EYE CHOKING AURAL STABS – THE ART RECORDS OF HAZE XXL (Vernissage) + SINGLE RELEASE PARTY/KONZERT von DIE NERVEN, 02.11.2013, Slowboy, Düsseldorf

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Foto: Tox

Das Schicksal will es, dass ich also doch die obige  Vernissage besuchen kann. Schon vor längerer Zeit via Facebook über diese einmalige Veranstaltung informiert worden – Düsseldorf erschien dann aber doch einfach zu weit weg. „Meant to be“ sagen die Englischsprachigen.

Ausgestellt und zum Kauf angeboten werden die Arbeiten von Tom Hazelmyer, aka HAZE XXL. Jetzt wer ist das? In seinen Einflussbereich bin ich Jahre 1992 gekommen, als ich mir von Helmet die „Meantime“ gekauft habe. Auf der Rückseite des Albums war u.a. zu lesen „Amphetamine Reptile Records“. Ob ich mit 14 schon gewusst habe, was Amphetamine sind, wag ich mal vorsichtig zu bezweifeln, aber der Name des Labels klang damals schon verdammt gut, und tut es natürlich noch heute. Ein Lemmy-Quote, den Hazelmyer in den 80ern mal aufgeschnappt hat ist Namensgeber für das US-Label. Lemmy hat sich damals selbst als ein „Amphetamine Reptile“ bezeichnet.  Helmet blieb nicht die einzige AMREP-Band, die ich in den Folgejahren kennen lernen sollte – da kamen noch die Melvins, Unsane, Love 666 und andere Bands die man über den Dunstkreis der Größeren auf der Schule (Moritz Finkbeiner) näher gebracht bekam wie Cows und Boss Hog.

Schon in den 80er und 90er Jahren war HAZE für das Artwork und so ziemlich alles andere auch bei seinem Label zuständig. Aber auch Indie-Labels waren vor dem Kollaps des CD-Marktes vor ca. 10-12 Jahren nicht sicher. Ich glaube zwar nicht, dass AMREP komplett verschwunden war, aber neues Material wurde nicht mehr veröffentlicht. Zurück kam HAZE allerdings mit einem völlig anderen Konzept. Es werden in erster Linie sehr kleine limitierte Auflagen von 7″s veröffentlicht, die nicht über die normalen Vertriebswege zu bekommen sind, sondern nur im Onlineshop vom Label und auf Konzerten der wenigen Bands, die überhaupt noch bei AMPREP sind. Das waren zweitweise nur die Melvins. Diese Singles und wenigen Platten haben mit normalen CDs und selbst normalen Vinyl wenig zu tun. Das sind Unikate, im Siebdruck auf dicker Pappe hergestellte Cover die nach Handwerk aussehen und riechen, nummeriert und signiert. Auch hier ist HAZE wieder derjenige, der das Artwork entwirft, ja sogar erschafft, und selber die Farben mischt und die Druckmaschinen bedient. Also ein komplett anderer Weg, wie er von der Musikindustrie lange beschritten wurde, und bekanntlich voll in die Hose gegangen ist, seit man sich so ziemlich jedes Lied das man haben will aus dem Internet saugen kann. Wem das zu seelenlos ist, der ist bei AMREP im Jahre 2013 genau richtig.

Auf Linolschnitt hat sich HAZE spezialisiert. In Kontakt gekommen ist er damit nach einer schweren Meningitis. Er musste nach einem Koma wieder laufen sprechen und schreiben lernen. Er hatte in dieser Zeit auch einen Anfall, bei dem er sich auch ein Stück seiner Zunge abgebissen hat. Als Therapiemaßnahme wurde auch  der Linolschnitt angeboten. Da es hilfreich ist, das Sprechen und Schreiben auch rückwärts bzw. spiegelverkehrt wieder zu erlernen, hat er sich total in diese Arbeit, die genau das fördert, gekniet, und hat gleich eine Karriere als Künstler in Angriff genommen. Die Werke die er er ausstellt sind auch als die bereits erwähnten Vinyl-Cover zu haben, oder wurden als Plakate verwendet. Seinen Stil beschreibt er als „Retardism“. In einem Interview wurde er gefragt, was denn diesen ausmache, was ist „Retardism“? Antwort: „You’ll know it when you see it. It’s a FUCK YOU! to the established art world and artschool bullshit.“ Kein langweiliges Zeug, das in Museen und Galerien normalerweise hängt, und den Humor zurückbringt in die Kunst.

