FANFARE CIOCĂRLIA, 14.04.2015, Laboratorium, Stuttgart

Fanfare Ciocarlia

Foto: Steffen Schmid

London, New York, Berlin, Paris, Sydney, Stuttgart. Auf der Konzertlandkarte der Fanfare Ciocărlia befindet sich unsere Heimatstadt endlich mal dort, wo wir sie immer gerne sehen würden. Dass dies so ist, verdanken wir allerdings ausschließlich dem Laboratorium. Hier war es nämlich, wo die inzwischen weltberühmte rumänische Blaskapelle in den späten 1990ern eines ihrer ersten Auslandskonzerte spielte. Dies hat man offensichtlich nicht vergessen, und so gehört unsere liebste Traditions-Location zum festen Bestandteil fast jeder Fanfare-Tour. Und vor allem zu den kleinsten Locations überhaupt, in denen diese Band in der Größe einer Fußball-Mannschaft auftritt. Und wenn man sieht, wie sich Band und Publikum schon vor dem Konzert im Biergarten an Schnaps und Schmalzbroten gütlich tun, könnte auch diese besondere Atmosphäre ein Grund dafür sein.

Fanfare Ciocarlia

Foto: Steffen Schmid

Kein Wunder also, dass der Laden schon längst vorher ausverkauft ist. Knapp ein Tausendstel der 120.000 Zuschauer, vor denen die Kapelle in Sydney gespielt hat, passen ins „Lab“. Wenn man das in Relation zu den 12 Mann auf der Bühne setzt, ist das schon ein hochexklusives Konzert mit optimalem Betreuungsschlüssel.

Jedenfalls hat man ausreichend Platz geschaffen, das Mobiliar wurde zu großen Teil entfernt, die Bühne ist komplett leer. Der entschlossenere Teil des Publikums hat sich auf der Tanzfläche direkt vor der Bühne in Stellung gebracht. Kaum haben die zwölf imposanten Mannsbilder unter großem Applaus die Bühne betreten und die ersten Töne erschallen lassen, ist der Laden in Bewegung. Kein Wunder, der Sound aus zehn Blas- und zwei Schlaginstrumenten ist mit „treibend“ nur unzureichend beschrieben. Es ist ein schlicht umwerfendes – und auch sehr lautes – Erlebnis. Das Tempo dürfte schon beim ersten Titel bei 160 BPM liegen. Keine Frage: diese Band ist die Referenzgröße, wenn es um das Genre „Balkan Brass“ geht. Dem Vernehmen nach haben die Herren die Puste, um eine rumänische Landhochzeit über mehrere Tage zu beschallen, da ist ein zweistündiges Konzert natürlich nur ein Kurzstrecken-Sprint.

Fanfare Ciocarlia

Foto: Steffen Schmid

Und tatsächlich: bereits beim zweiten Titel wird noch eine Schippe draufgelegt und bei ca. 200 BPM zappelt schon mehr als nur der harte Zuschauer-Kern. Das unglaubliche daran: Die Melodien werden trotz des infernalischen Tempos mehrstimmig und mit größter Präzision gespielt und zwar bis hinein in die Bass-Stimmen der vier Tuben. Rhythmisch finden sich durchaus Elemente des Ska und der Polka.

Bei den wenigen Titeln mit Gesang stimmt sogar ein Teil des Publikums ein. Der direkte Kontakt zur Band wird gesucht, teilweise auch die ohnehin schon gut gefüllte Tribüne geentert. Tanzeinlagen, Händeschütteln, Umarmen, Selfies – alles im laufenden Betrieb. Nach achtzehn Stücken ist der offizielle Teil vorbei, unter den vielen traditionellen Titeln natürlich auch die Zirkusmusik „Caravan“, der Kracher „Iag Bari“, das aus dem Kinofilm „Borat“ bekannte „Born To Be Wild“ und das James-Bond-Theme „007“, das über den Umweg des Ska seine ultimative Interpretation bei der Fanfare Ciocarlia gefunden hat. Natürlich hatte jedes Bandmitglied – übrigens ausnahmslos markante Charaktertypen und virtuose Musiker – Gelegenheit, mit einem Solo sein überragendes Können zu präsentieren. Aber nie wurde dafür der treibende Grundrhythmus geopfert. Band und Publikum sind jedenfalls schweißüberströmt – aber mit den Zugaben geht es erst richtig los.

Fanfare Ciocarlia

Foto: Steffen Schmid

Die erste Zugabe wird noch auf der Bühne gespielt, für die nächsten Runden lassen die Herren dann aber die elektrische Verstärkung weg und mischen sich unters Publikum. Und dies lässt sich nicht lange bitten. Tanzend und klatschend umringt es die Kapelle, Küsschen werden verteilt und Geldscheine auf die schweißnassen Köpfe der Band gepappt. Ein wirklich hautnahes Konzerterlebnis.

Und dass wir in diesem Tollhaus unsere Getränke sogar noch an den Platz serviert bekommen, das ist – wie die Spendentuba und das Lakritzkonfekt – eine der vielen Eigenheiten, die das Lab so liebenswert machen.

Fanfare Ciocarlia

Foto: Steffen Schmid

Ein Gedanke zu „FANFARE CIOCĂRLIA, 14.04.2015, Laboratorium, Stuttgart

  • 16. April 2015 um 11:02 Uhr
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    Wow, von den Fotos her würde ich sagen, die boys aus Romania sind die letzten 10 Jahre, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe, so gut wie gar nicht gealtert.

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