WANDA, 21.05.2015, Manufaktur, Schorndorf
Wanda in der Manufaktur. Ein denkwürdiger Abend. Werfen wir einen kurzen Blick ins Gig-Blog-Archiv. Zum vierundneunzigsten Mal berichten wir heute aus dem Schorndorfer Traditionsklub und es sind Rekorde zu vermelden: noch nie haben wir hier einen derartigen Besucherandrang erlebt, noch nie war die Schlange vor der Hütte so lang wie heute und noch nie habe ich hier ein Konzert gesehen, dass innerhalb von drei Sekunden von null auf hundert kam. Und zwar aus dem Stand. Keine Vorband, kein Warmup, nichts. Ihren schon fast legendären Ruf als Live-Band bestätigen die fünf Austro-Rocker jedenfalls sofort. „Luzia“ ist der Opener und bringt das Publikum umgehend in Bewegung.
Selten habe ich so einmütige Empfehlungen aus allen Ecken bekommen: Wanda sei die ultimative Live-Band. Rotziger Rock mit Wiener Schmäh sei der ganz heiße Scheiß. Und dies aus allen Kanälen. Gestandene Gig-Blogger, Musik-Nerds und Radio-Hörer, nahezu alle Musikgazetten und das Feuilleton sind sich einig: Wanda ist die Band der Stunde. Das Album „Amore“ und erst recht der Hit „Bologna“ waren auf fast allen Bestenlisten 2014. Und schon die ersten Minuten des Konzerts scheinen zu beweisen: zu recht. Frontmann Marco Michael Wanda ist kein Mann der großen Worte, direkt nach dem Opener folgt „Kairo Downtown“. Die Band spielt sehr gut zusammen, routiniert und trotzdem mit großem Spaß und Energie. Keine Spur von Tourmüdigkeit. Im Gegenteil: Marco scheint kaum zu wissen, wohin mit seiner Energie. Er strahlt ins Publikum, tanzt, rudert mit den Armen.
Das Publikum ist erstaunlich gemischt und im Durchschnitt eher älter als erwartet. Wanda scheinen einen breiten Musik-Geschmack zu treffen. Und je länger das Konzert läuft, desto klarer wird mir auch warum. Vergessen wir mal kurz den ganzen Hype und Lobhudeleien und hören mal genauer hin, was uns da geboten wird. Klassischen Rock würde ich das mal nennen, absolut nix besonderes. Power Chords aus Peter Burschs Gitarrenschule, cheesy Keyboard-Sounds, wie wir sie seit den Achtzigern nicht mehr hören wollten. Keine Frage, alles sehr gut gespielt, sympathisch und kraftvoll dargebracht. Aber dadurch wird’s nicht außergewöhnlich gut. Den ironischen Unterton, das virtuose Spiel mit Rock-Plattitüden, das die Band weit über den Durchschnitt erheben und zum Trendsetter machen soll, den mag ich beim besten Willen nicht finden.
Und ich bin sicher: auch der allergrößte Teil des Publikums nicht. Wandas Musik ist einfach eine „Mordsgaudi“. Mitgröl-Refrains und Publikums-Spielchen, die man auch noch bei zwei Promille im Bierzelt mitmachen kann: „Oans, zwoa, droa, via – es ist so schön bei dir!“ Und jetzt alle! Das ist musikalisch nicht nur gefährlich nah an Hütten-Gaudi und RTL II, das ist mittendrin. Und es ist nicht der zum Vergleich gern herangezogene Falco, der hier aufersteht, es sind eher so Schenkelklopfer wie Wolfgang Ambros‘ „Schifoan“ oder – schauder – die Spider Murphy Gang.
Unterhaltsam ist das trotzdem irgendwie. Natürlich findet das Konzert seinen Höhepunkt im kollektiven Absingen des Hits „Bologna“. Davor haben wir eine Crowd-Surfing-Einlage zur Theke und zurück gesehen. (Genau wie kürzlich erst bei Rotfront im Keller Klub oder bei den Computers im Zwölfzehn. Kurzum: genau das, was zu einem zünftigen Rock-Konzert dazugehört.)
Unser nächstes Album wird nicht so brillant wie das erste, aber es wird sich noch besser verkaufen.
Gewollt oder nicht, Marcos Aussage ist der Schlüsselmoment des Konzerts. Hier steckt alles drin. Die lapidare Erkenntnis, dass man die Erwartungen, die der Hype geweckt hat, nicht wird erfüllen können. Die Schnoddrigkeit und Spitzbübigkeit, die diese Band so sympathisch macht. Die Offenheit, dass man den überraschenden Erfolg so gut wie möglich auskosten wird. Aber auch eine gewissen Selbstüberschätzung. Der Live-Vortrag mag eventuell brillant sein, das Album ist es sicher nicht. Aber wenn man es oft genug aus allen Ecken gesagt bekommt, glaubt man es halt irgendwann selbst.
Text und Bilder sind top, Hut ab, die Herren.
Pingback: JACCO GARDNER, TRÜMMER, WANDA, 21.08.2015, Obstwiesenfestival, Dornstadt | gig-blog.net