MARK LANEGAN BAND, CREATURE WITH THE ATOM BRAIN, 04.11.2012, Universum, Stuttgart

Mark Lanegan Band

Foto: Steffen Schmid

Mark „The Voice“ Lanegan war zuletzt 2006 mit dem Album „Bubblegum“ im Gepäck in Stuttgart in der Röhre zu sehen. Zeit hat er sich gelassen mit der neuen Platte „Blues Funeral“, die dieses Jahr erschienen ist. Als dann die Tour anstand, habe ich wehmütig an die gute alte Röhre gedacht, gedanklich damit abgeschlossen, dass Mark Lanegan gar wieder in Stuttgart auftreten könne, mangels passendem Club. Die Röhre ist zwar tot, aber es lebe das Uni. Mit großer Freude habe ich die Nachricht vernommen, dass die Mark Lanegan Band doch zurückkehrt in den Kessel, wenn auch erst auf den zweiten Anlauf, da es bereits im Frühjahr eine Tour gab.

Klar war auch, dass Creature With The Atom Brain (CWTAB) dabei sein werden, fungieren die Belgier doch schon seit Jahren als Support und gleichzeitig in weiten Teilen als Band von Mark Lanegan. Als fleißiger Konzertgänger und Musikeinkäufer habe ich quasi miterlebt wie es dazu kam. Zehn Jahre zurück – Queens Of The Stone Age betouren das geniale Album „Songs For The Deaf“ auch in Stuttgart, noch im alten Theaterhaus in Wangen. Supportband waren Millionaire aus Belgien. Vielleicht ging es noch anderen wie mir, QOTSA stehen zwar damals als hellster Stern am Rockhimmel und liefern eine unglaublich gute Show mit hochkarätigem Lineup ab, aber Millionaire, die ich damals noch nicht kannte, haben mich mit ihrem abgefahrenen Rock und einer wilden Show schier umgehauen, rütteln kräftig am Thron von Josh Homme. Mark Lanegan war damals loses Mitglied von QOTSA, Aldo Struyf von CWTAB Gitarrist von Millionaire. Da haben sich die Richtigen gefunden – aus Josh Homme und Millionaire Frontman Tim Vanhamel wurden zusammen mit Jesse Hughes „Eagles Of Death Metal„, Mark Langegan holte sich Aldo ins Boot für das erste Album der Mark Lanegan Band, Mark wiederum spielt bei CWTAB-Platten mit – alles hängt irgendwie zusammen, und wenn man den Stammbaum mal ganz bis unten durchwurstelt stößt man auf Kyuss und Chriss Goss. So einfach ist das.

Creature With The Atom Brain

Foto: Steffen Schmid

CWTAB bestehen heute aus dem ehemaligen Millionaire Drummer, und wie erwähnt Aldo Struyf, der singt und – wie ich finde – sehr gut Gitarre spielt. Das sehen andere auch so – in der ersten Reihe: Graue Eminenzen. Das sind Männer an die 60, die man auch bei den White Stripes hätte antreffen können, Musikconnaisseure, Hochschulprofessoren, die begabte Praktiker live sehen wollen. Hat schon was nostalgisches, was die Band abliefert, psychedelic Rock, 60s, schwer Gitarrenorientiert. „Hit The Sky“ vom neuen Album spielen sie natürlich, der Hit der Platte, unbedingt reinhören, super Stück, gab’s als Promo MP3 im Netz, bei Firma Google fragen bei Interesse. Gespielt werden Stücke vom vorletzten Album „Transylvania“ und eben vom neuen „The Birds Fly Low“, das Titelstück vom erstgenannten ziemlich in die Länge gezogen, minutenlang das gleiche Riff gerockt, sehr schön. Lang spielen sie nicht, aber wer aufgepasst hat weiß – die Jungs müssen beim Headliner teilweise gleich wieder ran.

Noch kurz eine Anekdote zwischendurch – ich treffe Aldo nach der Show und nach kurzer Nachhilfe fällt es ihm wieder ein – wir hatten mal zusammen gefeiert und mit Essen geworfen. Tatort: Schocken. Damals noch mit Millionaire, die – wie er mir erzählt – „leider“ auf Eis liegen. Irgendwas mit dem Sänger, T-Timmy, Problemchen. Jedenfalls haben die im Schocken gespielt, Aldo mit Gipsarm (jemand wollte das Merchkässle klauen…). Nach der Show wurden die verbliebenen Gäste von der Band eingeladen im Schocken UG eine Runde zu feiern. Es gab kostenlose Getränke, und vor allem: Essen. Catering nennt sich das wohl. Die Jungs haben gedjt, es gab Rauschmittel (z.B. Bier), die Stimmung wurde immer ausgelassener, Nahrungsmittel wurden zu Wurfgeschossen, während zu Hits von u.a. Guns N Roses, Public Enemy und N.e.r.d. abgerockt wurde. Aber wie. Ausgesehen hat’s da unten. Mit Stühlen war auch irgendwas. Völlig berechtigt gab es Verwarnungen zuhauf, aber da war nichts mehr zu retten. Spät, sehr spät wurde dann die Sicherungen deaktiviert. Mit gemischten Gefühlen das Schocken verlassen. Schwer damit gerechnet, hier das letzte mal zu Gast gewesen zu sein. Polaroid mit meiner Visage am Eingang und an der Bar, „banned for life“. Es kam anders zum Glück. Die Party ging dann im Rocker noch weiter übrigens. Aldo sagt, dass er nie wieder eine ähnlich harte Party gefeiert hat. Unvergesslich, und er sei schon mehrmals auch in den USA mit Bands wie den Foo Fighters getourt. Er wollte sich heute den Tatort sogar nochmal anschauen, hat aber das Schocken nicht mehr finden können. Nette Geschichte, finde ich.

