ANDREAS REBERS, 29.11.2012, Renitenztheater, Stuttgart

Foto: Joachim Off

Frau Hammer ist eine geschiedene Sichel. Von Beruf ist sie allein erziehende, renitent linke, durch und durch ökologische Baumkuschlerin. Was sie mag, ist Biowildlachs und Holzofenbrot, was sie nicht mag, ist ein gutes Gewissen. Nein, leicht hat sie es nicht mit ihrem selbstverständlich unreflektierten Idealismus. Aber sie hätte vermutlich ein doch ganz nettes Leben, wenn, ja, wenn da nicht ihr Nachbar Andreas Rebers wäre.

Herr Rebers ist ein geborener Schlesier. Das gibt er zumindest vor. Von Beruf ist er Missionar der Bitocken, einer All-Inclusive-Ersatzreligionsgemeinschaft aus Bopplowitz/Bobblowitz. Was er mag, sind Bibelzitate, die eigenen Überzeugungen und frohe Botschaften. Was er nicht mag, tja, das füllt problemlos einen ganzen, erheblich unterhaltsamen Abend.

Andreas Rebers, Kabarettist aus München, mehrfach ausgezeichnet und mehr als mehrfacher Retter der Dieter-Nuhr-losen ersten Satire-Gipfel-Staffel, gastiert also heute Abend im ausverkauften Renitenz. Mitgebracht hat er Dr. Beat, eine ‚anthrazitholzverkleidete‘ Beatbox im Stil der alten Atari-Konsole, dazu ein kleines Fässchen Atommüll aus der Asse, einen schlesischen Gebetsteppich und natürlich Froh’botschaft, genauer: sein Programm ‚Ich regel das‘. Frau Hammer, das Klischee der 68er-Frauenbewegung, fehlt dabei genauso wenig wie die gewohnten, bissigen, zum Teil bitterbösen Songs.

Der Schlesier neigt zum Fleiß. Kurz nach der Geburt häkelt er sich aus seiner Nabelschnur die erste Mütze, im Paradies steht er bereits vor Gott auf, und Hummer frisst er nicht, weil er wegen seiner proletarischen Herkunft nichts frisst, was wie ein Werkzeug aussieht.

Praktischerweise hat der Schlesier seine eigene christlichjüdischmuslimische Glaubensrichtung, die so einige Vorteile mit sich bringt, zum Beispiel sämtliche Feiertage und drei Sonntage die Woche. Selbstverständlich besitzen die Bitocken mehrere Gotteshäuser in ihrer Heimat, in Bopplowitz/Bobblowitz steht sogar ein Mompel der Architektin Sophia Hagia. Und ebenso verfügen sie über zumindest einen Pastor im Außendienst, der ihre Botschaft in die zutiefst dekadente, sündige, verfallene Welt hinaus trägt. Der den Menschen wieder Werte gibt, sie wieder gerade rückt, ihnen zeigt, was Schuld ist, Erlösung, der die unzähligen religiösen Scheingefechte stemmt, denen man so über den Weg läuft – und der sich, Käßmann macht’s vor, auch gesellschaftspolitisch äußert.

Das alles tut Missionar Rebers. Und hat dabei, ganz der religiösen Tradition entsprechend, den Urgrund allen Übels schnell entdeckt: Das Weib. Das Weib, welches, widerspenstig und oberflächlich, wie es nun mal ist, nie vom Scharren mit den Füßen ablässt. Das Weib, welches, anstatt bei Tengelmann an der Kasse zu bleiben und Herzen zu verteilen, ausgezogen ist, um unsere Werte und unsere Ordnung zu zerstören. Kurz: Das gottlos emanzipierte Weib.

Oder – die weibisch-politische Linke.

Jene beiden Feindbilder, die neuzeitliche Frau und deren Linke, hegt und pflegt der Pastor Rebers, wenn er von alltäglichen Begegnungen erzählt und uns an seinen allgemeinen Beobachtungen teilhaben lässt. Sie scheinen immer wieder durch, wenn er über die Grünen lästert, von ‚rotgrünem Terror‘ oder dem ‚linken Hetzblatt‘ „Spiegel“ spricht. Oder wenn er von jenem Mann berichtet, der bei Tengelmann Amok läuft, weil die Kassierin seinen Bon gestohlen hat. Mal packt der Pastor die Keule bzw. Dachlatte aus und prügelt seine Feindbilder direkt durch die Kapelle, mal setzt es kleine feine Sticheleien der Sorte niederträchtig.

Ja, man wird das Gefühl nicht los, der Pastor Andreas Rebers tut das alles für uns. Für uns linksliberale Durchschnittsbürger mit dem Hang zur Schöngeisterei. Wir treten hinter das Licht unserer grünen Wohlfühlhölle aus Fairtrade und Mülltrennung, aus Atomausstieg und Biofleisch. Wir werden belehrt über unsere Widersprüche, die über die Jahre so handzahm geworden sind, dass sie uns kaum mehr auffallen. Er zerlegt unser schönes linkes Paradies, an das wir uns gewöhnt haben, das wir mühevoll mit dekorativen Euphemismen ausgekleidet haben, zerlegt es und haut uns die Trümmer um die Ohren.

Songs gibt es leider weniger. Das bekannte „Waka-Waka“ (Ausgebeutetes Afrika) oder „Bad-News-is-Good-News“ (Tengelmann), allesamt bösartig politisch, ordentlich gepfeffert und fabelhaft eingesungen. Aber es hätten ruhig ein paar mehr sein können. Auch gönnt sich der Pastor, besonders zum Ende hin, den einen oder anderen alten Gag zu viel. ‚Come on fire, lite my baby, altes pakistanisches Sprichwort‘ ist übel, wie es sich gehört, aber Fans kennen den Spruch schon.

Frau Hammer ist übrigens verstorben. Sie wurde von einem Elektroauto überfahren, weil sie den Motor nicht gehört hat. Vielleicht wäre sie besser umgezogen.

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