Als wäre das nicht alles schon interessant und super genug, wird der Veranstaltung noch durch eine schier unglaubliches X-tra gekrönt – der Single Release-Party neben Konzert unserer Stuttgarter „Die Nerven“. Ich muss zu meiner Schande gestehen: Obwohl ich mitbekommen habe, das es diese Band aus Stuttgart gibt, und diese sehr regelmäßig bei Moritz im Wägele gespielt hat, habe ich mich nicht näher mit den jungen Kerls beschäftigt, keine Show gesehen. Als AMPREP-Fan habe ich mitbekommen, dass eine Single von „Die Nerven“ angekündigt wurde. Ich bin aber einfach von einer Namensgleichheit ausgegangen. Es gibt ja auch die US-Band „Die Kreuzen“, also warum halt nicht auch amerikanische Nerven. Super Sache, dachte ich mir, eine echte Ehre bei einem Underground-Labels dieses Kalibers ein Demo eingeschickt, und tatsächlich ausgewählt worden. Aber auch das habe ich falsch eingeschätzt. HAZE hat die Band auf Youtube entdeckt, und diese ins AMREP- Boot geholt, weil er so begeistert war – die erste deutschsprachige Band auf dem Label.

Besser spät als nie, und  die Räumlichkeit ist ähnlich beengt wie im Wägele – Die Nerven live. Ein Trio aus dem Kessel, die Texte auf deutsch, der Sound so, wie man ihn von AMREP-Bands gewöhnt ist – Noise. Aber nicht nur – Postpunk, Postrock, und der Gesang erinnern an deutsche Punk-und Newwave-Bands der frühen 80er Jahre. Gespielt werden Stücke vom Debüt „Fluidum“, „Für Jahre“, „Der Letze Tanzende“(super Stück) und „Morgen breche ich aus“. Es werden neue Stücke vom 2014 erscheinenden neuen Album vorgestellt. Das letzte Stück vor der Zugabe, dürfte das gewesen sein, das HAZE wohl auf Youtube gesehen hat. „Nichts Neues“ ist die A-Seite der bereits erwähnten AMREP-Single. HAZE hat bereits verfügt, dass „Nichts Neues“ bei seiner Beerdigung zu spielen sein wird. Was soll man dazu noch sagen. Eine Zugabe wird auch noch rausgehauen, und zwar die Stuttgarter Band Ätzer 81 mit „Stuttgart Kaputtgart“ wird gecovert. Eine fulminante Version hauen Die Nerven raus. Überhaupt Coverversionen – darin scheinen sie begnadet zu sein. Hier bitte:

