DAVID GUETTA, 30.01.2016, Schleyerhalle, Stuttgart

David Guetta

Foto: Reiner Pfisterer

Es ist natürlich schwer bis unmöglich, sich dem Thema David Guetta ohne die immer noch relativ aktuelle EDM-Diskussion zu nähern: Die DJs legen doch eh nicht richtig auf, die Musik ist schrecklich, das ist doch keine Show, wenn nur vorne einer steht und Knöpfchen drückt.

Vor allem weil – wie ich mit doch leichtem Entsetzen feststellen musste – tatsächlich Sitzplätze verkauft wurden. Wahrscheinlich vor allem, um die Halle mit 10.000 Leuten fast voll zu machen.

Leider erfüllen die beiden „Warmup-DJs“, der 18jährige Franzose Kungs und der Holländer Sam Feldt, diese und auch alle weiteren Klischees tapfer.

Sam Feldt

Foto: Reiner Pfisterer

Um aber mit dem ersten Klischee aufzuräumen: Beide legen offenbar tatsächlich auf und spielen nicht etwa ein vorgefertigtes Set ab. So lieblos bis grottig wie die Übergänge sind, müssen sie live sein.

Dabei ist die Hackordnung gesetzt und durch die wichtigste DJ-Währung, die Fanzahl bei Facebook, definiert: Kungs mit knapp über 50.000 Fans fängt an und hat sein Logo auf die LED-Rückwand projiziert, das war’s. Sam Feldt mit fast 190.000 bekommt ein eigenes kleines Intro bei abgedunkelter Bühne und zu jedem aufgelegten Track wechselnde Animationen – wenn auch begrenzt originell (romantische Strandszenen mit Logo, fliegender Adler mit Logo).

Was sich wiederum bis aufs Haar gleicht, sind die Moves: Da wäre zum einen, dass Hände über dem Kopf im Takt zusammenklatschen, was zumindest die ersten Reihen im Publikum erfolgreich dazu animiert, das selbe zu machen. Dann noch die Arme im Takt vertikal nach vorne hochreißen mit leichter Aufwärtsbewegung des Körpers, was die Leute eher weniger erfolgreich zum Springen bringen soll.

Und dann – bei beiden tatsächlich erfolgreich – ein besonders gewiefter Trick: Mit schnellen Klatschbewegungen Applaus andeuten, die Leute klatschen, und sich dann mit bescheidener Geste für den Applaus bedanken. Maximal zwei Mal pro Set darf man dann auch mal zum Klatschen vors DJ-Pult treten, man soll es ja nicht übertreiben.

Musikalisch ist beides sehr ähnlich, wobei Kungs mehr Freunde von harmlosem House mit Piano- und Saxofonmelodien und dünnstimmigem Gesang bedient, während Sam Feldt vor allem gegen Ende schon mal den ein oder anderen EDM-Track brettert.

Das Ganze zieht sich (samt Umbaupause von 15 Minuten, um den USB-Stick zu wechseln) dann doch etwas bis gegen 21.30 Uhr, und als das eigentlich gut gelaunte Publikum doch etwas zu murren anfängt und ich mich gerade auf einen weiteren überflüssigen Abend einstelle, geht es los. Und zwar richtig.

Guetta

Foto: Reiner Pfisterer

Die eigentliche Show beginnt, die Musik ist plötzlich doppelt so laut wie vorher, das Intro wird begleitet von Animationen auf gezählt 13 LED-Screens plus Scanner und Scheinwerfer, die rund um ein DJ-Pult platziert sind, das drei Meter über dem steht, an dem die Warmup-DJs standen. Dazu kommen im Laufe der Choreografie Konfetti, Luftschlangen, Rauchkanonen und Flammenwerfer.

Das hört sich übertrieben an, und das ist es auch. Mittendrin David Guetta, dem man auf der projizierten Nahaufnahme seine 48 Jahre und das sicher nicht unanstrengende Tourleben durchaus ansieht, der aber offensichtlich gute Laune hat.

Was dann folgt, versöhnt mich persönlich ziemlich mit dem ganzen Konzept, das man einfach so interpretieren muss, wie es gemeint ist: Offensichtlich und nachvollziehbar hat das Ganze nichts mit einem DJ-Set zu tun. Vielmehr ist es eine Gesamtshow aus Licht, Animation und Sound, die von einer Person zusammengehalten wird, die eben mittendrin steht.

Dabei bemüht sich Guetta zwar, mit routinemäßigem Auf- und Absetzen der Kopfhörer und leichten Andeutungen von Scratchen, wenn die Kamera draufhält, das Thema DJ zumindest anzudeuten. Aber letztendlich würde es der perfekt choreografierten Show eher schaden, wenn er tatsächlich in Echtzeit Übergänge machen würde.

Guetta

Foto: Reiner Pfisterer

Aber es ist auch egal. Es ist eine musikalische Achterbahnfahrt, die man nicht mögen muss, die aber durchaus spannend mit seinen größten Hits anfängt, auch mal Tempo raus- und Trap- und HipHop-Anleihen reinnimmt und später alle möglichen aktuellen und älteren Charthits in EDM-kompatiblen Versionen exakt getimet aneinanderreiht.

Die eingangs genannten Posen hat Guetta dabei nicht nötig, er beschränkt sich überwiegend auf Klatschen im Takt, Arme in die Luft reißen, gelegentlichen kurzen Ansagen und nur einmaliges Besteigen des DJ-Pults. Den Rest erledigen die wohl eigens angefertigten, stilistisch zwischen Manga und Sin City pendelnden Animationen mit wiederholt eingeblendetem „Stuttgart“, was gut gemeint ist, wovon sich das überwiegend aus dem Umland angereiste Publikum aber nicht so wirklich angesprochen fühlt.

Ansonsten ist die Stimmung im Saal tatsächlich sehr gut, die meisten Leute tanzen, und auch auf den Sitzplätzen sitzt niemand mehr. Auch die Social Media-Berichterstattung läuft: Eine Besucherin neben mir, die ihr iPhone vorsorglich gleich an den Ersatzakku angestöpselt hat, versorgt permanent Freunde und Follower via WhatsApp und SnapChat mit Bildern, Videos und Tonaufnahmen.

Meiner Begleitung und einer sicheren Car2Go-Reservierung zuliebe verlassen wir die Show kurz vor Ende, aber ich bin mir sicher, dass diese ein fulminantes Ende gefunden hat. Und wer einen DJ sehen und hören will, der sollte in einen Club gehen, nicht in die Schleyerhalle.

David Guetta

Foto: Reiner Pfisterer

David Guetta

Sam Feldt

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