KREATOR, MORBID ANGEL, 15.12.2012, LKA, Stuttgart

Kreator

Foto: Steffen Schmid

Kreator & ich feiern heute 20-jähriges Jubiläum im LKA. Wie das so ist in einer so langen Zeitspanne – man verliert sich mal aus den Augen, man interessiert sich zwischendurch nicht mehr so besonders für den anderen, aber heute gibt es ein Wiedersehen, und wir freuen uns beide wie blöd. Kreator freut sich sogar so arg, dass ich heute, fast genau 20 Jahre nach dem Konzert bei der „Europe After The Rain“ Tour wieder an gleicher Stelle am Start bin, dass sie gleich noch eine der ganz großen Death-Metalbands aus den USA dabei haben, und das LKA gleich mal ausverkaufen. Volles Haus – wie es sich für eine ordentliche Party gehört.

Die Kreator-Show vor 20 Jahren war mein erstes großes Heavy-Metal-Konzert, sowas bleibt ja immer speziell. Die Band aus dem Pott war Anfang der 90er Jahre eine internationale Macht im Thrash-Metal. Ich meine mich zu erinnern, dass sie in der Fachpresse, z.B. dem „Thrash“-Magazin, in den Leser-Polls in dieser Zeit sogar die Platzhirsche Slayer und Metallica in der Kategorie „Beste Band“ von den ersten Plätzen verdrängten. Diese „Polls“ spielten in den Metal-Heften immer eine große Rolle, auch wenn da über viel Quatsch abgestimmt werden konnte. Beispiel: „Bester Bassist des Jahres 1992“. Wie man hier den Champ ermitteln konnte war mir damals schon ein Rätsel. Kreator mit den Albem „Extreme Aggression“ und „Coma Of Souls“ ganz vorne dabei, und die Popularität der Band scheint nicht nachgelassen zu haben. Im Gegenteil.

Aber zunächst zu den Tourgästen: Morbid Angel. Die Amerikaner kenne ich sicher auch schon über 20 Jahre, auch hier kann man von einer Macht in einer anderen Nische sprechen, denn Morbid Angel sind eine Death-Metal-Band aus dem „Sunshine State“ Florida. Irgendwas muss da mal vorgefallen sein in diesem Staat, denn eine beachtliche Zahl von Death-Metal-Größen wie z.B. Obituary, Massacre, Death und Cannibal Corpse stammen aus Florida, oder sind dort hin emigriert, um eine der extremsten Musikformen zu produzieren. Vieles spricht eigentlich gegen Florida: Stabiles tropisches Wetter, stabile politische Verhältnisse, Orangen im Überfluss, Cocktails zu jeder Mahlzeit – warum also führt sowas zu sowas? Vielleicht sind’s ja doch die Orangen – die vielen Blutorangen, die dort jedes Kind in großen Mengen essen muss, oder vielleicht wusste man sich nicht anders gegen „Vanilla Ice“, ein Florida Local, zu wehren. Morbid Angel zählten und zählen, wie ich heute sehe, immer noch zur satanischen Fraktion. Damals schon waren sie mir, jetzt nicht nur, aber schon auch deshalb nicht so recht sympathisch. Ähnlich auch „Deicide“, die glaube ich, wie könnte es anders sein, auch aus Florida stammen, und es für meine Begriffe völlig übertrieben mit dem Satans-Zeug. War einfach nicht meins. Die Firmung war noch gar nicht lange her, und was die Metal-Kumpels auf Friedhöfen trieben, z.B. die kleinen Kreuze von den Grabsteinen zu pfriemeln, um diese sich falsch rum an eine Halskette zu hängen, das fand ich gar nicht gut. Trotzdem, die „Altars Of Madness“ gehörte zur Standardscheibe, die auch in meiner Sammlung nicht fehlte, wenn auch wie gesagt kein Favorit.

Morbid Angel

Foto: Steffen Schmid

Mit dem ersten Stück der besagten Scheibe, „Immortal Rites“ soll es dann auch heute gleich losgehen. Frontman David Vincent hätte ich nicht wieder erkannt, war er mir doch blond in Erinnerung. Heute hat er die Haare schwarz, und erinnert mich sofort an Danzig. Womit ich ihm Unrecht tun würde. Danzig würde wahrscheinlich heute gerne aussehen wie David Vincent. Er, Vincent, war ja zeitweise gar nicht in der Band, und man fragt sich, wie das ohne ihn funktionieren konnte. Er und der Drummer stechen besonders hervor. Vincent durch die Präsenz eines Wrestlers und die amtliche Kutte, der Drummer durch sein Können. Eine echte Maschine, die uns mit Blastbeats bombardiert. Hat gerade wegen den ultra schnellen Beats, der satanischen Grundstimmung (geht vielleicht nur mir so, Trauma siehe oben) schon auch was von Black Metal was die hier abliefern. Vorstellen kann man sich das Ganze auch wie eine ganz arg böse Version von Motörhead, bei beiden Combos eine charismatische Gestalt am Bass. Ansonsten sagt mir das Set nicht besonders viel, lange ist’s her, dass ich mal was von der Band angehört habe. Für die aktuelle Platte „Illud Divinum Insanus“, die wohl vom normalen Death-Metal ziemlich abweichen soll, gab’s jedenfalls Dresche von Reviewern ohne Ende. Vielleicht ein Hinweis darauf, dass man sich das Album mal anhören sollte. Vom Auftritt bin ich angenehm überrascht, eine ordentliche Packung, die jetzt nicht durch Abwechslungsreichtum besticht – siehe Motörhead.

