MONOCHROME, 22.04.2014, Schocken, Stuttgart

Monochrome

Foto: Michael Haußmann

Dienstagabend, der Osterhase ist tot. Beste Zeit, um irgendwas im Fernsehen anzuschauen und ab und an durchzuzählen, ob noch alle Zehen an den dazugehörigen Füßen sind. Irgendwas Ironisches ins Internet schreiben, über Körpergeräusche lachen oder mit dem Edding wahllos Hitler-Bärte auf Wahlplakate zu malen, geht natürlich auch. Oder halt ins Schocken zu MONOCHROME. Die kommen aus meiner neuen Lieblingsstadt Stuttgartberlinbaselzürich und ihre neue Platte „Unità“ ist ziemlich vorzüglich. Kurz: top Entscheidung getroffen – zudem durchaus mehrheitsfähig, denn das Schocken ist annähernd bumsvoll.

Monochrome

Foto: Michael Haußmann

„Every Once a While“ geht sich zum Start auch gleich gut an. Erinnert das Lied von 2006 doch glatt daran, wie Monochrome heutzutage klingen – poppiger, ruhiger und etwas weniger irre. Aber nix da „Zeitgeist“ – dafür haben Monochrome noch immer genug Kanten, an denen man sich irgendwas blutig stoßen könnte. Es kommt schließlich nicht auf den Jutebeutel an, sondern darauf, was in ihm steckt. Hip ist das „egal“ von morgen. Nochmal winken und dann kommt schon wieder die Müllabfuhr. Schöne Scheiße, Tschö mit „Ö“, Tschüssikowski.

„Within A Second We Were Second Hand“, singt Marc Calmbach und schlackst sich dabei gekonnt um den Mikroständer – die gute alte Dennis-Lyxzén-Cedric-Bixler-Iggy-Nummer geht schließlich immer. Das konnte der Kerl schon damals, als die Sänger anderer Hardcore-Bands noch mit ihren Fäusten die Luft boxten. Die neue alte Sängerin Ahlie Schaubel tanzt derweil wie eine Frau, die tatsächlich Spaß daran hat. Später wird sie mit ihrer glockenklaren Stimme mehrmals die Leute zum Jauchzen bringen. Auch weil das alles hier ziemlich saugut ist.

Monochrome

Foto: Michael Haußmann

Über „Brun“ und „The Weekender“ – beide von „Unità“ – lässt sich ebenfalls kaum meckern, es sei denn man will das unbedingt. Ich nicht. Denn ich freue mich über jede Band, die sich Mühe gibt beim Songwriting. Schon damals im Jugendzentrum als alle noch Madball oder Sick Of It All sein wollten, waren Monochrome eher At The Drive-In und Refused. Das war weder mutig, noch sonderlich visionär – das hatte lediglich etwas mit Geschmack zu tun.

Heutzutage sind Monochrome wahrscheinlich mehr „Indie“ als „Hardcore“ und zu jeder Zeit sehr viel Seele, Hirn, Stil und ein Sack voll grandioser Lieder. Auch daran gibt’s nichts zu maulen, obwohl psychotischer Lärm eine der besten Erfindungen seit Nutella ist. Bands sind aber lediglich sich selbst verpflichtet, und das ist bei Monochrome Arbeit genug, denn die Messlatte haben sie selbst so hoch gelegt.

Acht Jahre ohne Konzerte oder Platte sind allerdings auch eine beachtliche Hausnummer. Das kann man locker als „halbe Ewigkeit“ durchwinken. Dieser Zeitraum reicht im Regelfall locker, um mindestens drei miese oder ziemlich egale Bands in den Pophimmel zu loben, sie dort mit rostigen Messern abzuschlachten und ihre Überreste dann zur Reunion zu zwingen. Monochrome waren trotzdem die ganze Zeit da. Auch das hört man. Lieder wie „(It’s not meant to be) Our Last Campaign“ schreibt man nicht, wenn man die letzten Jahre nicht irgendwo am Leben teilgenommen hat. Obwohl Monochrome auch weit Besseres im Programm haben.

Das fantastische „Cabin“ zum Beispiel – ein Lied zum Einrahmen, auch nach 15 Jahren. Am besten in einen voll teuren Rahmen, nicht den Plunder von IKEA. Das Lied gehört auf jedes anständige Mixtape, auch wenn Ahlie da französisch singt. Keine Spur von Staub. Das erkennt man u.a. auch daran, dass Bands wie La Dispute heute mit sowas ordentlich Kasse machen. Am Dienstagabend fehlt’s dann aber doch ab und an am Wahnsinn und der Energie von früher. Kontrollverlust muss ja nicht immer was Mieses sein.

