ROBYN HITCHCOCK, EMMA SWIFT, 22.04.2015, Manufaktur, Schorndorf

Robyn Hitchcock

Foto: Steffen Schmid

Man muss es mal ganz nüchtern sehen. Diese Bloggerei hier ist eine sehr egoistische Sache. Man wird durch diese Aufgabe tatsächlich gezwungen, sich zumindest etwas intensiver mit Künstlern, die man nicht kennt, zu beschäftigen. Dadurch kann man tatsächlich einige, riesige, quasi unverzeihbare Wissenslöcher im eigenen musikalischen Universum stopfen. Beispiel heute Abend: der legendäre Robyn Hitchcock, der in geschmacksfesten Kreisen geradezu kultisch verehrt wird. Natürlich in der Manufaktur dies.

Emma Swift

Foto: Steffen Schmid

Brechend voll ist es nicht, aber so um die 50-60 Leute sind es am Ende dann doch, die an diesem Mittwoch mit viel Konkurrenzprogramm den Weg in die Rems-Metropole gefunden haben. Um viertel vor Neun betritt erst mal Emma Swift die Bühne. Mit nur einer Westerngitarre ausgerüstet gibt es ruhige Songs aus der folkigen Countryecke. Aber nicht diesen fiesen Country, den sie selber hasst, wie sie in einer Ansage später erklärt, sondern schlichte, melancholische Songs, die für mich Folk und Country Total-Laien ein wenig nach A Camp und Skeeter Davis klingen. Dabei bestechen die Songs nicht durch das sehr überschaubare Gitarrenspiel der Australierin, sondern durch ihre wirklich hervorragende Stimme. Kein pathetisches Tremolo, einfach nur ein schön klingender Gesang ohne Schnörkel. Muss man sich vom Klang eher ungefähr so vorstellen, wie wenn Zooey Deschanel richtig gut singen könnte.

Emma Swift

Foto: Steffen Schmid

Woher ihre Liebe für diese Musik herrührt, bekommt man in der halben Stunde ihres Sets auch gut mit. Zwei Jahre habe sie in Nashville gelebt, und die Namen Rowland S. Howard, Townes Van Zandt und Gram Parsons („He is the reason why I love country music!“) fallen auch in ihrem Set, samt Coverversionen ihrer Songs. Bin dann am Ende von mir selbst überrascht, dass mir diese reduzierte Musik so gefallen hat.

Robyn Hitchcock

Foto: Steffen Schmid

Um halb zehn kommt dann Mr. Hitchcock. Mit dem ersten Song „Mexican God“ gibt es gleich einen Vorgeschmack darauf, was die Musik von dem Mann so besonders macht. Ungewöhnliche Texte, sowie Stimme, Melodien und Harmonien klingen so durch und durch britisch, dass man sich unweigerlich an Syd Barrett erinnert fühlt. „The Cheese Alarm“ führt das weiter fort.

Roquefort and grueyere and slippery Brie
All of these cheeses they happen to me

Robyn Hitchcock

Foto: Steffen Schmid

Allmusic.com spricht davon, dass Hitchock “…having been persistedly branded as eccentric and quirky…”. Seine erste Ansage in einem monty-pythonesken, aber gut verständlichen Deutsch-Italienisch-Mischmasch (u.a. „Man liebt Gott, weil Gott immer tot ist.“) unterstreicht dies. Aber es ist keine unangenehme Exzentrik eines Psychopathen, sondern schlicht die sehr sympathische und absurde Art eines humorvollen, britischen Musikers.

Das Gitarrenspiel ist sehr besonders. Von filigranen Fingerpickingpassagen über rockige Pattern, was aus der Westerngitarre herauskommt ist nie langweilig und banal. Und um den Syd Barret Vergleich etwas zu präzisieren: der Klang seiner Stimme und diese „loopy“ Art zu singen, gepaart mit der Fähigkeit logisch klingende Melodien zu finden über Akkordfolgen, die eigentlich nicht zusammenzupassen scheinen, machen diesen unverwechselbaren, sehr britisch klingenden Sound aus.

Robyn Hitchcock

Foto: Steffen Schmid

Ein weiteres nettes Intermezzo gibt es, als ein Zuschauer dem Künstler ein Glas Wasser auf die Bühne bringt, und jemand anderes bemerkt „he paid for it.“. Robyn Hitchcock erwidert dies mit „He shouldn’t pay for it. Everything is free now, since the revolution.“ Und ein dickes Lob gibt es noch für Emma Swift vom Meister persönlich: “Emma hat die schönste Stimme!”. Doch bevor Miss Swift wieder auf die Bühne kommen darf, gibt es mit „Saturday Groovers“ ein Stück, das mir besonders gut gefällt. Neben „Full Moon In My Soul“ mein persönlicher Favorit des Abends. Wie mir überhaupt die schnelleren, poppigeren Sachen mehr zusagen, als die langsameren, balladeskeren. Klarer Rechercheauftrag an myself, mich mit Mr. Hitchcocks früherer Band „The Soft Boys“ die nächsten Tage intensiver zu beschäftigen.

Robyn Hitchcock

Foto: Steffen Schmid

Nun darf Emma nochmal auf die Bühne kommen, und diverse Lieder im Duett mitsingen. Neben der gemeinsamen Single mit dem Stücken „Follow Your Money“ und dem sehr schönen Neil Young-Cover „Motion Pictures“, auch ein Lied mit dem bezaubernden Titel „Queen Elvis“, und das schön nostalgische „Trams Of Old London“.

Nach einer Stunde wäre das reguläre Set dann vorbei, aber es gibt noch fast eine halbe Stunde Zugaben. Wobei das letzte Stück sogar auf einen Zuschauerwunsch hin intoniert wird, und die Wahl ist wirklich bestens gelungen. „San Francisco Patrol“ ist ein so ein wunderschönes, melancholisches Liebeslied, dass es noch die ganze Heimfahrt, trotz punkiger Musik im Auto des Fotografen, nachklingt.

Robyn Hitchcock

Foto: Steffen Schmid

Robyn Hitchcock

Emma Swift

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