THE ROLACAS, MATU, 07.08.2015, Merlin, Stuttgart

THE ROLACAS, MATU, 07.08.2015, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

40°C – in Worten „Vierzig Grad Celsius“ – steht auf der Wetterkarte im Fernsehen und die Screendesigner denken sich immer neue Tiefrot-Töne zur Visualisierung der aktuellen Rekord-Temperaturen aus. Und was mache ich? Ich schleppe mich zu einem schwitzigen Club-Konzert zweier mir völlig unbekannter Bands. Ist mir vielleicht schon das Hirn geronnen? Aber es ist nun mal Klinke-Zeit und da muss man als Gigblogger auch mal Opfer bringen.

Schon häufig hat uns die traditionelle Konzertreihe im Merlin über verregnete Sommerferien hinweggetröstet. Da ist es doch nur logisch, dass wir auch dann antraben, wenn andere im Biergarten, Eiskübel oder Urlaub abhängen. Zumal dieses Jahr nur Bands eingeladen wurden, die noch nie bei der Klinke waren. Und The Rolacas nebst MATU klingen zumindest aus der Konserve höchst erfreulich.

THE ROLACAS, MATU, 07.08.2015, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Aufmerksam wurde ich auf The Rolacas durch The Tremolettes. Die haben nämlich im Rahmen einer Session erstere gecovert. Die Fellbacher Eject Records (die bei genauerem Hinschauen aus einigen Mitgliedern von MATU bestehen) haben sogar sechzehn solcher „Small World Sessions“ eingespielt. Acht Bands covern je einen Titel des aktuellen Rolacas-Album „Songs To Sing When Your Ex-Lover Wants You Back“, im Gegenzug covern diese je einen Song der anderen Bands. Was für eine wunderbare Idee. Beinhaltet ein Cover doch immer auch eine besondere Wertschätzung des Gecoverten. Und der Marketing-Effekt der Aktion hat zumindest bei mir gewirkt.

THE ROLACAS, MATU, 07.08.2015, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Als MATU punkt Neun den Abend im erfreulich kühl temperierten Merlin beginnen, haben sich erst knapp fünfzig Zuschauer eingefunden. Im Schnitt deutlich jünger als das übliche Klinke-Publikum, darunter aber auch einige ältere Herrschaften. Eventuell die Eltern der Band-Mitglieder? Und die Band um den sympathischen Frontmann Mario Simic legt stark los. Mit zwei nahezu gleichstarken Sängern – Simic und der Pianist Max Wernick bringen beide markante Soul-Stimmen mit – und solidem Zusammenspiel. Musikalisch bewegt sich das ganze im Bereich Pop, manchmal vielleicht etwas zu gefällig, aber in jedem Fall hochprofessionell und schon fast Charts-tauglich.

THE ROLACAS, MATU, 07.08.2015, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Spätestens bei „Ganz allein“ mit seiner griffigen Hookline ist klar, dass man von dieser Band sicher noch einiges erwarten darf. Neben dem The Rolacas-Cover „Perdix“ der Höhepunkt des Sets: das mit einem Grinsen angekündigte Lied für die „beste Stadt der Welt“ „Fellbach bei Nacht“. Extrem funky, mit Sprechgesang, hier in der Live-Version mit einem treibenden Offbeat vom Schellenring, und knackigem Piano-Solo. Ganz klar: MATU sind hier mehr als nur ein Support-Act. Hier kann man wohl von einem „Fellbacher Doppel“ sprechen.

THE ROLACAS, MATU, 07.08.2015, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Denn auch die Rolacas kommen aus dem Städtchen an der End-Haltestelle der U1. Stilistisch klingen sie allerdings eher, als ob Fellbach irgendwo zwischen London und Manchester liegen würde: dead british. Bei ihrem Album-Opener „Perdix“ linsen ganz eindeutig die Gallagher-Brüder um die Ecke. Bis auf „Kiss Me Kate“, das eher ein gewisses Country-Feeling verbreitet, wecken die anderen Songs immer wieder Assoziationen an den Sound der Insel. Da lassen Harmonie-Gesänge sogar augenzwinkernde Zitate der Beatles erkennen. Und in den stärksten Momenten bauen die Gitarren von Frontmann Dominik Israel und Christof Weiler richtige Walls of Sound auf, die mich sogar mal kurz an meine Allzeit-Lieblings-Shoegazer „Ride“ denken lassen. („Daedalus“, „Ikarus“) Nur die Powerballade „Stuck on Repeat“ mit ihrem Seventies-Gegniedel mag mir nicht gefallen. Aber das ist nun mal Geschmackssache.

THE ROLACAS, MATU, 07.08.2015, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Erstaunlich, wie routiniert und selbstsicher diese junge Band ihr Programm spielt. Und dass sie gleich in größeren Dimensionen plant, lässt der Band-Banner erkennen. Der ist so groß, dass er nicht auf die Merlin-Bühne passt, sich dafür aber sicher gut auf den großen Bühnen macht, die The Rolacas offensichtlich zu erklimmen gedenken. Was ich ihnen auch zutraue. Inzwischen hat sich der Saal übrigens dann doch noch ganz gut gefüllt. Um die hundertzwanzig Zuschauer zählt Veranstalterin Annette Loers. Sie ist hochzufrieden mit dem Konzept, nur neue Bands bei der diesjährigen Klinke spielen zu lassen. Und auch ich kann nur bestätigen: ein schöner Abend mit zwei echten Entdeckungen. Nur eines mag mir überhaupt nicht gefallen: Dass nach zwei solchen Gigs und einer dreistelligen Zuschauerzahl nur gut zweihundert Euro im Hut für die Bands liegen. Das ist schäbig und stellt dann letztlich doch das Konzept der kostenlosen Konzerte in Frage.

THE ROLACAS, MATU, 07.08.2015, Merlin, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Wünschen wir der Klinke, die noch bis Ende August läuft, viele gute besuchte Konzerte und ein spendables Publikum. Und wer die großen Namen doch vermisst, der schaue sich mal das Line-Up des vom Merlin mitveranstalteten Feuerseefests an.

The Rolacas

MATU

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