Lana Del Rey „Summertime Sadness“

DJ Ötzi „Ein Stern der deinen Namen trägt“

Wer bei der Show am meisten abgeht, dürfte auch zugleich der größte Nerven-Fan im Raum sein – HAZE XXL. Er feuert die Band an, tanzt, pfeift und spielt sich an den Nippeln rum – ein Ami-Ding glaube ich. Befeuern tut er sich auch selber. Er steht neben mir in der ersten Reihe, und der „Booze“ drückt regelmäßig die Luft aus seinem Glas. Nach der Show nutze ich die Gunst der Stunde am Alkausschank steht Haze neben mir, und ich überprüfe aus erster Hand, ob die Legende stimmt. Wie kommt es, frage ich ihn, dass er für Die Nerven eine Single veröffentlicht? Antwort: „Did you see that shit? That’s why. Fucking brillant Die Nerven. „Die“ gesprochen wie bei Lady Di. Jetzt geht der sehr unterhaltsame Teil des Abends los. Haze hat sich an mir festgebissen. „Background“ will er wissen. Wie Background? „German?“ Ja, sicher, German. Haze selbst bezeichnet sich als Kraut. Deutsche oder Österreichische Vorfahren. „Er“, Haze deutet auf einen Mitarbeiter von Slowboy, „Polak“. Der Mitarbeiter verbessert ihn „Polake“ heißt das. Wie ich später erfahre, hat dieser Mitarbeiter den schweren Fehler begangen, dass er Haze, der schon ein paar Tage in Düsseldorf zur Vorbereitung war, erzählt, er habe einen polnischen Großvater gehabt. Seither zieht er ihn als „Polak“ auf. Polenwitze in den USA – immer noch ganz groß.  Haze kommt in Fahrt. Die Band wird gefeiert, geboxt, umarmt. Andere anwesende Fans werden auf den Background gecheckt. Die anwesenden Engländer müssen auch gleich den Kopf für England herhalten. Haze: „The english – the biggest pricks in europe“. Die Engländer pflichten ihm bei. Das könne man wohl sagen, Engländer seien die Pest. Einig ist man sich darüber, dass es hier in Düsseldorf super ist, und die Leute voll ok sind. Unbezahlbar sind das Nachahmen von Dialekten von Haze. Wie er von seinen Erfahrungen aus Birmingham berichtet, und besoffene Einheimische imitiert – da bleibt kein Auge trocken. Der Typ ist Sattelfest in fast allem. Black Sabbath, Southpark, Melvins da geht alles. Zwischenzeitlich hat er allein eine Flasche Wishkey geleert. Was er vor dem Konzert getrunken hat ist nicht dokumentiert. Es wird immer besser. Wir erfahren, dass er mal in New York in einer Galerie ausgstellt hat, die von einer Jüdin betrieben wird. Da sich Besuch aus Isreal angekündigt hatte, möge er doch bitte die Hakenkreuze auf manchen Drucken abkleben. Gesagt getan, aber als die Drucke von hinten von der Sonne beschienen wurden, waren die Kreuze noch auffälliger als davor. Die Besucher waren wenig „amused“. Er erzählt davon, dass er aber auch der Erfinder des „Peacestickas“ ist, also ein Hybrid aus Hakenkreuz und Peacezeichen. „The most absurd thing imaginable“. Bevor hier jetzt jemand Schweißausbrüche kommt – das ist keine Nazi-Veranstaltung. Das geht in die gleiche Richtung wie die Melvins, die ja dick befreundet sind mit Haze, die Sex mit kleinen Jungs auf Tour nicht als Ehebruch bezeichnen. Darf man nicht so ernst nehmen.

Nach und nach haut es dem trinkfesten Ex-Marine Haze dann doch die Haxen zusammen. Eine weitere Flasche Whiskey wird von der Slowboy-Crew ganz weit oben auf einem Regal versteckt. Haze versuch noch mit letzter Kraft an die Flasche zu kommen, schafft es auch, aber nicht ohne das Zeug dabei zu Bruch geht.

Ich bereue kurz mir nicht zu einem früheren Zeitpunkt gekaufte Sachen von ihm signieren lassen zu haben, denn jetzt ist es echt zu gefährlich. Er könnte mich mit dem Stift verletzten, oder die guten Stücke einfach zerdrücken. Daher Rückzug, nach einem Abend, der kaum hätte besser sein können.

Ein Gedanke zu „EYE CHOKING AURAL STABS – THE ART RECORDS OF HAZE XXL (Vernissage) + SINGLE RELEASE PARTY/KONZERT von DIE NERVEN, 02.11.2013, Slowboy, Düsseldorf

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