PHILLIP BOA & THE VOODOOCLUB, 04.12.2013, Universum, Stuttgart

Phillip Boa & The Voodoo Club

Foto: Steffen Schmid

Eine meiner allerersten CDs: „Philister“ von Phillip Boa & The Voodooclub. Hat schon 1985 um die dreißig Mark gekostet. Vergisst man gern im allgemeinen Gejammer, dass alles im teurer wird. Jedenfalls hat sie sich bezahlt gemacht. Wurde auf diverse Mädels-Mixtapes gepackt und lief quasi auf jeder Party. Immer in dem Set mit Sisters of Mercy, Tuxedomoon, Joy Division und Bauhaus. Das war offensichtlich nicht nur bei uns so, denn was spielt man heute Abend im Universum als Intro? „Bela Lugosi’s Dead“. Fein. Brüder im Geiste quasi.

Ich muss zugeben: Irgendwie habe ich nach den Alben „Copperfield“ und „Hair“ Herrn Boa aus den Augen verloren, und vor allem: noch nie live gesehen. Natürlich habe ich am Rande wahrgenommen, dass er ein paarmal in Stuttgart war, aber irgendwie hat’s nie geklappt. Und dann geht er 2013 mit einer ganz nüchternen Ansage auf Tour und ich denke, wenn das mal kein Grund ist: „Phillip Boa and the Voodooclub spielen 25 bekannte Songs aus ihrem Gesamtwerk“. Klingt irgendwie endgültig. Dass die Sängerin Pia Lund lange Zeit nicht dabei war, jetzt wieder in der Band ist und Ende 2013 wieder aufhören soll, erfahre ich erst hinterher.

Jedenfalls scheint die Ankündigung auch genug andere zu locken: Das Universum ist ausverkauft, seit langem stehen wir mal wieder in einer Schlange vor einem Club. Die beherrschende Haarfarbe ist grau. Ich bin wohl nicht der einzige, der Phillip Boa wohl schon aus seinen Jugendjahren kennt.

Phillip Boa & The Voodoo Club

Foto: Steffen Schmid

Kurz vor neun geht es nach dem Bauhaus-Intro los, und zwar mit „Loyalty„, dem Titelsong seines aktuellen Studio-Albums. Die Bühne ist ordentlich eingenebelt, aber es ist mal wieder nicht zu übersehen: so sehr die urbane Tiefgaragen-Atmosphäre des Universums zu mancher Musik passen mag, die Bühne ist einfach zu klein und zu niedrig. Der großgewachsene Sänger passt nur knapp in diesen Guckkasten hinein und auch die Lightshow bekommt nicht den Raum, den sie bräuchte. Was ein Jammer, dass es in Stuttgart einfach keinen gescheiten Laden für solche Konzerte gibt. Sei’s drum: Der Sound ist ok und die Stimmung noch etwas verhalten, aber gut. Beim dritten Titel „Ostrich“ wird Boa langsam warm, wuschelt mit skurrilen Bewegungen herum und versucht seine Retro-Frisette unter Kontrolle zu behalten.

Phillip Boa & The Voodoo Club

Foto: Steffen Schmid

Musikalisch bewegt sich das ganze erwartungsgemäß zwischen Wave und Indie Pop. Live kommt alles etwas straighter rüber, der steilweise etwas knorrige Studio-Sound wird rockmäßig glattgebügelt, aber dank der ordentlich treibenden Rhythmus-Mannschaft lässt sich auch das nicht mehr ganz taufrische Publikum langsam aber sicher in Bewegung setzen. Nach gut einer Stunde steht „Diana“ auf dem Programm und zum ersten Mal wird ringsum mitgesungen. Ach ja, ganz wie 1985!

Zwei Titel später endet der erste Part, aber wir haben mitgezählt: das waren erst 18 Titel, da ist also noch eine ordentliche Zugabe drin. „Albert Is A Headbanger“ wird lautstark mitgegrölt und bei „Container Love“ hat nicht nur Pia Lund ihren großen Auftritt, vor der Bühne entwickelt sich – heute fühlen wir uns nochmal richtig jung – ein veritabler Moshpit.

Als zweiten Zuschlag gibt es noch „And Then She Kissed Her“ und – das Beste zum Schluss – „Kill Your Ideals“. Ein feiner Abend. Nicht unbedingt so, dass wir noch jahrelang schwärmen werden. Aber mit der erfreulichen Erkenntnis, dass nicht nur wir, sondern auch Boa und Lund in Würde gealtert sind. Und dass endlich eine klaffende Lücke in der persönlichen Gigografie geschlossen ist.

Phillip Boa & The Voodoo Club

Foto: Steffen Schmid

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