DEF LEPPARD, 25.05.2015, Porsche-Arena, Stuttgart

Def Leppard

Foto: Steffen Volkmer

„Und? Was machst Du am Montag?“
„Def Leppard!“
„Hahaha. Nee, im Ernst jetzt!“
#handgemenge

Es gibt erschreckend viele Gründe, DEF LEPPARD überhaupt nicht ernst zu nehmen – und fast alle davon leuchten ein. Da ist zuviel Plastik, da ist zuviel Glanzpapier und manchmal auch derart absurde Poesie – man würde dafür beim Poetry Slam sofort Dresche oder eine Couch gegen den Kopf geworfen bekommen. Und trotzdem wissen wir Empiriker unter den Leichtmatrosen: „On Through The Night“, „High’n’Dry“, „Pyromania“ und mindestens 60% von „Hysteria“ sind Platten für die Ewigkeit.

Aus gegebenem Anlass schmiss sich da auch die VVS ordentlich an die Kundschaft ran und kündigte einen „Veranstaltungsverkehr, U19“ an. Mit derartigen Lockangeboten rennt man bei der Ü40-Klientel ja seit jeher offene Türen ein. Sagen wir wie es ist: die Bahn war eher so mittelgeil gefüllt, die Porsche Arena dafür mit 5.500 Leuten fast ausverkauft. Kessel.tv-Kollege Geiger und ich kicherten derweil noch immer wegen „Veranstaltungsverkehr, U19“. Denn zumindest ich werde bei Def Leppard im Handumdrehen schnell wieder zum pubertären Trottel.

Def Leppard

Foto: Steffen Volkmer

Damals gab’s kaum jemanden, der die Stimmung eines dicken Teenagers mit Afro besser hätte in Rock’n’Roll packen können. Während andere sich schon für Brüste und knutschen interessieren durften, saß ich mit Def Leppard Platten, Schlafanzug und Kopfhörer im Bett und sang lauthals mit – vom Sex anderer Leute und natürlich vom hart Rocken.

In der Porsche Arena trug keiner Schlafanzug – eher Tourshirts und Lederhosen, die seit 1986 etwas spannen oder die 7,99 Euro-Shirts, die Lidl kürzlich raushaute. Kurzer Einschub: bis ich es zu Lidl schaffte, gab’s nur noch Textilien von den Sex Pistols und Madonna. Ich denke, dass ist ein gutes Zeichen. Wofür auch immer. Hab dann Zucchini gekauft.

Aber das beste Zeichen des Abends: „Rock, Rock (Till you Drop)“, „Animal“, „Let it Go“, „Foolin'“ – wer so in einen Abend einsteigt, kann alles. Und will auch kaum weniger. Mir egal, ob es sich in meinem Alter noch gehört: Arme ausklappen, beide Zeigefinger auch und dann „Fufufufuuuuhlllin'“ sagen. Mehr lächelnde Menschen habe ich seit Jahren nicht mehr auf einem Fleck gesehen, ohne dass irgendwo etwas Schlimmes passiert ist. Aber für zynischen Scheiß ist hier kein Platz. Es ist die ehrliche Freude an Musik.

Def Leppard

Foto: Steffen Volkmer

Und natürlich wirken Sänger Joe Elliott und Bassist Rick Savage wie Reste aus den 80er-Jahren, aber wenn Phil Collen und Vivian Campbell an den Gitarren durchdrehen, kann gar nix schiefgehen. Rick Allen, der Einarmige unter den Drummern sah auch nicht aus, als wollte er irgendwas fahrlässig verschenken. Und Elliott, nur um das zu unterstreichen: der Mann singt gut und trifft seine Töne.

Er hat auch dieses Frontmann-Gen: Er zeigt mit dem Finger ins Publikum und man fühlt sich tatsächlich und höchstpersönlich aufgefordert, jetzt sofort wie ein Wirbelsturm zu rocken. Phil Collen, der alte Chippendale, glänzte auch wieder wie fuffzehn Stripper zur Happy Hour. Ich befürchte er wird vor dem Konzert mit Babyöl eingerieben und besitzt höchstens vier T-Shirts. An der Gitarre ist der Mann aber eine Instanz. Auf den LED-Leinwänden flackern derweil ansprechende Clips, während die Band aus Sheffield haargenau das tut, weshalb jeder gekommen war: rocken.

Selbstredend werden Def Leppard auch immer die Band bleiben, deren größten Hits gleichermaßen auch ihre schrecklichsten Lieder sind. „Pour Some Sugar On Me“, „Let’s Get Rocked“, „Armageddon It“ oder „Rocket“ und derartiger Quatsch zum Beispiel. Das ist so viel Plastik, dass es beinahe an Sondermüll grenzt. Hier in der bumsvollen Porsche Arena zieht das trotzdem. Und ich nicke locker mit, obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, das nicht zu tun.

