THE AUSTRALIAN PINK FLOYD SHOW, 28.03.2015, Porsche-Arena, Stuttgart

The Australian Pink Floyd Show

Foto: Steve Sonntag

Ganz Deutschland stellt die Uhren eine Stunde vor. Ganz Deutschland? Nein! Die von unbeugsamen Nostalgikern bevölkerte Porsche-Arena hört nicht auf, Widerstand gegen den Lauf der Zeit zu leisten. Die Unterstützer dieser Mission scheuen nicht davor zurück, sich aus entlegenen schwäbischen Winkeln per Omnibus auf den Weg in diese überdimensionierte Zeitkapsel von Mehrzweckhalle zu machen. Und so finden sich etwa 6.000 Zeitreisende zu einem Trip in die Vergangenheit ein.

Welcome to the Machine! Die Zeitmaschine heißt „The Aussie Floyd“ – eine High-End-Coverband und sie reist mit uns laut Tourtitel genau 30 Jahre zurück ins Jahr 1975, als das Pink Floyd Album „Wish you were here“ erschien.

Damals: Jugendliche Träume und Ideale, Batik war salonfähig, das Haar lang und voll und fettig. Und die jungen Pink Floyd spielten seit der Gründung 1965 einen unerhörten und unverwechselbaren Sound: Von psychedelischer Verworrenheit über Lieder von epischer Breite bis hin zu Konzeptalben mit sozialkritischem Hammer.

TAPFS

Foto: Steve Sonntag

Schwenk ins Jetzt: Bilder dieser vergangenen Zeiten sind im Hintergrund auf eine runde Leinwand projiziert. Die jungen Original-Bandmitglieder im Hippie-Look und erwartungsvollem Blick. Ja, die Haare des mitgealterten Publikums sind schütterer geworden, die Laser streifen den einen oder anderen kahlen Schädel. Die maßgeblichen Pink Floyds und kongenialien Masterminds Waters und Gilmour hassen sich (Schuld natürlich: Geld) und betreten wohl (so Fotograf Steve) in diesem Leben gemeinsam keine Bühne mehr.

Diesem Umstand verdanken die meisterlichen Fälscher von The Australian Pink Floyd ihren Ruhm. Bereits seit 1988 besteht die Band, die mittlerweile mehr nach dem Original klingt als das Original selbst und dafür beispielsweise schon David Gilmour zu dessen 50. ein Ständchen bringen durfte. Hm. Noch ehe ich das komisch finden kann, fällt mir beim unvermeidlichen „Another Brick in the Wall“ wieder ein, dass Angehörige meiner Zunft (ja, Pädagogen) sich auch am liebsten selbst zuhören… Vielleicht ist diese musikalische Geburtstagseinlage für Gilmour also gar nicht unbedingt als Selbstverliebtheit desselbigen zu werten, sondern schlicht: menschlich. Zum Thema „werten“ später mehr.

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Foto: Steve Sonntag

Laut Eigenwerbung mit geschlossenen Augen nicht von Pink Floyd selbst zu unterscheiden, zeigen die Australier eine hoch-professionelle, soundtechnisch ausgefeilte und optisch aufwendige Show. Bis hin zu den Backgroundsängerinnen, deren Outfits und Choreographie – alles penibelst abgekupfert. Laser, Strobo, ein riesiges Arsenal an Scheinwerfern – alles kommt zum Einsatz. Hübsch, wie Lichtflächen fächerartig auf- und abschwirren und sich teilen – gleich einem Mittelscheitel, der eine lange Mähne teilt, nur so fein säuberlich, wie es kein Stilkamm jemals hinbekommen könnte.

Gespielt wird ein buntes Potpourri, ein schmissiges Best-Of Floyd: „Shine on you crazy diamond“, „Time, Money“, „Another Brick in the Wall“, „High Hopes“, „Comfortably Numb“ und auch „Wish You were here“ darf natürlich nicht fehlen.

Im Gegensatz zu mir begeistert sich mein Nebensitzer offensichtlich für endlos lange Gitarrensoli und spielt auch eifrig Luftgitarre mit – im Sitzen gar keine so einfache Übung. Ansonsten eher altersangemessen zurückhaltendes Kopfnicken im Publikum. Nur ein einsames Punk-Girl tanzt selbstvergessen hinter den dicht bestuhlten Reihen herum und wirkt selbst wie aus der Zeit gefallen.

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Foto: Steve Sonntag

Gegen Ende des Konzerts steigt die Stimmung im Publikum hörbar. Unterstützt wird dies durch diverse aufblasbare Tierchen, die nun zum Einsatz kommen: Ein riesiges, pinkfarbenes Känguru verweist dezent auf die Herkunft der Band, ein horrorartiges Schwein mit rotblinkenden Augen auf das Album „Animals“, auf dessen Cover das legendäre Schwein über die ikonographische Battersea Power Station schwebte.

