PAUL KALKBRENNER, 01.03.2013, Schleyerhalle, Stuttgart

Paul Kalkbrenner Schleyerhalle

Foto: Claudio Zuccaro

Tausende Techno-Jünger haben sich am Freitag in der kathedralen Schleyerhalle bei einer basslastigen Messe von Techno-Papst Paul Kalkbrenner die Party-Absolution erteilen lassen. Ein Satz, den ich so oder so ähnlich schon immer mal schreiben wollte, endlich mal in punkto Religionsmetaphern aus dem Vollen schöpfen können. Eigentlich ist die Zeit für solche Einleitungen seit circa 1997 vorbei, oder? Kann auch sein, dass ich so lange bei keinem Auftritt eines bekannten Techno-DJs mehr war.

Erste Erkenntnisse: Diese Klischee-Technotypen mit den neonbunten Hosen gibt’s nicht mehr. Ein paar haben Neonknicklichter, einer hat ein Krokodilkostüm. Ansonsten ziemlich bunt gemischtes Publikum zwischen Theo-Tussen, Heusteighipstern und Normalos. Eher bierselig als ecstasydruff.

Jedenfalls ist Paules Aufritt in der fiesen Mehrzweckturnhalle am Wasen fast ein kleines Festival: Um 18:30 spielt Simina Grigoriu aka Frau Kalkbrenner, danach Pan-Pot. Dann gegen neun der Hohepriester selber. Warum so früh? Vielleicht, weil das Publikum teilweise sehr jung ist und früher gehen muss.

Die Musikrichtung Techno hat ja seit ihrer Entstehung ein Problem. Sie lebt zwar von dem Gemeinschaftsgefühl auf der Tanzfläche, aber gleichzeitig sind die Auftritte der musikalischen Protagonisten rein handlungsmäßig denkbar langweilig. Ein einzelner Typ steht vorne hinter einem Pult rum und legt Platten auf. Manchmal macht er mit den Armen so wie die Fans im Fußballstadion, wenn sie singen.

Aber das hat schon was, wie Kalkbrenner da vorne steht, umgeben von enormen LEDs und einer beachtlichen Licht- und Nebelanlage. Ist auch ziemlich egal wo in der Halle man steht, Licht und Musik sind überall fett. Ist ein bisschen wie der Musikexpress auf der Kirmes, nur in groß und ohne im Kreis fahren. Oder einfach wie ein überdimensionierter Technoclub. Und langweilig ist es eigentlich auch nicht, sondern insgesamt eine gute Show. Manchmal sieht man Paule hinter seinem Pult auf den Monitoren, und der verrichtete da mischpultschraubend und reglerdrehend ganze Arbeit. „Guten Tag, ich heiße Paul Kalkbrenner und spiele Mischpult.“ Ist halt das alte Technospiel: Bass rausdrehen, die Menge pfeift und jubelt, dann den Bass langsam oder auf eins wieder reindrehen und weiter geht’s im Viervierteltakt. Dann jubeln auch alle und tanzen.

Paul Kalkbrenner Schleyerhalle

Foto: Claudio Zuccaro

Klanglich füllt er die Halle jedenfalls gut aus, besser als manch andere Band, die ich hier schon soundmäßig habe absaufen hören. Und ich mag ja auch die Lieder: Das Album „Icke wieder“ von 2011 und auch das neue „Guten Tag“, nach dem ja auch die Tour benannt ist. Kalkbrenner macht halt so angenehmen Anfängertechno für in diesem Genre sonst fremde Menschen wie mich, der leicht zugänglich, ein bisschen poppig und sowohl für sonnige Sonntagnachmittage im Park wie auch dunkle Technoclubs geeignet ist. Wenn diese Musikrichtung so etwas wie Balladen kennen würde, sie kämen von Kalkbrenner.

Leider kann ich an dieser Stelle keine auch nur annähernd vollständige Setlist abgeben. Erkannt habe ich Böxig leise, Kleines Bubu und (glaube ich zumindest) den Remix von Wir werden sehen von 2raumwohnung. Die Lieder von Kalkbrenner heißen übrigens alle so merkwürdig, denn wie andere Techno-Produzenten, deren Songs keine Vocals haben (Eulberg, Ananda, etc.), hat auch er Probleme mit der Benennung seiner Tracks und gibt ihnen halt irgendwelche sinnfreien Fantasienamen. Sky & Sand ist die Ausnahme.

Ob das Konzert jetzt wirklich 46 Euro kosten muss (und das Bier € 5,-), sei dahingestellt. Vielleicht ist Paul Kalkbrenner auch nicht der beste Techno-Produzent, der so rumläuft. Aber ich finde, dass er gute Tracks produziert, mit denen er auch bei genrefremden Technodeppen wie mir Werbung für elektronische Tanzmusik macht. Das kann man mal anerkennen.

PS: Bruder Fritze Kalkbrenner sollte ja am 27.4. im Zapata spielen. Mal schauen, ob das Konzert woanders stattfindet oder ob es gecancelt wird, nachdem es die Location seit 1. März nicht mehr gibt.

4 Gedanken zu „PAUL KALKBRENNER, 01.03.2013, Schleyerhalle, Stuttgart

  • 5. März 2013 um 00:33 Uhr
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    Ich hoffe diese „Schreibkünste“ niemals etwas größeres als einen Blog sehen. Ist ja grausam!

  • 5. März 2013 um 16:35 Uhr
    Permalink

    Gut, dass es nichts größeres als diesen Blog gibt. Wäre ja grausam, wenn der Niko noch wo anders zu lesen wäre.

  • 31. Juli 2013 um 16:21 Uhr
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    Es folgt ein Leserbrief: Find ich gut was Du schreibst und wie Du es schreibst.

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