Kreator haben mit „Phantom Antichrist“ via Nuclear Blast ein neues Album vorgelegt, das in Reviews deutlich besser wegkommt. Da es sich heute, wie bereits erwähnt, um ein Jubiläum handelt, wird zu „Personal Jesus“ in der Version von Johnny Cash, ein Filmchen auf den Vorhang projiziert, das die Bandhistorie kurz zusammenfasst. Sofern ich das richtig erkenne, denn  ich darf als Ehrengast heute hinter bzw. neben der Bühne stehen, und sehe das alles Spiegelverkehrt. Das Set beginnt mit dem Titelstück des neuen Albums. Klassischer Kreator-Style, da hat sich wenig verändert. Das 92er Album „Renewal“ ging in eine experimentellere Richtung, was damals gar nicht so gut ankam, mir aber sehr gefallen hat. Was der Bauer nicht kennt… im Falle der neuen Platte dürften wenig Beschwerden kommen. Die Bühne ist übrigens im Stil des neuen Albums dekoriert, was mich jetzt nicht so begeistert, aber egal, hier geht’s um Musik. Diese kommt weiter von der neuen Platte, „From Flood Into Fire“, dann geht’s mit „Enemy Of God“ ein paar Jährchen zurück in der Bandhistorie. Ist mir nicht so geläufig was in dieser Zeit passiert ist. Mit „Civilizations Collapse“ kommt die zweite Single des aktuellen Albums. Auch ein sauberes Stück, da gibt’s gar nichts. Richtig interessant wird es dann für mich mit „Extreme Aggression“, Bestandteil meiner Jugend, obwohl nie extrem aggressiv gewesen. Soundtrack zum Dosenstechen. Das waren noch Zeiten. Kein Pfand auf der guten Bierdose, diesem enorm wichtigen Heavy-Metal-Tool. Warum schmeckt Bier aus Dosen immer noch am Besten? Wegen dem Metallgeschmack den nur die Dose liefern kann. Bis DJ Dosenpfand, dieser Feind des Heavy Metal, ja ich würde sogar sagen, dieser Feind des Lebens, auf den Plan trat um zukünftigen Metallergenerationen den Spaß zu verderben. Aber nicht mit uns, heute nicht, heute ist Jubiläumsparty. Ein weiteres altes Stück „People Of The Lie“ folgt, herrlich, von der „Coma Of Souls“, ein Klassiker, ebenso wie das Titelstück dieses Albums, kein Wunder, dass Kreator damals wie heute ganz oben stehen. Mit „Pleasure To Kill“ werden die ganz ganz alten Fans bedient, das liegt mir jetzt schon zu weit zurück. Eine Zugabe erhält das ausverkaufte LKA natürlich auch, in der weitere Klassiker wie „Betrayer“ dargeboten werden. Kreator haben das Pulver ordentlich verteilt über die Show verballert. Zum Schluss wird noch die „Flag Of Hate“ ausgepackt, und trotz all dem Hass und der Aggression sind ziemlich viele ziemlich glücklich heute.

Morbid Angel

Kreator

2 Gedanken zu „KREATOR, MORBID ANGEL, 15.12.2012, LKA, Stuttgart

  • 17. Dezember 2012 um 10:50 Uhr
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    bester Bassist war einfach immer Joey De Maio, einfache Übung Tox, das HÖRT MAN DOCH!

    …und nur weil der Deicide Gitarrist sich ein umgedrehtes Kreuz in die Stirn gebrannt hat, kann man doch nicht von übertriebenem Satanismus sprechen.

  • 17. Dezember 2012 um 21:47 Uhr
    Permalink

    Aber nicht im Thrash-Poll. Da waren es immer Tom Araya, Lemmy, David Vincent und der herausragende Jason Newsted im Wechsel. Letzterer hat den Sound von Metallica geprägt wie kein Bassist vor oder nach ihm.

    Aber klarer Fall, insgesamt im Metal spielt keiner bis heute so gut wie Joey De Maio. Ich bin ja nicht taub.

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