürgermeister, was keinen hier interessiert. Das Publikum ist mannigfaltig, man sieht Gamsbart und Ballermann-T-Shirts, geflochtene Zöpfe und Dauerwellen. Ein Hoch auf die Vielfalt!

Man sollte ja meinen, dass die Veranstalter des Blechduells schon mal was organisiert haben, aber mein Eindruck ist, dass hier was mächtig schiefgelaufen ist. Massen stehen an den zwei Kassen an, um Verzehr-Marken zu erstehen. Die Budenbetreiber wischen derweil gelangweilt auf´m Handy rum, sie haben ne ganze Weile einfach nichts zu tun.

Ich mach mich ein bisschen schlau und erfahre, dass 6 Kapellen jeweils 2 Stücke zum Besten geben werden. Einen Pflichtsong, der aus einer Liste mit populären Stücken ausgewählt wurde und einen aus dem Repertoire. 2 find ich ganz schön wenig und ich frage mich, warum einer dann auch noch ein Cover sein muss.

FEZZMO @ BLECHDUELL, 30.06.2017, Schiefererlebnis, Dormettingen

Foto: Michael Haußmann

Die Wüste Welle Big Band aus Tübingen eröffnet mit „Brooklyn“ der Youngblood Brass Band. Gefällt mir total gut, ich tanz schon und bin froh, dass ich hier bin. Das eigene Stück heißt „Am Ziel“. Überraschung, der Bandleader rappt auf Deutsch dazu und wer aus der Kapelle ne Hand frei hat, macht Hip-Hop-Mooves. Sieht bei den älteren in der Band echt witzig aus. Auch dieses Stück geht in die Beine und ich freu mich auf mehr.

FEZZMO @ BLECHDUELL, 30.06.2017, Schiefererlebnis, Dormettingen

Foto: Michael Haußmann

Die nächste Band nennt sich „Brotäne Herdäpfel“. Die haben eine Riesen-Posse dabei, die wild und laut ist. Einer davon hat mich grade getreten, dabei hab ich nicht mal einen Fezzmo-Aufkleber angebracht oder gar ein Band-T-Shirt angezogen. Ihr Pflichtstück ist „Sex Bomb“ von Tom Jones, die verliert grade mächtig an Sex-Appeal, mir ist fad. Aber klar, die Posse feiert es total. Das zweite Stück heißt „Holz Mega Mix“. Ich find, sie spielen teils ganz schön schräg. Puh, nee. Die Mädchen werfen Unterwäsche auf die Bühne. Eigentlich zieht man die direkt vor Ort aus und hat die nicht im Täschchen dabei!

Während der Umbau-Pausen macht „Hot Boy“ Michael Branik immer so eine Art Show, ich komm mir bisschen vor, wie im Möbelhaus. Untermalt wird das alles von der üblichen SWR-4-Mukke. Hart ist, dass die ganzen Teenies hier mitsingen können! Autsch!

FEZZMO @ BLECHDUELL, 30.06.2017, Schiefererlebnis, Dormettingen

Foto: Michael Haußmann

Endlich geht es mit dem Wettbewerb weiter. Eine Band, in der alle aussehen, als hießen sie Huber mit Nachname, verteilt sich auf Holzstühlen um einen Tisch herum. Klar, sie nennen ihr Ding ja auch „Plettenberg Stammtischmusig“. Und diese Musig ist wundervoll. Echte Volksmusik, wie man sie aus dem Alpenländischen kennt. Beide Stücke sagen mir vom Titel her nichts, aber das erste kommt mir zumindest bekannt vor und heißt „Auf der Vogelweide“.

