WOLF HAAS, 15.10.2014, Wagenhallen, Stuttgart

Wolf Haas

Foto: Michael Haußmann

Ich würde gerne wissen, wie Sie funktionieren, über Geld funktionieren Sie nicht, über Ansehen nicht, wie funktionieren Sie eigentlich?

fragt die Tochter des Vize-Präsidenten der Salzburger Festspiele während eines nächtlichen Spaziergangs den Privatdetektiv Simon Brenner. – „Ich glaub‘ die Lösung ist, ich funktionier‘ einfach nicht“ antwortet dieser. So eine kurze Unterhaltung aus dem Roman „Silentium“ (1999) von Wolf Haas. Ja, der Brenner, bisschen kauzig, bisschen mundfaul und geraderaus ohne beleidigend zu sein.

Was den durchschlagenden Erfolg und den Reiz der Figur des Simon Brenner ausmacht, darauf hat sicher jeder der einzelnen Gäste in den ausverkauften Wagenhallen seine eigene Antwort. Schöpfer der Figur, der österreichische Autor Wolf Haas, ist heute zu Gast, um aus seinem aktuellen Roman „Brennerova“ vorzulesen, Krimi Nummer 8 in der Brenner-Reihe.

Schlicht ist die Requisite, einzig Tisch und Stuhl befinden sich auf der Bühne. Einen herzlichen Applaus gibt es vom Publikum, als Wolf Haas die Bühne betritt. Wichtiges Indiz einer Lesung: Glas und kleine Wasserflasche, die werden aber erstmal vom Tisch geräumt. Zur Einstimmung rezitiert er aus seinem Kinderbuch „Die Gans im Gegenteil“, vom einem Fuchs, der so schnell rannte, dass ihm das Fell in die falsche Richtung gewachsen ist. Um dieses Frisurproblem zu lösen, kommt die Gans zur Hilfe. Wer nun Zweifel und Fragenzeichen hat, ob er in der falschen Veranstaltung ist, wird vom Autor beruhigt – alles in bester Ordnung, die Veranstaltung stimmt. Und das Kinderbuch ist eigentlich kein ausgewiesenes Kinderbuch, sondern ein Buch für Kindsköpfe ohne Altersbeschränkung, erläutert Haas weiter.

Wolf Haas

Foto: Michael Haußmann

Ohne größere Umschweife geht es gleich weiter zu „Brennerova“. Brenner wagt sich auf die zarten Pfade des Online-Datings. Viele Gedanken macht sich der Brenner im Vorfeld über die russischen Frauen und über Wahl seines Passwortes. Denn das wird „Brennerova“ lauten. Die Vorstellung, wenn er eine schöne Russin heiratet, dass diese dann Brennerova heißt, gefällt ihm. Beschwingt und weit über den Tisch gebeugt, packt Haas mit den ersten Sätzen gleich das Publikum. Die Ausführungen der privaten Verquickungen des Hauptprotagonisten sorgen im Publikum für Heiterkeit. Dieser entschließt sich doch noch mal im Online-Portal vorbeizuschauen, und siehe da, er hat Antwort von der bildhübschen Nadeshda erhalten. Denn die Frauen sind dem kauzigen Brenner hold. Ein moderner Asphaltcowboy mit einem Herzen weich wie ein Germknödel. Da das Gute in der Ferne liegt, verschlägt es die österreichische Spürnase ins weit entfernte Nischni Nowgorod – mehr zufällig als geplant. Brenner ist ein ewig Herumreisender auf seinen Wegen, da kann man es kaum erwarten zu hören, wie es weitergeht, mit dem Brenner und seiner russischen Internetbekanntschaft. Doch dann fällt das Wort „Netzhautablösung“, das zuvor von Haas vereinbarte Stichwort, das die Pause einläutet.

Nach einer guten viertel Stunde Pause sind wir mit Haas und Herrn Brenner in Nischni Nowgorod und lernen Nadeshda kennen, die Brenner aufgrund seines Profils „engagiert“ hat, um ihre verschwundene Schwester Serafima zu finden. Brenner, der sich fälschlicherweise als Kriminalpolizist i.R. ausgegeben hat, soll nun das Verschwinden der Schwester, die ihn Wien vermutet wird, ermitteln. Mit seinem kriminalistischen Gespür landet dieser im düsteren Milieu zwielichtiger Wiener Unterwelt-Gestalten. Noch eine wichtige Rolle gibt es in den Brenner-Büchern, die Perspektive eines Erzählers, der mal die distanzierte Position eines Zaungastes einnimmt, mal wie der beste Freund die Gedankenwelt vom Brenner daher erzählt. Da darf man hautnah bei einem Zwischenstopp in einem Tätowierstudio dabei sein. Tätowierungen spielen noch im weiteren Verlauf der Geschichte eine Rolle. Mit einer blutigen Operation, Metzger-gleichen Chirurgen und Verwechslungen von abgehackten Händen, die Dank aufschlussreicher Tätowierungen wieder an die richtigen Arme angenäht werden, endet die Lesung. Haas bedankt sich beim Publikum und tritt zügig den Weg zum Signieren an. Das Ende der Lesung ist auch mein persönlicher Cliffhanger, weiter habe ich das Buch noch nicht gelesen. Was für eine wunderbare Fügung!

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