FEINE SAHNE FISCHFILET, 03.12.2016, Im Wizemann, Stuttgart

Feine Sahne Fischfilet

Foto: Armin Kübler

„Komm wir reichen uns die Hand und wir werden schon sehen, dass die zeitlosen Momente wirklich niemals vergehen.“

Arg viel besser als mit diesem kleinen Auszug aus Feine Sahne Fischfilets „Mit Dir“ kann man den Abend im Wizemann nicht beschreiben. Denn die Punkrocker aus Mecklenburg-Vorpommern werden die Halle rocken, wie ich es selten erlebt habe. Ganz großes Kino wird das. Ein echtes Brett. Und wer da ohne guten Grund nicht selbst gewesen ist, muss sich echt vorwerfen lassen was ganz Großes verpasst zu haben. Deppen.

Zugegebenermaßen bin ich noch nicht lange Fan von Feine Sahne. Und natürlich war es ihr Hit „Komplett im Arsch“, der mich auf sie aufmerksam gemacht hat. Heute könnte ich mir in den Arsch beißen für jedes Festival, auf dem ich beim Studieren des Line-Ups über den lustigen Bandnamen gelacht habe, aber nicht zum Konzert gegangen bin. Depp. Nochmal wird mir das jedenfalls nicht passieren. Nicht nach diesem Konzert.

Schon vor der Halle wird klar, was Feine Sahne so besonders macht. Sie passen nicht nur in keine Schublade, sie legen auch allergrößten Wert darauf sich nicht ein- und andere damit auszugrenzen. In bester Bierlaune tummeln sich daher Punks, Skins und allerlei buntes Volk gemeinsam mit weniger auffälligen Fans vor und im ausverkauften Wizemann. Antifaschistische Statements sehen wir jede Menge… auf Shirts, auf Jacken und auf Fahnen. Denn einer der Gründe warum Feine Sahne so viele Fans in der linken Szene hat, ist ihr antifaschistisches Engagement. Und das geht weit über Parolen und Lippenbekenntnisse hinaus. Sänger Monchi und seine Bandkollegen rufen zu Aktionen auf, beziehungsweise veranstalten diese, setzen sich aktiv für Flüchtlinge ein und lassen keine Chance ungenutzt, um auf die Gefahren von Faschismus, Sexismus und Homophobie aufmerksam zu machen. Vom Verfassungsschutz haben sie daher den Stempel „linksextrem“ aufgedrückt bekommen. Nichts Neues für ihr Label Audiolith, das mit Egotronic noch eine weitere Band im Bericht des Staatschutzes hat. Die CSU versuchte zuletzt Konzerte in Bayern verbieten zu lassen, wodurch es Feine Sahne als „Fettpunker“ in die Bild-Zeitung „geschafft“ haben. Attacken von rechts sind also nichts Außergewöhnliches für die Band aus dem Osten. Da wird dann auch mal der Tourbus von Nazis angegriffen. Umso schöner, dass die Jungs sich trotzdem treu bleiben und für ihre Überzeugungen einstehen. Trotz Gästelistenplatz werde ich am Einlass auf Wunsch der Band dann auch um eine Spende gebeten für ein antifaschistisches Projekt in einem kleinen Dorf im Osten der Republik. Sehr gern zücke ich da einen Schein.

Drinnen decken wir uns erstmal mit Bier ein und treffen ein paar alte Bekannte. Und noch bevor irgendjemand auf der Bühne steht, hallt es durch das Wizemann: „Alerta, Alerta, Antifaschista“. Los geht es dann mit der serbischen Vorband Fiskalni Račun. Die heizen mit ihrem flotten Streetpunk ordentlich ein und befeuern schon mal den Schubskreis. Sehr nett auch, dass Feine Sahne-Sänger Monchi seine Freunde persönlich ankündigt. Die freuen sich sichtlich darüber vor so großem Publikum auftreten zu können. Dem bislang Größten wie ihr Sänger verrät. Schon jetzt ist die Stimmung großartig und ich bin mir sicher, dass sich die Serben ein paar neue deutsche Fans erspielt haben. Einen kenne ich schon.

Fiskalni Račun

Foto: Armin Kübler

Der Auftritt von Feine Sahne beginnt mit einer kleinen Diashow. Auf einem weißen Tuch, mit dem die Bühne abgehängt wurde, werden Fotos der Band gezeigt: alte und aktuelle, alberne und ernste, schöne und auch peinliche. Man fühlt sich gleich noch verbundener. Und dann geht die Sause mal so richtig los. Die ersten Akkorde ertönen noch hinter dem Tuch, das dann aber fällt und Monchi und seine Bandkollegen preisgibt. Ab geht es mit einem der allerbesten Konzerte, das ich je erleben durfte. „Für diese eine Nacht“ ist der Opener, der augenblicklich alle Dämme brechen lässt. Becher fliegen durch die Luft, Stiefel treffen auf Schienbeine, Fans lassen sich auf Händen durch die Halle tragen und alles grölt mit.

„Komm schon für diese eine Nacht, als wenn nur dies uns glücklich macht. Verdräng, verlier, ignorier!“

Was folgt ist eine einzige Party. Das Wizemann rockt heftig. Musikalische Höhepunkte auszumachen ist schwer, denn jeder Song wird von den Fans abgefeiert. „Geschichten aus Jarmen“, „Wut“, „Mit Dir“, „48 Knoten“ um nur mal ein paar zu nennen. Aber klar ist „Komplett im Arsch“ einer der ganz großen. Punkrock trifft auf Deutschrock trifft auf Ska. Man kann gar nicht anders als abzusteppen. Und viel Bier zu trinken. Punkrock, Bier… Ihr wisst schon: passt wie Arsch auf Eimer. Monchi macht immer wieder klar wie wichtig es ist sich einzusetzen und sich gegen den allgegenwärtigen Rechtsruck zu stemmen. Vom Wizemann wird er dafür gefeiert. Er begrüßt alte Freunde im Publikum, wie beispielsweise die stadtbekannten Unruhestifter Produzenten der Froide, und feiert mit seinen Fans das Leben. Gern auch mal mit einem roten Benaglo in der Hand. Die Stimmung kocht. Und Monchi macht noch einmal klar, was er von Schubladen hält: „Ich scheiß auf Subkulturen“. Jeder sei bei ihnen willkommen. Egal ob man sich schick macht oder eben gerade nicht: „alle zu uns, alle zu uns.“ Da darf dann zu ruhigeren Songs auch mal rhythmisch geklatscht werden. Wird man sonst bei Punkkonzerten eher selten erleben.

Feine Sahne Fischfilet

Foto: Armin Kübler

Fast zwei Stunden dauert diese mächtige Party. Wir tanzen, was das Zeug hält, kriegen Bierduschen ab und strapazieren unsere Stimmen. Legendäres Konzert. Im stattlichen Pit geht es rund, aber auch der Rest der Halle feiert, was das Zeug hält. Ich bezweifele, dass hier heute irgendeiner keinen Spaß hat. Und wenn doch: Depp. Aber irgendwann endet auch das beste Konzert, hier und heute nach ein paar Zugaben im goldenen Glitterregen. Danke Feine Sahne Fischfilet, danke für das geilste Konzert des Jahres. Und Danke dafür, dass Ihr Euch nicht unterkriegen lasst. Wir machen uns komplett im Arsch auf den Heimweg.

„Komm wir reichen uns die Hand und wir werden schon sehen, dass die zeitlosen Momente wirklich niemals vergehen.“

 

Feine Sahne Fischfilet

Fiskalni Račun

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.