SVAVAR KNÚTUR, 29.11.2015, Café Galao, Stuttgart

Svavar Knutur

Foto: www.lofote.de

Uff… eigentlich wollte ich so schnell nicht wieder über meinen isländischen Lieblingstroubadour Svavar Knútur schreiben. Weil ich das schon so oft gemacht habe und weil ich so etwa das Gegenteil von objektiv bin. Diesmal aber soll es kein gewöhnliches Konzert werden. Svavar hat isländische Weihnachtslieder im Gepäck und kommt passenderweise am ersten Advent ins Galao nach Stuttgart. Da kann man dann schon mal wieder. Und vorweggenommen: am Ende werden fast alle verklärt um die Wette strahlen, als hätten sie gerade den leibhaftigen Weihnachtsmann beim Socken füllen ertappt. Denn Svavar hat es geschafft, er hat all seine anderen wundervollen Auftritte tatsächlich noch getoppt.

Brechend voll ist das Galao an diesem Sonntagabend. Und das obwohl der isländische Zottelbarde mittags hier auch schon ein Familienkonzert gegeben hat. Wir finden gottseidank noch ein Plätzchen auf einer fellbedeckten Bierkiste auf der Bühne. Im Laufe des Abends wird die meinem Allerwertesten zwar einiges abverlangen, aber egal. Als Svavar den Raum betritt, schaut er ein wenig irritiert. So wenig Platz hat er wohl noch nie gehabt. Die Leute sitzen vor, neben und hinter der Mini-Bühne. Als er Punkt 21 Uhr loslegt, ist das aber sowieso komplett egal. Denn Svavar zündet ein intimes Feuerwerk, wie ich es bei ihm und auch bei anderen Künstlern noch nicht erlebt habe. Woran es liegt, kann ich nicht wirklich sagen. Die besinnliche Vorweihnachtszeit? Die fantastischen Fans, von denen viele seine Lieder (zumindest die englischen) auswendig mitsingen können? Die ausgesprochen gute Laune des Isländers? Keine Ahnung.

Svavar Knutur

Foto: www.lofote.de

Neben den angekündigten isländischen Weihnachtsliedern spielt Svavar einige seiner Klassiker und auch Songs von seinem brandaktuellen Album „Brot“ (hat übrigens nichts mit Backwaren zu tun, sondern bedeutet auf isländisch „Zerbrechen“), das er auch als CD, schick in Vinyl und auch als Chocolatebox mit Downloadcodes im Gepäck hat. Und vom ersten Lied an wird mitgesungen. Erst nur das halbe Galao und spätestens ab dem dritten Song dann gefühlt das ganze, egal ob bei „Emotional Anorexic“, „Girl from Vancouver“ oder „Clementine“. Sogar ich lasse mich nicht lang bitten und bei mir dauert sowas für gewöhnlich. Wo auch immer man heute kann, singt man eben mit. Selbst bei Svavars wunderschönen, isländischen Liedern werden trotz mangelnder Sprachkenntnisse wenigstens die Ohhhoooo-Parts dafür genutzt und eine seltsam warme Stimmung füllt den Raum. Das von Musikern so oft beschworene „Wir“ mit den Fans ist hier tatsächlich fühlbar. Klingt kitschig, klingt pathetisch – ist aber so. Viele haben die Augen geschlossen und schwingen leicht hin und her.

Und auch als Svavar seine irrsinnig lustigen Anekdoten zum Besten gibt, kommt mir das Lachen der Fans lauter und herzhafter vor. Wo man auch hinsieht, strahlende Gesichter. Svavar macht sich über Pegida lustig, disst Amerika, lobt die Deutsche Bahn (soll im Vergleich zur amerikanischen tatsächlich ein Traum sein), beschwört die vorweihnachtliche Demut, berichtet ausführlichst vom Inhalt der Windeln seines jüngsten Sprösslings und bringt die üblichen versauten Schenkelklopfer. Immer mit seinem ganz eigenen Stil, mit noch mehr Humor und einem zwinkernden Auge. Svavar erzählt aber auch von der Aufarbeitung des Todes seines Vaters, berichtet von isländischen Weihnachtsbräuchen und spricht viel über seine Familie. Das ist Svavar Knútur wie man ihn kennt und liebt. Songs, die manchem die ein oder andere Träne in die Augen treiben und Geschichten und Anekdoten, die einen entweder extrem rühren oder durchschütteln vor Lachen.

Der Applaus am Ende des fast zweistündigen Konzertes ist gewaltig. Ebenfalls richtig stattlich ist die Schlange von Fans, die anstehen um seine CDs zu kaufen. Svavar strahlt wie ein Honigkuchenpferd. „Man, I could feel the vibes. This concert was so great.“, freut er sich und fragt mich: „It was special, right?“ Ja Mann, und ob! Ein weiblicher Fan wird sich später auf Facebook bedanken: „You have no idea how many doors and windows you’ve opened in my heart during this beautiful evening at Galao.“ Klingt pathetisch, klingt kitschig – war aber so.

Svavar Knutur

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Ein Gedanke zu „SVAVAR KNÚTUR, 29.11.2015, Café Galao, Stuttgart

  • 1. Dezember 2015 um 15:15 Uhr
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    …war echt so ! Danke, Carsten !

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