FOG LAKE, FOXING, 31.03.2017, Zwölfzehn, Stuttgart

Foto: Armin Kübler

Wenn man im Internet nach Fog Lake sucht, gewinnt man den Eindruck, es handele sich um eine One-Man-Show. Als ich mehrere junge Männer auf der Bühne sehe, bin ich also zunächst überrascht. Natürlich habe ich nie daran gedacht, dass Aaron Powell alias Fog Lake alle Instrumente selbst einspielt, aber man kann inzwischen ja vieles elektronisch machen oder live reduzierte Versionen darbieten.

Foto: Armin Kübler

Dafür, dass beide Bands des heutigen Abends relativ unbekannt sind, sind ganz schön viele Leute hier. Interessant ist, dass bis auf meine Freundin, Gig-Blog-Fotograf Armin und mich alle Anfang 20 sind. Das ist eine Premiere für mich! Wenn ich auf Konzerten unterwegs bin, ist das Publikum meist sehr gemischt oder 40 aufwärts. Kicher.

Aber zurück zur Bühne. Während Fog Lake singt, öffnet er nicht für eine Sekunde seine Augen, der Mund mit hinreißender Zahnlücke scheint magnetisch mit dem Mikrofon verbunden, egal wohin sein Körper ausweicht – Gitarre spielt er nebenher auch noch. Er muss sehr jung sein – konnte ich im Netz aber nicht rausfinden – seine Mitmusiker (an 2. Gitarre, Keyboard, Bass, Drums) scheinen noch jünger. Sehen fast aus wie eine Schülerband, der Tastenmann hat einen halben Apfel auf der Innenseite seines Unterarms tätowiert, falls das ein Indiz für Jugend ist. Die Musik aber ist so melancholisch und tiefgründig, ich hätte mich in dem Alter noch nicht so ausdrücken können. Vielleicht liegt es daran, dass Fog Lake in Neufundland aufgewachsen ist, ein Ort, der mir ob seines Namens schon als Kind verwunschen und nicht wirklich existent erschien. Zauberland eben.

Foto: Armin Kübler

Zwischen den Stücken scheint Fog Lake immer aus einem Traum aufzuwachen und macht Späße mit seinen Bandkollegen, die witzig sind, vorausgesetzt man versteht den Slang. Er erzählt, dass er seine Bühnenohrstöpsel nicht finden konnte und nun seine Kopfhörer als Ersatz trägt und nun während er spielt, gleichzeitig Smashing Pumpkins hört. Das kommt mir gar nicht so abwegig vor, denn manchmal klingen die Pumpkins bei ihm ein wenig durch. Er kündigt den Song „Novocaine“ an, dieser wird mein Favorit des Abends sein und der Titel lässt uns kurz an die wundervollen Eels („Novocaine For The Soul“) denken. Als er „…  the last song“ sagt, kann ich es nicht fassen – das war viel zu kurz und schließlich sind wir wegen ihm hier. Ich verlasse mich auf eine Zugabe, aber während das Keyboard alleine den letzten Song verklingen lässt, ziehen die Jungs schon die Stecker raus, rollen die Kabel zusammen und sind im Nu von der Bühne verschwunden. Das nenne ich effizient. Schade, bis auf den etwas breiigen Sound war es einfach wundervoll. Wir hätten gerne einen Tonträger, aber leider hat Fog Lake nur Kassetten. Brauch ich nicht, meine habe ich vor ein paar Jahren säckeweise entsorgt und nie vermisst …

Foto: Armin Kübler

Nach kurzer Pause kommt die fünfköpfige Band Foxing auf die Bühne und leider geht es mir schnell so wie letzte Woche bei BirdPen (habe berichtet) in der Manufaktur. Die Band aus St. Louis, Missouri, macht wunderbare, sehr komplexe Musik – im Internet lese ich „die Rückkehr des Emo-Rock“, aber der Sound ist nichts für das kleine Zwölfzehn. Inzwischen ist es nunmal so, dass Bands außer Gitarre, Bass, Schlagzeug noch Keyboards und alle möglichen elektronischen Kästen haben, die irre viel Klang rauslassen, was den Rahmen eines kleinen Clubs leider sprengt. In den Momenten, wenn die Instrumente aussetzen und nur Keyboard und Stimme zu hören sind, ist es jedesmal wie ein warmer Regen. Der Sänger hat eine geile Stimme und spielt auch immer mal Trompete, die man beim ersten Einsatz gar nicht hört. Als er kurz ins Backstage geht und mit einer Akustikgitarre zurückkommt, habe ich Hoffnung, dass wir nun ein leises, reduziert instrumentiertes Stück dargeboten bekommen, aber falsch gedacht!

Foto: Armin Kübler

Weiter beschäftigt mich der Sänger, weil er beim Singen immer seitlich zum Publikum steht und aus dieser Perspektive eine Ausstrahlung hat wie einer, der VHS-Kassetten mit komischen alten Filmen sammelt und ständig in Videotheken rumhängt – sobald er dann aber frontal zum oder mit dem Publikum spricht, ist er ein ganz präsenter, interessanter Typ. Ganz seltsam, wie dieser Eindruck entsteht, denn er singt mit höchster Leidenschaft und Körpereinsatz. Apropos Körpereinsatz. Meistens gehört meine Aufmerksamkeit einem der beiden Gitarristen, dessen Oberkörper im Bereich zwischen 0 und 180 Grad unterwegs ist, nebenher erwischt er noch trotz riesiger Ruderbewegungen die Saiten – und ist rechtzeitig für die zweite Stimme am Mikro. Hinreißend! Der andere Gitarrist ist so klein, dass ich ihn nicht sehen kann, aber ich bekomme mit, dass er hin und wieder mitsingt, was total schön ist. Der Bassist ist gleichzeitig der Keyboarder, auch von ihm sehe ich meist nichts außer den obersten Teil der Bassgitarre. Eindrücklich ist der Schlagzeuger, er spielt relativ fein, dafür dass er ein sehr starker Mann ist. Ihn sieht man sehr gut, keiner der anderen verstellt die Sicht auf ihn.

Leider wird der Sound irgendwann unerträglich, wir beschließen, den Rest des Konzerts draußen zu verfolgen. Und Überraschung – hier ist der Sound einwandfrei und wir genießen die letzten Stücke an der guten Stuttgarter Luft.

Fog Lake

Foxing

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