KARIES, 25.05.2017, Goldmark’s, Stuttgart

KARIES, 25.05.2017, Goldmark's, Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Karies oder die Nerven? Ich kann mich einfach nicht entscheiden. Jedesmal, wenn ich aus einem Gig einer der beiden Kapellen komme, bin ich sicher, dass die eben gehörte noch besser als beim letzten Mal war und vor allem: Eindeutig einen Vorsprung gegenüber der anderen herausgearbeitet hat. Beatles oder Stones? Blur oder Oasis? Beides viel leichter zu beantworten. Und dass der heutige Karies-Gig im Goldmark’s diese Frage nach den Lieblings-Krachmachern mal wieder befeuern würde, das war leicht abzusehen.

KARIES, 25.05.2017, Goldmark's, Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Da ist zum einen das (inzwischen nicht mehr ganz) neue Album „Es geht sich aus“, in das man sich ausgiebig einhören konnte, das ordentliches Rauschen im Blätterwald verursacht und allerorten begeisterte bis euphorische Kritiken eingefahren hat. Da ist die ungewöhnlich lange Wartezeit zwischen Album-Release und Album-Tour – dem Vernehmen nach nicht ganz freiwillig – zur Steigerung der Vorfreude aber durchaus hilfreich. Da ist die Rückkehr von Kevin Kuhn am Schlagzeug. Und dann findet das Ganze auch noch an einem wunderbar sonnigen Mai-Abend statt, an dem sich die vollzählig angetretene Fan-Schar in der Abendsonne des Goldmark’s-Biergarten in Stimmung bringen kann. Und dass das Goldmark’s der ideale Laden für exzessive Gigs ist, das muss ja wohl nicht nochmal betont werden.

KARIES, 25.05.2017, Goldmark's, Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Und so ist es kein Wunder, dass der Club gegen halbzehn bestens gefüllt ist. „Es ist ein Fest“. natürlich beginnt das Set mit dem Opener des aktuellen Albums. Ein paar Schläge auf die Cowbell und der Abend nimmt seinen Lauf: sägende Gitarren in quälender Wiederholung, monotoner Bass, minutenlanges Intro, bevor die ersten Textzeilen herausgeschleudert werden. Die Stimmung ist finster, der Beat hämmert in Bauch und Hirn. Es zeichnet sich ab: dies wird ein heftiger Gig werden. „A“, „Wahrheit träumt nicht“, „Ego“ – mit jedem Titel werden Tempo und Intensität erhöht. Der Laden kommt in Bewegung. Bei „Abwärts“ und „Würgen“ ist der Moshpit eröffnet. Der Sound an der Grenze des gerade noch Machbaren, aber immer gut. Dem manisch-zwingenden Beat kann sich keiner entziehen. So kalt der musikalische Grundton auch sein mag, im Goldmark’s haben sich inzwischen tropische Temperaturen entwickelt. Bier und Schweiß fließen in Strömen.

KARIES, 25.05.2017, Goldmark's, Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

Der wechselnde Gesang, die unterschiedlichen Stimmlagen von Benjamin Schröter und Max Nosek sind – so bilde ich mir ein – von unterschiedlichen Emotionen geprägt. Ersterer eher verzweifelt-aggressiv, zweiterer mehr desillusioniert-lakonisch. Beide jedenfalls in Bestform. Wie überhaupt die gesamte Band ihre Live-Erfahrung ausspielt. Da gibt es keine unnötigen Pausen, die Spannung wird permanent auf hohem Niveau gehalten, die Setlist ist dramaturgisch schlau aufgebaut.

Und dies alles tut seine Wirkung: Beherzte Zuschauer und auch Gitarrist Schröter üben sich im Stagediven, der Abend ist am Höhepunkt angelangt. „Keine Zeit für Zärtlichkeit“, „Es geht sich aus“. Kein schwacher Titel dabei. Ein Konzert der Extraklasse. (Was für eine laue Veranstaltung war das Monarchie-und-Alltag-Konzert der Fehlfarben dagegen. Auch wenn Karies und Konsorten ohne Peter Heins legendäre Band wohl kaum denkbar sind, muss man ganz klar attestieren: das Hier und Jetzt gehört Karies.)

Und um noch die Frage von vorhin zu beantworten: Beatles, Blur, Karies. Ist doch klar. (Zumindest bis zum nächsten Gig der Nerven).

KARIES, 25.05.2017, Goldmark's, Stuttgart

Foto: Michael Haußmann

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