RYAN VAIL, 06.09.2016, Innenhof Weltcafé, Stuttgart
Das nenn ich mal einen Glücksgriff. Für eines der raren Konzerte im Innenhof des Weltcafés hat Reiner Bocka ausgerechnet den Nordiren Ryan Vail gebucht. Dieser ist nicht nur auf seiner allerersten Deutschland-Tour, er ist auch ein Meister subtiler Klangwelten aus Klaviermusik und Elektronik-Sounds. Musik, die wie geschaffen ist für einen lauen Spätsommerabend im schönsten städtischen Raum in Stuttgarts Innenstadt.
Vails aktuelles Album „For Every Silence“ bekommt allerorten positive Kritiken und seine Pianostücke lassen sich prima zwischen Nils Frahm, Ludovico Einaudi und Ólafur Arnalds einsortieren. Wir sind gespannt, wie sich dies open air vor einer größeren Menge präsentiert. Zur angekündigten Konzertzeit sind von den 660 Facebook-Interessenten mal gerade ein paar Dutzend vor Ort, so ist es ganz gut, dass ein Warmup-Act angeheuert wurde. Und zwar ein wirklich guter: der Stuttgarter Chris Finscher aka Detmolt präsentiert ein feines DJ-Set mit vielen orientalischen Sounds, das das langsam eintrudelnde Publikum ins Mitwippen versetzt.
Als Ryan Vail dann gegen neun mit seinem Auftritt beginnt, haben sich ein paar hundert Zuschauer versammelt. Vail spielt im Wesentlichen sein aktuelles Album und beginnt mit dessen Opener „1927“. So gut die mobile Anlage auch ist, so solide das elektronische Stage-Piano auch klingen mag, hier würde man sich ein echtes Klavier wünschen. Klar: das kann bei einem mit überschaubarem Aufwand installierten Open-Air-Gig und angesichts der Transportkapazitäten einer Tournee nicht geboten werden. Und trotz des großen Publikums und des dauernden Passantenbetriebs stellt sich eine einigermaßen ruhige, konzentrierte Stimmung ein.
Da sich Vail im Wesentlichen an die Titelfolge und den Spannungsbogen seines Albums hält, gewinnt das Programm zunehmend an Rhythmus und Dynamik, und mit ein paar älteren elektrobeat-lastigen Titeln mit ordentlich Tiefbass entwickelt sich der Gig immer mehr zu einer Tanzparty. Gut, dass eine Nebelmaschine bereit steht, die dem Innenhof zusammen mit den sparsamen gesetzten Spots fast zu Club-Atmosphäre verhilft.
Kurzum: ein Künstler, den man sich merken muss, eine Location, an der man sich viel mehr Gigs wünscht und ein wunderbarer Spätsommerabend für alle, die sich blind auf Reiner Bockas Booking-Glück verlassen haben – oder auch nur zufällig bei ihrem Stadtspaziergang hereingeschaut haben.
Ryan Vail
Detmolt