CHARLES BRADLEY, 05.06.2014, LKA, Stuttgart

Charles Bradley

Foto: Michael Haußmann

Es hilft sicher, ein wenig die Geschichte von Charles Bradley zu kennen, um sein Konzert und dessen Wirkung zu verstehen. Die Kurzfassung: Mister Bradley hatte insgesamt in seinem Leben nicht so viel Glück – Armut, Krankheit, Obdachlosigkeit, alles dabei.

Er musste 63 Jahre alt werden, bis er quasi in die Hände von Gabriel Roth fiel, dem Mitgründer von Daptone Records – jenes Label, auf dem bereits Sharon Jones in stolzem Alter Erfolge feierte. Bradley war zu der Zeit in New York als James Brown-„Imitator“ unterwegs, jammte nach der Begegnung mit Roth ein wenig mit der Menahan Street Band und veröffentlichte daraufhin ein paar Singles bei Daptone.

1991 kam dann sein Debüt-Album, und das ging dann ziemlich ab. Die ganze, ausführliche Geschichte beschreibt nichts besser als der Dokumentarfilm „Soul of America“, der Charles Bradley vor allem während der Zeit der Album-Veröffentlichung begleitet. Der Film ist zwar in Deutschland nicht offiziell erhältlich, aber in den einschlägigen Onlinekanälen zu finden – und eine unbedingte Empfehlung!

Nach dem ersten Album kam das zweite und natürlich auch unzählige Live-Shows. Mehr oder weniger permanent ist Charles Bradley auf Tour und hat nun auch (endlich) in Stuttgart Station gemacht.

Charles Bradley

Foto: Michael Haußmann

Das LKA war jetzt vielleicht nicht die beste Location dafür. Aber hat auch wiederum zu anderen Kontrasten gepasst. Keine Vorgruppe, seine Begleitband The Extraordinaires läutet den Abend mit einem Vollgas-Funk-Instrumental-Gewitter ein und gibt die Richtung vor. Die Musiker halten, was der Soul verspricht, tight bis zum Ende und immer dann den gewissen Moment neben der Spur, wenn es dem Groove gut tut.

Wer genau die Band ist, darüber findet sich im Netz keine Info – die Vermutung liegt aber nahe, dass es zumindest ein Teil der Menahan Street Band ist. Trompete, Saxofon, Keyboard, drei mal Gitarre/Bass, Schlagzeug, mehr braucht es nicht.

Und dann betritt, würdig angekündigt vom Keyboarder, Charles Bradley die Bühne. Lila Glitzeranzug, Ausschnitt bis zum Bauchnabel. Und eine Stimme, die nicht so ganz von dieser Welt scheint. Wie kann ein Mann mit 65, dem bei jedem normal gesprochenen Wort die Stimme wegzubrechen droht, mit solcher Wucht Töne und Schreie ins Mikrofon schleudern? Unglaublich, das passende Wort für den Verlauf des Abends.

Charles Bradley

Foto: Michael Haußmann

Funk-Treiber im Wechsel mit Balladen, die Gänsehaut unvermeidlich machen, insgesamt drei Outfit-Wechsel, James Brown-würdige Tanzeinlagen und ein Charisma, das bis in die letzte Ecke der Halle reicht.

Und irgendwann die Erkenntnis des größten Kontrasts des Abends: Ein älterer Mann im Glitzeranzug, der ernsthaft die Fingerlecken-shhhhht-hot-Geste macht, sagt, wie jeder gute Rockstar auf der Welt, zum Publikum „I love you!“ – und man glaubt es ihm. Wirklich? Tatsächlich.

Wenn man den Film gesehen hat, wenn man ihn live erlebt hat, dann glaubt man ihm. Dass er die Leute bei seinem Konzerten nicht „Fans“ sondern „Friends, Brothers & Sisters“ nennen mag. Dass er seine minutenlange Ansprache zum Thema Leben, Liebe und Glauben ernst meint. Dass es ihm wirklich nahegeht, und er echte Tränen in den Augen hat, wenn das Publikum lautstark eine Zugabe möchte. Und nicht zuletzt jedes einzelne Wort seiner Songs, die er selber schreibt und durch sein hartes Leben geprägt sind, so meint wie er es singt.

Nach einem unglaublich begeisternden Konzert, an dessen Ende kein großer Abgang steht, sondern der ungelenke Schritt von der Bühne mitten ins Publikum, um einige seiner Brothers & Sisters zu umarmen, bleibt das Gefühl, einen der ehrlichsten und dankbarsten Künstler der Welt live erlebt zu haben.

Charles Bradley

Foto: Michael Haußmann

3 Gedanken zu „CHARLES BRADLEY, 05.06.2014, LKA, Stuttgart

  • 12. Juni 2014 um 17:24 Uhr
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    Ich muss sagen dass ohne Klacks James Brown einen würdigen Nachfolger gefunden hat. Ich fand das Konzert ganz groß !

  • 15. Juni 2014 um 21:09 Uhr
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    Ah, danke für den informativen und stimmungsvollen Bericht. Ich kannte Charles bislang nicht, Soul und Funk allerdings. Charles ging also bislang an mir vorüber – besser: ich ging an ihm vorrüber.

  • 26. Juni 2014 um 09:52 Uhr
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    aaah, daher kannte ich ihn doch, von diesem schönen Black Sabbath Cover:

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