TANGERINE DREAM, 27.05.2014, Theaterhaus, Stuttgart

Tangerine Dream

Foto: Steffen Schmid

Tangerine Dream sind ein Urgestein elektronischer/kosmischer Musik aus Deutschland. Während meines Krautrock-Studiums vor einigen Jahren bin ich über einen Vergleich von TD mit Pink Floyd, speziell „Dark Side Of The Moon“ gestoßen, in dem es sinngemäß hieß, TD weisen Pink Floyd in ihre Schranken und würden diese wie Amateur-Astronomen aussehen lassen. Wer sich dann tatsächlich ein Album wie „Zeit“ (1972) der frühen TD anhört, der kann bestätigen, dass dieser Vergleich sehr passend ist. Mehr als ein paar Alben aus dieser Zeit kann ich nicht vorweisen. Die Show heute ist Teil der „Phaedra Farewell – Tour“, und ich rechne schon damit, dass eventuell das Album „Phaedra“ (1974), welches ich besitze und ziemlich mag, zum Besten gegeben wird. Hat sich nicht bestätigt, und ich bin etwas überrascht – solche Klänge wie heute kommen werden, hätte ich nicht erwartet. Ein befreundeter Rechtsanwalt im fortgeschrittenen Alter mit beachtlicher Ahnung von Musik kommentiert meine Ankündigung zur TD-Show zu gehen auch noch mit „lebt do echt noch oiner?“, und „au – des wird aber sphärisch!“. Es leben vermutlich sogar noch mehr als einer aus den frühen Tagen um 1967 – Bandgründer Edgar Froese ist jedenfalls noch immer dabei. Andere Ex-Mitglieder hören auf Namen wie Klaus Schulze und Conrad Schnitzler (tatsächlich schon verstorben) – wer sich mit deutscher elektronischer Musik aus den frühen 70ern befasst hat, der kennt diese Namen natürlich.

Das beeindruckende Arsenal an Equipment auf der Bühne kann ich um kurz vor acht noch kurz bestaunen, als es um Punkt 20:00 Uhr losgeht. Das Publikum im wirklich sehr fortgeschrittenen Alter ist darüber vermutlich nicht unglücklich. Gut besucht von überwiegend männlichen Fans – nur ein paar (mutmaßliche Enkel-) Kinder, und die drei vom Gigblog (T.B.S.) drücken den Altersdurchschnitt. Ist echt so.

Tangerine Dream

Foto: Steffen Schmid

Das erste Stück gefällt mir schon mal sehr gut. Ich hatte ja wie bereits erwähnt mit „des wird aber shpärisch“ gerechnet – es kommt dann aber ein Techno-Stück, das ich mir problemlos in einem Club 2014 vorstellen könnte. Stimmt die Setlist mit früheren Shows überein heißt das Stück „Odd Welcome“ – passt perfekt zu meiner Verwunderung. So geht es dann munter weiter – ziemlich nach vorne, live Drums von einer Stehtrommlerin, im Zentrum Chef Froese an Synthesizern seine Mitmusiker unter anderem dirigierend. Ziemlich falsch kommt mir jetzt die Bestuhlung vor. Ein klarer Fall von Tanzmusik – nur so kann das ja nicht funktionieren. Man Stelle sich ein bestuhltes Daft-Punk-Konzert vor. Von ziemlich zeitgemäßem Techno/Electro driftet das Set deutlich in die 1980er Jahre. Kollege B. und ich haben den gleichen Gedanken zu einem „Europe“-Vergleich. Zunehmend denke ich, dass ich eigentlich der falsche Berichterstatter für dieses Konzert bin – zu wenig in elektronischer Musik zu Hause. Um auf den 80er-Jahre-Flair zurückzukommen – der ist schon massiv vorhanden. Angefangen von den Frisuren und wallenden Kleidern der respektablen Musikerinnen, den im Schwarzlicht leuchtenden Trommel-Stöcken, dem Klang der Drums und die Art wie die Schlagzeugerin spielt, der ebenfalls leuchtenden und absolut nicht hörbaren Geige, und insgesamt von Liedern, die wohl aus dieser nicht gerade glorreichen Ära stammen müssen.