Def Leppard

Foto: Steffen Volkmer

Aber kaum sind die ersten schlimmen Lieder überstanden, folgt bereits die Belohnung: „Bringin‘ On The Heartbreak“, die Powerballade unter den Schlüpferstürmern. Collen und Campbell lassen die Gitarren schnurren und es ist nur ein kleiner dieser Momente, in denen man den früheren Dio-Gitarristen Vivian Campbell dafür bewundert, dass er im vergangenen Jahr Krebs in den Arsch getreten hat. Der Mann, der den 1991 tragisch verstorbenen Def Leppard Gitarristen Steve Clark ersetzte, lächelt unentwegt, spielt wie ein junger Gott und er sollte geküsst werden, nur damit er weiß, wie toll das ist. Auch dass er überhaupt da ist.

Dann steigt Campbell in „Switch 625“ ein, Clarks einstiges Paradestück – ein Instrumental irgendwo zwischen New Wave und pfundigem Hardrock. Wäre es nicht so schön gewesen, hätte ich nach dem Hausmeister gesucht. Er möge die Halle abschließen, dass niemand je wieder rauskommt und Campbell den ganzen Abend spielen muss.

Def Leppard

Foto: Steffen Volkmer

Natürlich nährt sich das Quintett aus Sheffield fast ausnahmslos von der Nostalgie – wer aber eine derartige Geschichte mit sich führt, dem sollte es immer gegönnt sein, sie auch ab und an zu feiern. Gute Lieder sind schon immer dazu da gewesen, sie auch zu singen. Hinter der Bühne flackern Bilder von Steve Clark. Er wird immer fehlen, trotz Vivian Campbell.

Def Leppard wiederum machten einige Platten, die ganz und gar nicht nötig gewesen wären. Aber zumindest lösten sie sich nie auf, um die Zeit zu überbrücken, in denen nur Bands gefragt waren, die eben überhaupt nicht wie Def Leppard klangen. Sie schlichen sich nie zur Hintertür heraus, um später das gefeierte Comeback einzuläuten. „Two Steps Behind“, von Elliot alleine mit Gitarre vorgetragen, ist so ein Lied. Auch Bryan Adams könnte das ungestraft singen. Das ist selten ein gutes Zeichen.

„Hysteria“ macht den Sack zu. Eine dieser würdevollen Hardrock-Balladen. Kitschig, ekelhaft berechnend aber eben auch wunderschön in aller Konsequenz. Es gibt nichts Cooles daran, nichts Hippes und es wäre letztendlich ein geschenkter Gaul für jeden Zyniker, der irgendetwas in den Dreck ziehen möchte. Aber „Hysteria“ ist eben auch eines der Lieder, das man immer auflegen kann, wenn ein Tag schon wieder hinter den Erwartungen zurückbleibt.

Black Star Riders

Foto: Steffen Volkmer

Ein bisschen wie die BLACK STAR RIDERS im Vorprogramm. Eine Mischung aus Thin Lizzy-Coverband und Leuten, deren Lieder immer nach Thin Lizzy klingen. Wunder gehen trotzdem anders: schließlich steht da Scott Gorham von – ja, genau – Thin Lizzy auf der Bühne. Ricky Warwick, einst bei The Almighty, gibt den Lynott am Bühnenrand und zumindest „Killer Instinct“ hätte jeder Thin Lizzy-Platte gut gestanden. Die Black Star Riders wirken trotzdem wie einer, der für Omas Geburtstagsparty den Panzer sattelt. Mit Brachialgewalt nahmen sie alten Knallern wie „The Boys Are Back In Town“ jegliche Dynamik und Seele. Und das war leider immer der Kern von Thin Lizzy: Phil Lynott, sexy Gitarren und Soul. Auf der Toilette sagt einer: „Jongr, der Sound isch so groddig. I koh et sage, ob die ieberhaubt ebbes taugt hen.“

Das Grande Finale von Def Leppard wiederum taugt. Es klingt wie mein Kinderzimmer 1983 – nur halt mit mehr schmachtenden Rock-Chicks, gestandenen Rockern und coolen Typen: „Rock Of Ages“ und „Photograph“. Der Hausmeister ist leider noch immer nicht aufgetaucht. Denn ich hätte noch mindestens zwölf Lieder hören wollen.

Aber das Leben war noch nie ein Ponyschlecken. Genauso wie damals, als Def Leppard so taten, als wäre trotzdem alles ganz einfach. Alleine dafür werde ich sie immer lieben. Und nicht so wie man manchmal sagt: Ich liebe Schokolade.

Def Leppard

Black Star Riders

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