THE MONOCHROME SET, 10.04.2015, Manufaktur, Schorndorf

The Monochrome Set

Foto: Steve Sonntag

„What would you be today if you had not become a pop star?“ – „An influential indie icon, heehee.“ So die, mir sehr sympathische, Antwort von Bid in unserem Q&A. Für Auskenner sind The Monochrome Set natürlich schon längst Legende, gibt es die Band doch mit Unterbrechungen schon seit Ende der 70er. Adam Ant gehörte übrigens zur Ursuppe, aus der sich dann TMS herauskristallisierte. Die Antwort daher sympathisch, da TMS in dreieinhalb Jahrzehnten nie der Durchbruch gelungen ist, aber die Band eine hohe Anerkennung in Kennerkreisen genießt. Folgerichtig haben sie zurzeit ihre Plattenheimat beim deutschen Geschmackslabel Tapete Records gefunden.

Wir sind natürlich so gar nicht die Auskenner was TMS angeht, aber die häufige Erwähnung dieser Band von stilsicheren Freunden, gute Kritiken auch zum neuen Album, und letztendlich auch das uns nie enttäuschende Booking der Manufaktur sorgen dafür, dass wir mit ca. 80-100 anderen Leuten neugierig hier stehen. Die Bandhistorie betrachtend erwartungsgemäß setzt sich das Publikum nicht aus den allerjüngsten Hüpfern zusammen, als der Gig um 20:50 Uhr beginnt.

Das Licht geht aus, und John Barrys „The Human Jungle“ (Dank an Madame P.s Shazam) ertönt. Die Band betritt die Bühne. Ein normal aussehender Bassist, der mich in diesem Hemd etwas an George Harrison erinnernde Bid an Gesang und Gitarre, ein Schlagzeuger mit Sonnenbrille und schickem Fez auf dem Kopf, und natürlich der in einem roten Abendkleid steckende Keyboarder. Der Sound ist anfangs noch sehr rumpelig, als ob die Band sich untereinander noch nicht richtig hören könnte auf der Bühne. Das Stück klingt sehr nett nach Agentenmusik aus den 50/60ern.

The Monochrome Set

Foto: Steve Sonntag

Bid spielt unverzerrt eine 12saitige E-Gitarre, deren Sound gerne mit Chorus-Effekten behandelt wird, aber ein bisschen sehr im Hintergrund liegt, im Vergleich zu Bass und Schlagzeug. Der Keyboarder orgelt des öfteren Psychedelisches. Das zweite Stück wird derweil von einem geshuffelten Rhythmus bestimmt. Dazu teils wirklich tolle Popmelodien, kombiniert mit ungewöhnlichen Harmoniewechseln in bester britischer Syd Barrett Tradition. Resultat nach dem dritten Song „Alphaville“ aus dem Jahre 1986: wir wissen gar nicht genau, wie wir das Ganze einordnen können.

Bei dem neuen Song „Iceman“ wiederum fühle ich mich etwas an die Stranglers erinnert. Madame P. wirft auch mal Morrissey in den Raum. Das flotte, leichte, etwas Twee-Pop artige „Wallflower“ ist mein Höhepunkt. Sehr charmanter, melodischer Pop. Der Song danach erinnert mich stilistisch dann wieder an The Coral, und damit kann ich ja auch gut was anfangen. Was mich so ein wenig rätseln lässt, ist diese seltsame Mischung aus wirklich schönen Melodien, nicht unkomplexen Harmonien, und trotzdem recht rau-rumpeligen Gesamtsound. Ist aber wohl so gewollt.

The Monochrome Set

Foto: Steve Sonntag

Kommuniziert wird nicht sehr viel mit dem Publikum, lieber werden viele, viele, recht kurze Stücke gespielt. Eine weitere Frage unseres Q&As war ja „Which song (except your own songs) do you know by heart?“ Antwort: „I don’t even know my own songs by heart!“ Der Notenständer vor Bid, von dem er alle Texte abliest, zeigt, dass er nicht geflunkert hat. Im Übrigen fällt mir dann noch ein, dass ich ihn ja schon mal gesehen habe, und zwar vor sieben Jahren im Schocken als Mitglied von „Scarlett’s Well“. Die Musikwelt ist ein Dorf.

Auch noch ein Element, welches so ein bisschen im Kontrast zu den schönen Popmelodien steht, ist Bids Stimme. In tieferen Lagen etwas an Lou Reed erinnernd, in höheren Lagen brüchig werdend, gibt sie den Songs für meinen Geschmack immer etwas Sprödes. Muss man mögen. Und wenn man gerade so schön im Kritikmodus ist, könnte die Spielweise ein wenig mehr Dynamik vertagen, so mit mehr Laut und Leise.

The Monochrome Set

Foto: Steve Sonntag

Aber das war’s dann auch schon an Gemecker. Die Musik an sich bietet zu viele gute Melodien und stilistische Abwechslung, um sich schlecht unterhalten zu fühlen. Leicht Punkiges blitzt in einem anderen Song auf, während Latino- und Spaghetti-Western-Elemente in einem weiteren Lied die Stimmung prägen. Teils klingen manche Sachen wie der perfekte Soundtrack zu einem Film des noch zu erschaffenden Genres „Geheimagenten-Western.“ Ach ja, kurz vor Ende des regulären Sets bekommen wir noch eine leicht orientalische Orgel zu hören. Logisch im Monchrome Set’schen Kontext der Genrefreiheit.

70 Minuten ca. dauert das mit unfassbar vielen Songs aufwartende Hauptset. Zweimal für jeweils eine Zugabe werden die Herren auf die Bühne zurückgerufen, wobei sich der nie auch nur eine Miene verziehende Drummer immer einen Spaß daraus macht, sich hinter dem Bühnenvorhang zu verirren. Die zweite Zugabe klingt dann für mich so, wie ich mir einen Südsee-Rock’n Roll vorstellen würde. Ein Abend, um sich im Kopf sehr viele neue Genres zusammenbasteln zu können. Das Ganze wird dann noch mit Gesprächen vor der Manufaktur beendet, in denen es unter anderem darum geht, wie Stevie Nicks aufgrund angefressener Nasenscheidewände, sich Koks in den Hintern hat blasen lassen. Aber das ist eine andere Geschichte.

2 Gedanken zu „THE MONOCHROME SET, 10.04.2015, Manufaktur, Schorndorf

  • 11. April 2015 um 14:25 Uhr
    Permalink

    Getaggt mit dem Genre Humor wegen der Stevie-Nicks-Geschichte? Starker Text und Bilder auf jeden Fall. Mi piace!

  • 11. April 2015 um 14:46 Uhr
    Permalink

    Eher wegen dem Fez, dem roten Kleid und der Vorhang-Geschichte. Die Stevie Nicks Geschichte müsste mit „Medizin“ oder „Gesundheit“ getaggt werden.

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