Die Krone setzt dem ganzen ein völlig Unbeteiligter auf – mein Nebensitzer. Mir fällt schon früh seine Unentspanntheit auf, der blinkende, nicht gerade unauffällige Apparat unter seiner halb offenen Jacke gibt mir zu denken. Für einen Terroristen sieht er aber zu nerdig aus. Nach exakt 45 Minuten muss er aus der Deckung – Kassette ist zu Ende, gekonnt wird diese gewendet, und weiter geht das illegale Aufzeichnen der Show auf einen Kassettenrekorder. 80s-Style. Der arme Kerl ist bestimmt einer der ganz großen Fans im Saal, fiebert voll mit, eine Hand bedient nicht vorhandene Tasten – nur Klatschen kann er halt nicht, weil sonst das Gerät herausfallen könnte, oder er sein eigenes Klatschen nicht auch noch auf dem Bootleg haben will. Echt witzig wie er alle paar Minuten auf die Uhr schaut, um nur nicht den alles entscheidenden Moment zu verpassen.

Tangerine Dream

Foto: Steffen Schmid

Gut gefällt noch ein Stück mit Gitarre – Froese auch Gitarist bei TD zeigt was er drauf hat, und spielt beachtliche Soli über sphärischen Klängen – sieht auch nicht uncool aus wie der da über seinem Hocker hängt im (80er) Nebel. Klanglich mal abgesehen von teilweise nicht hörbaren Instrumenten schon ziemlich gut heute.

Den älteren Herrschaften sei die 20-minütige Pause gegönnt – hatten wir bei Guru Guru auch – geht voll in Ordnung.

War Teil 1 noch voll instrumental geht es jetzt mit einem Stück mit weiblichem Gesang los. Eine Frau in einem Vogelkostüm tanzt dazu – na ja. Weitere Stücke mit Geigen-Parts sind jetzt doch deutlicher zu hören, aber insgesamt kommt kein Schwung mehr auf finde ich. Die Interaktion mit dem Publikum ist halt auch immer noch schwierig – ich schiebe es auf die Bestuhlung.

Tangerine Dream

Foto: Steffen Schmid

Die Zugabe liefert noch ganz gute Stücke, es kommt auch das erste und einzige Lied, das ich sofort erkenne. Ob das jetzt ein Cover ist, konnte ich noch nicht in Erfahrung bringen, jedenfalls kenne ich es schon seit Kindertagen, vermutlich von einem Soundtrack, ein echter Ohrwurm.

Zum Abschluss gibt es noch eine kurze Ansprache von Froese – Politikerbashing – dem man sein Alter oder einen weniger guten Gesundheitszustand sehr deutlich anhört. Umso respektabler, dass er eine weit über zweistündige Show abgeliefert hat. Vielleicht bald als Bootleg „Live at Theaterhaus Stuttgart“ zu haben.

Tangerine Dream

Foto: Steffen Schmid

4 Gedanken zu „TANGERINE DREAM, 27.05.2014, Theaterhaus, Stuttgart

  • 30. Mai 2014 um 19:40 Uhr
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    Am 27.Mai,- da wurde ich Fünfzig,- logisch, da war ich dabei… !
    Ich war Derjenige beim Meet and Greet,der im Rollstuhl saß, aufstand und den Edgar Froese beim Händedruck ein paar Meter hinterhergezogen hat,- gehend versteht sich. Ich höredie Musik von Edgar Froese undsomit von TangerineDream so konsequent, wie er sie geschaffen hat. Okay, ich war nicht immer mit jedem Ton zufrieden, aber im Großen und Ganzen bin ich ein echter Fan der Band!
    Seid gegrüßt von
    Sylvio

  • 1. Juni 2014 um 10:53 Uhr
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    Ich war dabei! Bin ebenfalls 50 und verfolge die Musik von TD seit den 70ern – nachdem mir die unhörbare silent violin ebenfalls aufgefallen war, bin ich in der Pause zum Mixer, der hat offensichtlich reagiert, den der 2. Part war klanglich super und ALLE Instrumente waren zu hören VIELEN DANK!!!

    PS: Das gesuchte bekannte Stück ist die Titelmelodie zum Tatort „Das Mädchen auf der Treppe“ von 1982
    Gruß Peter

  • 3. Juni 2014 um 21:57 Uhr
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    Vielen Dank für den Bericht, aber das Stück Phaedra von der gleichnamigen Platte wurde sehr wohl gespielt, es war das erste Stück der Zugabe (die Klänge sind unverkennbar und ich hatte in diesem Moment eine Gänsehaut), vor „Das Mädchen auf der Treppe“ (Tatort-Soundtrack).

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