Mark Lanegan Band

Foto: Steffen Schmid

Dann kommt er, der Mann mit der Stimme zur Bearbeitung von grobem Stahl. Im Geschichtsbuch von Rock aus den USA mehrfach erwähnt. Im Kapitel „Grunge“ mit den Screaming Trees, mit Nirvana gab es Zusammenarbeit. Die Lorbeeren für „Where did you sleep last night“ haben allerdings letztere eingesackt. Dann natürlich QOTSA, bei denen er langjähriger Mitstreiter war.

Er verschießt schon in der ersten viertel Stunde Pulver ohne Ende. Bei jedem der ersten Stücke denke ich: Zugabenmaterial. Der Hit vom neuen Album „Gravedigger’s Song“ kommt als erstes. Sehr starke düstere Nummer. Insiderinfo: Man kann oder konnte Mark Lanegan auch zum Singen bei Beerdigungen buchen. Dann das stark anzügliche „Sleep with me“, gleich als #2. #3 der Clubhit von Bubblegum, das Kollaborationsstück mit PJ Harvey „Hit the City“, dessen offizielles Video in Stuttgart spielen könnte. Mit „Bubblegum“ geht’s weiter: „Wedding Dress“. Schaurig schön.

Mark Lanegan Band

Foto: Steffen Schmid

Ich hab schon mehrere Shows von ihm gesehen, auch ganz solo akustisch und der Eindruck setzt sich immer mehr fest: Der fühlt sich total unwohl auf der Bühne. Super verkrampft, kaum eine Bewegung, kaum ein Kommentar, früher hat er wenigstens noch geraucht während der Show. Aber wie. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass das hier kein sehr gutes Konzert ist. Die Band spielt sauberst, Aldo im Wechsel zwischen Keyboard und Gitarre, der kann alles. Dann gegen Ende des Sets kommen zwei Stücke von der neuen Platte, die mich wenig bis gar nicht begeistern. „Riot in my House“ ist eine extrem komische Nummer, die klingt wie sie heißt. Irgendwie dämlich. Dann „Ode to sad Disco“. Da goldfrappt er eine seichte Elektronummer raus. Auf der Platte kommt er noch einigermaßen davon damit, aber live wirkt das schon sehr seltsam. Nichts dagegen wenn Musiker mal was anderes versuchen, aber das kann eben auch in die Hose gehen.

Zugabe: „Hanging Tree“ – Sauber! QOTSA Stück von der großen „Songs for the Deaf“, das er singen dürfte. Dann Screaming Trees „Last Words“ – ein Traum. Abschluss: Methamphetamine Blues. Großartig. Den nehme ich für meine Beerdigung.

Mark Lanegan Band

Foto: Steffen Schmid

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Creature With The Atom Brain

9 Gedanken zu „MARK LANEGAN BAND, CREATURE WITH THE ATOM BRAIN, 04.11.2012, Universum, Stuttgart

  • 6. November 2012 um 08:26 Uhr
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    keine Ahnung wie das geht, dass man aus der dunkelroten Hölle noch solche Fotos machen kann, wow!
    Tox, beim nächsten Senffrühstück bei dir schauen wir nochmal, ob dir das mit dem Essen werfen tatsächlich so gefällt.
    Schönes Konzert btw, urban, psychedelic Heroin-Blues.

  • 6. November 2012 um 09:53 Uhr
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    Zum Konzert ist alles gesagt. Groß.
    Kompliment an den Fotografen. Wirklich toll. Die Bühnen haben anscheinend nichts mehr anderes zu bieten als dieses dunkelrot. Schlimm.

  • 6. November 2012 um 11:24 Uhr
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    Fandet Ihr alle das Licht so schlimm? Also ich hab mir an dem Abend gedacht: bei Mark Lanegan brauchts einfach keine besondere Lightshow, keinen Bühnenschnickschnack. Dieses spärliche Licht, die Nichtkommunikation mit dem Publikum: PERFEKT! :-)

  • 6. November 2012 um 11:26 Uhr
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    Ich vergaß: super Artikel, super Fotos, aber das ist ja immer dasselbe mit Euch… ;-)

  • 6. November 2012 um 13:15 Uhr
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    das mit dem Licht ist eher so, dass die meisten Auftrittsorte in Stuttgart, egal was für Musik spielt, immer so ein Licht haben: dunkel, rot, monoton. Zum Fotografieren schlecht und null Abwechslung. Stimmungstechnisch zu Lanegan hat’s nicht gestört.

  • 6. November 2012 um 20:38 Uhr
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    An Lino: Nur jemand der wie Du Senf frühstückt würde mir unterstellen, dass ich heute noch mit Essen werfen würde, oder es gut finde. Das waren damals doch ganz andere Zeiten. Mann!

  • 7. November 2012 um 12:43 Uhr
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    > Der fühlt sich total unwohl auf der Bühne. Super verkrampft, kaum eine Bewegung, kaum ein Kommentar<
    Vielleicht isser ja schüchtern und leidet unter rheumatischen Bewegungsschmerzen?
    Ansonsten mit kleineren Einschränkungen ein tolles Konzert: das mittlerweile überall übliche, puffige Rotlicht ödet in der Tat an, genauso wie die Konzertlaberer: beim Support Act Duke Garwood war der Schnatterpegel schier unerträglich.

  • 7. November 2012 um 14:51 Uhr
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    Glaub nicht. Bei mir würden die Kerzen brennen.

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