ÉCLAT, THE BAY, 11.08.2016, Merlin, Stuttgart

ÉCLAT, THE BAY, 11.08.2016, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Diesen Herbst feiert das Merlin 33-jähriges Jubiläum mit einem insgesamt 33-stündigen Programm über das man sicher auch auf diesem Blog was zu lesen bekommen wird. Doch noch ist nicht Herbst, noch ist Sommer, auch wenn das tatsächliche Wetter und die herrschenden Temperaturen dem meteorologischen Kalender heuer immer wieder zu widersprechen versucht. Aber man erkennt den Sommer auch daran, dass im Merlin das Klinke-Festival dem Clubkonzert-Sommerloch mit einem veritablem Programm aus lauten und leisen, frischen und erfahrenen, guten und interessanten Acts aus der Stadt und dem Umland trotzt.

ÉCLAT, THE BAY, 11.08.2016, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Einer dieser frischen und wie sich in der nächsten halben Stunde dann auch herausstellte sehr guten Acts, ist die heutige Vorband des Abends, The Bay aus Stuttgart. Eine Zweierband bestehend aus Luis Perez, der am Schlagzeug sitzt und nebenher noch den Synthi bedient und Daniele Guida, der singt und Bass-Gitarre spielt, allerdings eher wie eine klassische E-Gitarre, sehr laut und sehr verzerrt. Die beiden sind so neu, das ist heute Abend ihre, wie sie sagen, „Entjungferung“, ihr allererstes Konzert. Wobei das, was uns da von der Bühne entgegen schallt, sich alles andere als anfängerisch anhört. Das mag das erste Konzert von The Bay sein, diese beiden da stehen aber mit Sicherheit nicht zum ersten Mal an ihren Instrumenten auf einer Bühne. Der Sound ist druckvoll und tief und erinnert an das, was man in den frühigen Neunzigern „Alternative“ nannte, Bands wie Alice in Chains, Mudhoney oder Screaming Trees kommen in Erinnerung und das, ohne dass es wie ein Grunge-Aufguss klingt. Im Gegenteil, das ist verdammt frisch, was die Zwei da abliefern. Und es scheint vielen zu gefallen, die Leute im angenehm gefüllten Merlin nicken und wippen mit, vereinzelte Headbanger werden gesichtet. Nach dem angesagt letzten Song wird direkt eine Zugabe drangehängt, dann ist er vorbei, der allererste Auftritt von The Bay. Und wir bleiben freudig überrascht ob der Neuentdeckung dieser Band zurück. Was ist es nur mit 2er-Bands, dass diese manchmal noch heftiger klingen als andere in großer Besetzung? Als würden durch jedes eingesparte Instrument etxra Energien freigesetzt. Mit diesem Gedanken geht es in die kurze Umbaupause.

ÉCLAT, THE BAY, 11.08.2016, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Éclat sehe ich ja dieses Jahr bereits zum zweiten Mal. Als vor drei Monaten das neue, von Ralv Milberg gegründet Label, Chicos Records, seine erste Veröffentlichung feierte (die EP von Kaufmann Frust, die am nächsten Tag hier bei der Klinke im Merlin spielen werden) spielten Éclat als Vorband und sie, ähnlich und doch anders als auch The Bay heute, überraschten. Denn Ralv Milberg steht für den „Sound von Stuttgart“, den er als Produzent eigentlich aller Bands aus Stuttgart prägt, die in der letzten Zeit für Aufmerksamkeit sorgten. Er ist auch bekannt für infernalisch laute aber trotzdem glasklar abgemischte Konzerte, wenn er selbst hinter den Reglern steht (meist bei seinen eigenen Schützlingen, so auch heute bei der Vorband). Aber seine Band Éclat klingt nicht unbedingt so wie man sich die Band von dem Typen vorstellt, der Die Nerven, Human Abfall und Karies produzierte.

ÉCLAT, THE BAY, 11.08.2016, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Ein „Éclat“ ist ein unvorhergesehenes Ereignis, mit dem keiner gerechnet hat… Vor einem grossen Publikum (damit der Effekt gross ist).

Ganz so unvorhergesehen ist das Ereignis heute dann entsprechend nicht mehr, ich bin vorbereitet. Mit roten Blumenshirt und blauen Schuhen, die meine Oma sicherlich als Salonschleicher bezeichnen würde, betritt Ralv Milberg die Bühne und er hat einen Bekannten mitgebracht. Eben noch bei The Bay an Bass und Mikrofon steht Daniele Guida nun bei Éclat an der Gitarre. Ich wusste doch, dass der das nicht zum ersten Mal heute macht.

ÉCLAT, THE BAY, 11.08.2016, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Aber was hat damals nun so überrascht am Sound von Éclat, was hatte man nicht erwartet? Nun, Éclat spielen sehr tanzbaren Indie-Rock, den man wunderbar auf jeder Studentenparty zwischen Franz Ferdinand und The Killers laufen lassen kann. Manchmal klingt Milberg in seiner Artikulation ein bischen wie Jochen Distelmeyer. Aber auch wenn die Texte Attitüde haben, ist das hier alles viel zu herzlich für Diskurspop. In einigen Songs kommt ein deutliches Faible für den Deutschrock der früher 1980er durch („Die helle Seite der Macht“). Doch fast allen Songs ist gemein, dass sie sich stetig steigern und selbst wenn es mal schlageresk-poppig begann, wird man am Ende von der Gitarrenwalze plattgemacht.

ÉCLAT, THE BAY, 11.08.2016, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Milberg ist eben ein Tontechniker, ein Soundmensch, der offensichtlich den Klang liebt, der bei Gitarrensolos sein Gesangsmikro vor die Boxen hält, um es noch dicker zu machen. Er ist im Herzen aber auch ein Tanzbär, der total verschwitzt auf der Bühne alles gibt für sein Publikum und der zwischen den Songs immer mit amüsanten bis bizarren Ansagen zu unterhalten weiß (er schnüffelt zum Beispiel bei einer neuen CD am liebsten an der frischen Druckfarbe) und so auch locker kleinere technische Probleme überspielen kann, in denen z.B. das Schlagzeug kurz wieder befestigt werden muss.

Mit „Die Erde eine Wüste“ geht ein sehr schöner Abend mit zwei tollen Bands zu Ende. Das Klinke-Festival, immer eine Entdeckung wert.
ÉCLAT, THE BAY, 11.08.2016, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Éclat

The Bay

2 Gedanken zu „ÉCLAT, THE BAY, 11.08.2016, Merlin, Stuttgart

  • 13. August 2016 um 17:04 Uhr
    Permalink

    Daniele von the Bay ist keinesfalls ein Frischling. Er war lange der Frontman der genialen Soulstrip, die es wohl leider nicht mehr gibt.

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