Zurück zum Thema Wertung: So meisterhaft die musikalische Kopie von Aussie Floyd auch sei mag – man möchte die Australier doch zu gerne mal fragen, wie sie sich bei ihrer Arbeit eigentlich so fühlen. An was sie während ihrer Abend für Abend musikalisch astrein dargebotenen Performances so denken? Was sie vom eigenen Publikum halten? So kann man über die Antworten auf diese Fragen nur spekulieren.

Mich jedenfalls rührt die sentimentale und nostalgische Retrospektive in ihrer Verschrobenheit beinahe zu Tränen. Ich weiß gar nicht, was ich trauriger finden soll: Dass die Zeit so rast und alle so entsetzlich alt werden, dass ein Glas Kessler Sekt hier 5,50 Euro kostet, oder dass sich der oft männliche Fan sich mit neuen Aussie Floyd T-Shirts eindeckt (welcome to the merch-machine!). Immerhin scheine ich so ziemlich die einzige zu sein, die froh ist dass uns „The Machine“ nach ungefähr zwölf Liedern plus Zugaben wieder im hier und jetzt ausspuckt.

Besser als das für mich schönste Lied des Abends kann man es nicht ausdrücken:

There was a ragged band that followed in our footsteps
Running before time took our dreams away
Leaving the myriad small creatures trying to tie us to the ground
To a life consumed by slow decay.

(Pink Floyd, High Hopes, 1994)

TAPFS

Foto: Steve Sonntag

8 Gedanken zu „THE AUSTRALIAN PINK FLOYD SHOW, 28.03.2015, Porsche-Arena, Stuttgart

  • 30. März 2015 um 22:18 Uhr
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    FInd das ja auch sehr befremdlich, aber muss man das vielleicht nicht unter ’nem klassischen Konzert Aspekt sehen? Da werden dann eben von anderen Musikern bestimmte, große Werke bekannter Musiker aufgeführt?
    Aber ich als Pink Floyd Fan kann mich auch nicht so richtig dran gewöhnen.
    Spitzenartikel Ms. J, by the way.

  • 31. März 2015 um 07:27 Uhr
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    Großartiger Artikel! Da würden mich keine zehn Pferde hinbringen. (Allerdings auch nicht zu den echten Pink Floyd) Detail am Rande: 1975 ist sogar schon vierzig Jahre her. (Ich muss es wissen)

  • 31. März 2015 um 08:55 Uhr
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    Huch, danke Holger, war schon immer matheschwach….

    Das mit dem Klassikkonzert ist kein schlechter Gedanke, macht es ein bissle verständlicher… Und wer weiß: In 30 Jahren bei der La Casa Azul Coverband (wenn Du nicht selbst in ihr mitspielst!).

  • 31. März 2015 um 13:35 Uhr
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    Bei 35 bereisten Ländern und 3 Millionen Zuschauern pro Tour, ist das, wie ich meine, einfach nur dickes Geschäft und genauso sehen es warscheinlich die Musiker. Die Show wird hochprofessionell abgespult und fertig, der Lichtmann z.B. ist am Mischpult fast eingeschlafen, weil viel automatisiert ist.

  • 31. März 2015 um 13:58 Uhr
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    Ich würde es eher mit einer Musical-Tournee vergleichen…

    Aber es ist befremdlich, keine Frage.

    Hier meine Sicht auf das Konzert von vor zwei Jahren.

  • 3. April 2015 um 12:42 Uhr
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    Heyho, toller Bericht, ich wollte mich mal melden und für die nette Erwähnung bedanken. Ich bin dann wohl das völlig selbstvergessen „Punk-Girl“, das hinter den Stuhlreihen völlig aus der Zeit fiel ;)

    Pink Floyd Planet Show war ja schon geil, aber diese Show war der Wahnsinn…! Bis auf die idiotische Idee, das Konzert zu bestuhlen! Wie kann man Floyd nur starr sitzend hören..? Pls improve nxt time!
    Ich hatte das Konzert niemals sitzend anschauen wollen!

  • 30. März 2016 um 12:56 Uhr
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    Technisch gabs nicht viel zu meckern,
    ausser vielleicht, daß man von der Lightschow desöfteren „geblitzdings“ wurde.
    Ansonsten lieb- und seelenloses Abspielen des
    Programmes. Muss ich nicht noch einmal haben.
    Bei „Echoes“ z.B. , wird deutlich mehr Gefühl und Seele transportiert.

  • 13. April 2018 um 23:03 Uhr
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    Also alles gut und schön. Aber das ein akustisches Meisterwerk, nachgemacht oder original, in der Porsche Arena, eine Sporthalle, stattfindet, halte ich für eine Beleidigung. Die akustischen Eigenschaften waren keinen Eintritt wert. Schade für die Band, die ihre Qualität nicht entfalten konnte. Aua!

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