FEZZMO @ BLECHDUELL, 30.06.2017, Schiefererlebnis, Dormettingen

Foto: Michael Haußmann

Die 4. Band des Abends heißt „Jack Russel´s Halsbänd“ (das Apostroph ist ggf. erlaubt, da der Name ja so ein bisschen englisch ist. Der Hund schreibt sich jedoch Russell) und haut mich mit den ersten Tönen gleich mal weg! Ich bin in freudiger Erwartung eines Knallers. Aber dann fällt es total ab, das war nur ein Mega-Intro in eine total langweilige Interpretation von „Hey Jude“. Klingt wie Fahrstuhlmusik. Aber es wird schlimmer. Sie machen mit einem Medley aus 90er-Songs weiter und haben auch noch eine Fremdschäm-Choreo am Start. Ich erkenne „Let´s Get Loud“ von Jennifer Lopez, „Wannabe“ von den Spice Girls und den Rest nicht. Schade, sie sind total gute Musiker. Mensch Jungs, schreibt doch selbst was!

FEZZMO @ BLECHDUELL, 30.06.2017, Schiefererlebnis, Dormettingen

Foto: Michael Haußmann

So, endlich kommen Fezzmo an die Reihe. Ihr Pflicht-Stück ist das von mir leidenschaftlich gehasste „Final Countdown“ von Europe, aber ich finde die Version total gut. Klar, ich bin Fezzmo-Fan, aber ich finde nicht alles gut, was sie machen. Ich jubel so laut, dass ich doch noch einen Band-Aufkleber verpasst bekomme. Fotograf Micha raunt mir zu, dass die „kleidungsmäßig vorne dran“ sind. Stimmt, ist heute aber auch nicht schwierig. Es folgt das „Fezzmo-Medley“ aus 4 Stücken, zwei davon sind eigene. Genial arrangiert, super gespielt. Ich finde, sie haben sich in den letzten Monaten unglaublich gesteigert. Komisch ist nur, dass der Sound insgesamt nicht so brillant ist, wie bei den Vorbands. Irgendwie klingt es, als ob der Mischer irgendwas abgedreht hat bzw. einen dumpfen Effekt draufgelegt hat.

„Cobrass“ sind an der Reihe, ein Fan hält seine Krücke in die Höhe. Der freut sich, bin gespannt, was jetzt kommt. Das Medley aus „Ohne Dich“ von Münchener Freiheit und „Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann“ von Nena klingt laut Micha wie Börsenspekulanten-Jazz. Aua. Dann müssen wir noch „Eye Of The Tiger“ ertragen. Nein, ich will nicht wissen, wie die anderen Bands beim Vorentscheid waren, den diese Gruppe gewonnen hat.

Aber es kommt noch schlimmer: Während des Votings treten die Gewinner vom Vorjahr auf und töten gleich mal Rio Reisers „König von Deutschland“. Ich ahne, dass Fezzmo nicht die Gruppe ist, die man hier würdigt. Noch deutlicher wird das, als die vom letzten Jahr auch noch „Verdammt ich lieb Dich“ bringen.

FEZZMO @ BLECHDUELL, 30.06.2017, Schiefererlebnis, Dormettingen

Foto: Michael Haußmann

Fezzmo landen tatsächlich auf dem 2. Platz. Der Preis ist eine wunderschöne laminierte Urkunde, die ich mir auch gerne an die Wand hängen würde (gacker).

Als Sieger gehen „Jack Russel´s Halsbänd“ hervor. Sei ihnen gegönnt. Fezzmo gehören schließlich nicht aufs Woodstock, sondern ins Mekka der Blasmusik: Guča!

FEZZMO @ BLECHDUELL, 30.06.2017, Schiefererlebnis, Dormettingen

Foto: Michael Haußmann

Wir sind erschöpft zurück im Fan-Bus: Die Plettenberger kommen rein und laufen spielend durch den Gang. Kurz nach Abfahrt greifen Gerrit und Seba zu Gitarre und Klarinette und verkürzen uns damit die Heimfahrt.

FEZZMO @ BLECHDUELL, 30.06.2017, Schiefererlebnis, Dormettingen

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