HELMET, 04.03.2017, Universum, Stuttgart

Helmet

Foto: Steve Sonntag

Der Name HELMET kommt angeblich vom vorderen Teil des männlichen Fortpflanzungsorgans. Liegt ziemlich nahe. Einleuchtend auch, dass ich früher mit den Kumpels statt „HELMET“ gerne mal „HELMUT“ gesagt habe. Aber nicht, dass jetzt jemand denkt, die Band wäre nicht ernst genommen worden. Ganz im Gegenteil. Ich habe das zweite Album „Meantime“ bei der Veröffentlichung 1992 gekauft. Man kam als Metall-und Rock begeisterter Teenager um dieses Album überhaupt nicht rum. Wenn ich mich richtig erinnere bekamen die großen Hits „Unsung“ und „In the Meantime“ sowohl bei MTV „120 Minutes“ als auch bei „Headbangers Ball“ richtig harte Airtime. Heißt: Freunde von Alternative Rock, wie auch die von Metal konnten weltweit mit dem harten HELMET-Sound viel anfangen. Auch die beiden subtilen US-Kritiker „Beavis & Butthead“ haben HELMET total abgenickt, bzw. abgebangt.

„Meantime“ hat einen festen Platz in den unzähligen Top-Alben, die zwischen 1990 und 1992 erschienen sind. Darunter „Nevermind“ (Nirvana) , „Gish“ (Smashing Pumpkins), „Rage Against The Machine“ (Rage Against The Machine), „Angel Dust“ (Faith No More), „Dirt“ (Alice in Chains), „Dirty“ (Sonic Youth), „Badmotorfinger (Soundgarden). HELMET waren mitten drin in diesem Goldrausch. Bei genauerer Betrachtung ging es damals um viel Geld. Große Labels fischten kürzlich noch im Untergrund aktive Bands ab, und verpassten ihnen mit den regelmäßig in Erscheinung tretenden Produzenten oder Tontechnikern Andy Wallace und Butch „Garbage“ Vig einen Popanstrich. Am besten hat das bekanntlich bei Nirvana funktioniert, mit ca. 30 Millionen Einheiten von „Nevermind“. Zum Vergleich: „Meantime“ ca. 1 Million Exemplare. Wundert trotzdem, denn mal abgesehen von einem Hauch Pop in „Unsung“ ist das Album hart und krachig. Nicht rau genug für Steve Albini, der nur ein Stück auf dem Album produziert hat. Er war mit dem Mix angeblich so unglücklich, dass er sich verbieten ließ, dass seine Produktion „In Utero“ (Nirvana), von Andy Wallace gemixt werden darf.

Helmet

Foto: Steve Sonntag

25 Jahre später spielen HELMET zum wiederholten Male in Stuttgart. Meistens sind nach einer derart langen Zeit kaum mehr Originalmitglieder in Bands vorhanden. Bei HELMET ist nur ein Gründungsmitglied übrig – Sänger und Gitarrist Page Hamilton. Er war meines Wissens immer Songwriter und überhaupt für den Sound verantwortlich, daher geht das in Ordnung. Zu früheren Zeiten stach der ehemalige Schlagzeuger Jon Stanier noch heraus, nicht nur wegen dem hohen Becken (am Schlagzeug), sondern auch eine echte Maschine an den Trommeln. Ihm gelang was selten klappt – nach dem Ausstieg bei HELMET schaffte er es mit BATTLES zum zweiten Mal in eine Band mit hohem, wenn nicht höchstem Coolness-Faktor.

Die Band startet im ausverkauften Uni etwas holprig wie nicht nur ich finde. Neuere Stücke zu Beginn, die keiner kennt, und der Sound passt auch noch nicht ganz. Das gibt sich aber glücklicherweise nach ein paar Stücken. Es dauert, bis ich ein Lied erkenne, und mit mir ein paar hundert andere, zumeist in die Jahre gekommene Fans. Alles wippt wie auf Kommando zu „Ironhead“ von „Meantime“. Jetzt geht’s los. „Bad News“ vom aktuellen Album „Dead to the world“, solides Stück, gefolgt von „Enemies“, ich weiß nicht, ob ich das Wort „Powerballade“ wirklich verwenden sollte. Bis hier kein Wort von Page Hamilton – bierernst rockt er ab und trinkt selbiges dazu. Ich erinnere mich an die Schwänke auf früheren Shows, in denen er von seiner Zeit in Stuttgart erzählt hat. Kommt als ich schon nicht mehr damit gerechnet habe. Der Mann spricht sehr gutes Deutsch, obwohl er nur ein Jahr in Stuttgart (Heslach) gelebt hat. Die Musikhochschule hat er 1982 besucht, ganz in der Nähe vom Charlottenplatz. Sie kommen also die Schwänke, vom Dead Kennedys-Konzert in Stuttgart, von deutschen Wörtern, die er sehr mag, wie „Schlagzeug“. Im internationalen Sprachvergleich schneidet Deutsch überraschend gut ab. Nach der Show erzählt er am Merch noch mehr von Maultaschen, Spätzle, von der Wohnung ohne Bad, vom Duschen im Hallenbad Heslach unter schwäbischem Zeitdruck. Warum Stuttgart? Austauschprogramm mit Oregon, wo er ursprünglich herkommt. Ein außergewöhnlich netter und lustiger Typ. Und das bei zuletzt 40 Shows in den USA, und weiteren 40 in Europa. Ein sehr besoffener Würzburger Fan-Man hält ihm ein Foto zum Signieren unter die Nase. Darauf zu sehen: „HELMET“ in den Schnee gepisst. Er sagt „I’m flattered“ und unterschreibt grinsend bis zu den Ohren.

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Foto: Steve Sonntag

Aber auch die Stuttgarter heute müssen an dieser Stelle gelobt werden. Es gibt keinen Stress, obwohl das Uni wie gesagt voll bis unter den Rand. Die Band wird gefeiert wie blöd, weshalb wir zur normalen Zugabe noch zwei weitere bekommen. Ich rechne schon mit einem fetten Zugabenprogramm, denn einige Hits fehlen noch. Natürlich kommt „Unsung“, ein Traum, alles stimmt, schönster vorstellbarer Lärm, wir werden zu einer sich hin und her bewegenden, schubsenden Masse. „Wilma’s Rainbow“ ein weiterer ganz großer Hit vom 94er Album „Betty“. Besser wird es nicht mehr. Ich freue mich aber trotzdem sehr über „Just another Victim“, vom Soundtrack zu „Judment Night“ von 1993. Für nicht kundige: Jeweils eine Rock/Metall-Band hat sich mit einer Hip-Hop-Band zusammen getan, um eine Kollaboration aufzunehmen. HELMET zusammen mit HOUSE OF PAIN. Ich war begeistert von diesem Soundtrack. Der Rap-Part von Eric Schrody a.k.a. EVERLAST wird einfach weggelassen. Das Lied ist sowieso zu mehr als 2/3 HELMET. Wird bestimmt nur für besondere Anlässe ausgepackt dieser Joker. Ein sehr besonderer Anlass war das heute für alle Beteiligten.

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Foto: Steve Sonntag

2 Gedanken zu „HELMET, 04.03.2017, Universum, Stuttgart

  • 6. März 2017 um 20:25 Uhr
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    Seufz. Wie gerne wäre ich dabei gewesen.

  • 24. März 2017 um 23:54 Uhr
    Permalink

    Angeblich ist der Bandname eine Abwandlung des Namens des Bundeskanzlers, der zu Pages Austauschzeit Deutschland regierte.

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