HANNES WADER, 18.04.2013, Theaterhaus, Stuttgart

Hannes Wader

Foto: Heike Pannen

ECHO 2013, der Preis für das Lebenswerk geht an: Hannes Wader. Manchen gefror bei der Nachricht das Blut in den Adern. Der kommerziellste aller deutschen Künstlerpreise, für den linken Liedermacher, für den Aufrechten, den Wahrhaftigen, für Wader? Ja. Warum nicht? Ich sehe das so: Der ECHO für Wader, das ist die Kapitulation des Kapitalismus vor den sozio-kulturellen Eigenheiten des widerborstig, wiedervereinigten Deutschland. Alternative Denk- und Lebensweisen sind hier so verbreitet, da muss selbst das Big-Business in die Knie gehen. Denn ironischer Weise ist die Marktmacht der Andersdenkenden inzwischen so groß, dass der Markt nicht an ihr vorbei kommt.

Heute tritt der Unermüdliche im Theaterhaus Stuttgart auf. Es ist einer seiner Solo-Auftritte, in den letzten Jahren stand er viel mit anderen Künstlern, wie Reinhard Mey und Konstantin Wecker auf der Bühne. Traditionell beginnt der Liederabend mit seinem Klassiker „Heute hier, morgen dort“. Den hatte er auch beim ECHO mit den Toten Hosen gespielt. Aber hier im Theaterhaus ist das was anderes. Wader passt zu dieser ganz eigenen Theaterhaus-Kultur, zum Publikum, zum Ambiente. Der Begrüßungsapplaus hat dann auch einen Hauch von Heldenverehrung.

Wader wurde jahrelang kaum noch im Radio gespielt. Wader war verfemt. Wader wurde verhaftet. Letztlich weil Wader der DKP beigetreten war und in der DDR, für den sozialistischen Bruderfeind, Konzerte spielte. Das verzeihen ihm viele nie. Vaterlandsverräter, war damals noch das harmloseste, was man ihn genannt hat.

Hannes Wader ist ein überzeugter Sozialist, oder wie er es in einem Interview formulierte: „einer der nicht aufhört an eine bessere Welt zu glauben“. Dass er die Schrecken des Terror-Sozialismus lange nicht sehen wollte, gehört zu seinem komplexen Leben eben auch. Erst nach der Katastrophe von Tschernobyl, und dem menschenverachtenden Umgang der kommunistischen Behörden damit, erst dann reflektierte er die Zustände im vermeintlichen, real-existierenden Sozialismus richtig.

Ein Verbrecher, ein Krimineller, ein Staatsfeind war Wader aber nicht. Ja, er wurde von der RAF benutzt, aber ohne sein Wissen. Die Strafverfolgung wurde eingestellt. Kennt man seine Lieder, dann weiß man, dass Gewalt für Wader keine Option ist.

Die Lieder sind politisch, häufig aber auch poetisch. Wenn ich ihn so auf der Bühne stehen sehe, fast unbeweglich, allein mit der Gitarre, da muss ich an Zeilen von Walter Mehring denken:

Hier steht ein Mann und singt ein Lied.
Am Rand der Zeit, die außer Rand und Band geriet.

Das bissige, sarkastische Rebellentum schimmert immer noch durch. Das anklagende gesellschaftskritische Lied bleibt ein wichtiger Teil seines Repertoires. Meine Lieblingslieder, die „Arschkriecher-Ballade“ und „Steh doch auf, du armer Hund“ hatten bis weit in die Punk-Szene hinein ihre Wirkung:

Wenn’s dein Wunsch ist, sprach der Mann, so wie die Anderen zu sein
Halte dich an deinen Chef, kriech ihm einfach hinten rein!
Das übst du fleißig, bis sich dein Profil schön sanft und glatt
An der Darmwand deines Vorgesetzten abgeschliffen hat!
 
Steh doch auf und schlaf nicht ein in deinem Blut, du armer Hund
Du riechst nach Blut und Schnaps und Schweiß
Hast bekommen, was du brauchtest und jetzt bist du endlich still
Einer, der so ist wie du, der muss das haben ja ich weiß
Einer, der so ist wie du, den sonst keiner haben will.

Heute bestimmen eher die nachdenklichen Töne und norddeutsches Volksliedgut seine Liederabende. Wenn Wader ein Lied von der Nordsee wie „Schon morgen“ singt, dann erschafft er eine Stimmung, da meint man den Meereswind zu spüren. Den Untiefen der menschlichen Existenz wird immer wieder die Hoffnung entgegen gestellt. Wader strahlt dabei eine altersweise Heiterkeit aus, die einen beflügelt. Der ganze Saal hängt an seinen Lippen. Da hat einer halt mal wirklich was zu sagen und schlägt die Menschen in seinen Bann – phasenweise hat das fast schon etwas Hypnotisches.

„Trotz alledem“ heißt ein altes Revolutions- und Arbeiterlied, das Wader früher gerne interpretierte. Trotz allem lohnt es sich an eine bessere Welt zu glauben! Das ist mein Gefühl am Ende dieses starken Abends von Hannes Wader. Einem Künstler, dem kein ECHO jemals was kann. Denn korrumpieren, korrumpieren kann man einen Wader nicht.

Ein Gedanke zu „HANNES WADER, 18.04.2013, Theaterhaus, Stuttgart

  • 21. April 2013 um 07:37 Uhr
    Permalink

    Starker Artikel. Hat bei mir eine Bildungslücke geschlossen.

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