Jajaja. Verdammte Nostalgie, das Trostpflaster der Unglücklichen. Aber auch deshalb gibt es für Monochrome keinen hörbaren Grund, in der Vergangenheit zu schwelgen. Ihr „Hier“ und „Jetzt“ tritt noch immer genügend Ärsche. Im Schocken wird zufrieden mitgewippt, laut applaudiert – manchmal fast so, als gäbe es dort keine Tür nach außen und eben nix anderes als Musik. Klar, ich hätte auch gerne noch „Flimmern“ oder „Angelfire“ gehört und mich noch etwas mehr gefreut, wenn Marc Calmbach irgendwie irrer gesungen hätte. Aber wir Kenner wissen: Mit „Hätte, Hätte, Mofakette“ wird man halt auch nicht Kanzler.

„Who, Me?“ bumst dagegen ziemlich gut – „you gotta leave when your heart says ‚go'“ – toll, Gitarren überall, Melodien auch und Sängerin Ahlie schwingt dazu ihre Arme als würde sie jemanden Höhe Rotebühlplatz damit treffen wollen. Bernhard Hahn, Ex- und Aushilfsdrummer macht auch tolles Zeug mit seinen Armen. Er sprang kurzfristig für den erkrankten Christian Specker ein. Der wiederum trommelt auch beim Schweizer Rap-Star Bligg. Wenn er halt gesund ist. Gute Besserung.

Monochrome

Foto: Michael Haußmann

Fast witzig wird’s dagegen zwischen den Liedern. Während alle ihre Instrumente stimmen oder irgendwas anderes tun, steht Calmbach sichtlich nervös am Bühnenrand rum und weiß, dass er nach Rock’n’Roll-Gesetzmäßigkeiten jetzt irgendwas Fetziges erzählen müsste, um die Zeit fachmännisch zu überbrücken. Erst tut er es nicht, dann macht er Witze darüber, dass er es nicht tut:

Die anderen sagen immer, ich sollte was sagen. Mir fällt jetzt gerade aber auch nix ein.

„Minutes and Actions“, die schmissige kleine Popnummer von „Unità“ geht dann leider völlig in die Hose. Da singen Calmbach und Schaubel derart aneinander vorbei, dass man ein großes Flugzeug dazwischen hätte parken können. Kommt vor, Mund abputzen und weiter. Denn spätestens als Helm Pfohl und Marten Thielges an den Gitarren durchdrehen, möchte man sich eine zusätzliche Hand ausleihen und noch mehr Szenenapplaus klatschen. Flugzeuge sind eh überbewertet. Bassist Dominik Thomann leider nicht. Der Mann und seine Freunde an den Gitarren: pures Gold. Und alle glänzen mit dem Understatement, das Monochrome durchaus zu einer besonderen Band macht. Und halt Lieder wie das fabelhafte „Gegenstück“ oder „Die Dinge, wie sie sind“.

Monochrome

Foto: Michael Haußmann

Und dann fragt einer: „Ja, und warum sind Monochrome dann nicht erfolgreich geworden?“. Es ist der Zeitpunkt, an dem Maulhalten dann auch für mich zur Option wird. Denn in meiner kleinen Welt sind die Melvins wichtiger und erfolgreicher als The Killers und Jennifer Rostock zusammen. Ich fahre nicht zum Camping in den ZDF Fernsehgarten oder zum Southside-Festival, der Echo geht mir am Arsch vorbei und mir wird auch ein bisschen schlecht wenn bei Markus Lanz Typen wie Tobias Schlegl (Ex-Viva, „Aspekte“) sitzen und erzählen, dass sie „eigentlich aus dem Punk kommen“ und glauben, das sei ein Prädikat für irgendwas. Und jetzt alle: Wachstum, Wachstum über alles. Ich nehm‘ noch eine Soja-Latte, Frau Starbucks. Mit Zucker? Nö, mit Absicht!

Der Schallplatten-Mailorder meines Vertrauens nannte Monochrome vor einiger Zeit „stilprägend“. Erst habe ich gegrinst und „Hui, Jessas“ gedacht. Doch die Säcke haben wahrscheinlich Recht.

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