DANKO JONES, 30.10.2012, LKA, Stuttgart

Danko Jones

Foto: Reiner Pfisterer

Nix da, Finger hinter dem Rücken kreuzen. Amüsante Kurzweil, erdiges Rumgerocke, Schweiß und ein Herz, das in der Hose schlägt – Danko Jones ist da ein echtes Versprechen. Der Kerl, der sich offiziell so geil findet, dass er eine ganze Band nach sich selbst benannt hat, charmebolzt sich ohne großen Umweg mitten ins Herz, wo auch immer das am Dienstagabend schlagen will.

Damit’s schneller geht, rollt sich Jones gleich selbst den Teppich aus: „Dreieinhalb Jahre ist das jetzt her, seit wir hier waren. Davor sieben Jahre. Los, pfeift mich aus. Ich schäme mich ja selbst.“ Noch bevor der Abend richtig Fahrt aufnimmt, brechen im LKA schon die Dämme.

Auch weil Danko Jones seit mindestens sechs Jahren keine durchweg saugute Platte mehr veröffentlicht hat, klopft er die Charmekarte umso hemmungsloser auf den Tisch. Die draufgängerische Kunstfigur, zu der sich der ansonsten schüchterne Kanadier auf der Bühne gemacht hat, funktioniert eh am besten, wenn man auch dabei zusehen kann.

Danko Jones

Foto: Reiner Pfisterer

Da steht einer, der Rock’n’Roll, Schweiß, Blut und den Schwefelgeruch von fiesen Frauen atmet. Fast im Handumdrehen macht er sich zu dem Freund, den jeder gerne haben möchte, wenn’s eher eckig als rund läuft. Danko Jones ist der mit dem Verständnis und der Typ, der dich zu Hause abholt, wenn’s sonst keiner mehr tun will. Ein echter Rock’n’Roll-Kumpel, fast so wertvoll wie eine gute Plattensammlung.

„Terrified“ und „I Want You“ wuchten den Abend gleich sportlich ein. Klarer Sound, schön laut, kaum Schnickschnack – nur Rock. Wer dann gleich einen Tanzbuden-Hit wie „First Date“ in der ersten Viertelstunde raus haut, scheint sich kaum zu sorgen, dass irgendwas verrutschen könnte.

„Ich weiß genau, dass heute nicht Freitag oder scheiß Samstag ist. Wer Dienstagabend bei so einem Scheißwetter raus geht, meint es ernst“, schmeißt sich Danko schon wieder kopfüber an die 800 Leute im LKA ran.

„Just A Beautiful Day“ von der guten neuen Platte „Rock’n’Roll is Black and Blue“ oder „Had Enough“, ein Knaller, den auch die Misfits hätten schreiben können, stehen da in gar nix nach. „Code Of The Road“ sowieso nicht. Hier knallt’s an allen Ecken und Enden, der Schweiß tropft und wer singen kann möchte, tut das längst.

Der Rock’n’Roll des Trios – irgendwo zwischen AC/DC, Kiss und der liebenswerten Geschwätzigkeit von Thin Lizzy – ist derart breitbeinig, dass man den Kanadiern wirklich nicht vorwerfen könnte, sie würden mit beschränktem Radius agieren.

Danko Jones

Foto: Reiner Pfisterer

Dreiminutenfuffzehn, nochmal kurz den Refrain, Gitarrensolo lassen wir weg und dann wieder von vorne. 1A Stop-And-Go-Hardrock ist das. Mehr muss gar nicht sein, mehr wurde nicht bestellt und schon gar nicht versprochen. Der theoretische Überbau von Danko Jones trägt höchstens High Heels und spitzen Unterwäsche oder Spitzenunterwäsche. Die Übergänge sollen da fließend sein. Und das Lebensbild ist auch klar: breitbeinig hat man in allen Belangen mehr Spaß. Manchmal so sehr, dass es fast an Fun grenzt. Dienstagabend im LKA ist das Fun, zuzüglich der kleinen Portion Ironie, die in Jones Rumgegockel immer mitschwingt. Denn so heiß die Frauen in seiner Welt auch sein mögen: sie sind Ladies. Hart und meistens halt genauso fies wie hot.

Danko Jones

Foto: Reiner Pfisterer

Mit dem neuen Drummer Atom Willard und seinem langjährigen Gefährten John Calabrese kann sich die kanadische Rampensau glücklich schätzen, beste Vorraussetzungen für eine zünftige Rockerei auf seiner Seite zu haben. Gerade Willard verschaffte Social Distortion vor einigen Jahren noch den Bums, der ihnen heute schon wieder fehlt. Gold wert, der Typ. Und ich will gar nicht erst anfangen, von Rocket From The Crypt zu erzählen, bei denen der Mann früher mal Stöckchen gab. Jeder Schlag ein Vergnügen, wäre Willard am Dienstagabend im LKA gestorben, hätte man ihm das Lachen und die Freude mit einem Presslufthammer entfernen müssen.

John Calbrese, kurz JC, braucht sich da ebenfalls gar nicht zu verstecken. Er spielt den wohl konservativsten Rockbass seit langem. Ein Mann für die Großraumdisco, der bringt jeden zum Hüften. Und auch Vorsteher Jones hält die Sache simpel: Die Fragen, die er auf der Bühne stellt – „Yeah!“ ist immer die passende Antwort. Das hier ist das Einmaleins des Animationsrock – in ziemlich sauhoher Vollendung. Danko Jones will beeindrucken – klar, besonders die Mädchen. Deswegen labert er die Jungs voll. So laut, dass ihn jeder hört. Ein echter Entertainer, der bitte eine eigene Samstagabenshow im ZDF bekommen sollte, so gut ist das.

Zwischendurch foppt er einen Kerl, der seinem Freund auf der Schulter sitzt, sich etwas doof benimmt und dies nach diesem Abend nie wieder tun wird. Dann widmet sich Danko wieder der Lebensaufgabe: Rock’n’Roll.

Danko Jones

Foto: Reiner Pfisterer

Alleine bei „Lovercall“ wünscht man sich, dass Phil Lynott noch am Leben wäre, nur um wenigstens theoretisch die Chance am Brennen zu erhalten, er könnte dieses Lied einmal singen. Dieses feine kleine Lied über, äh, Oralsex. Danko zeigt seine vorbildlich lange Zunge und sagt noch was von „fünf Stunden lang“ und links und rechts juchzen verschämte Damen. Eine ruft „Yeah!“ und ich bilde mir ein, mehrere Damen zu sehen, die „Spitzentyp. Im Auge behalten!“ in ihr Mobiltelefon tippen. Andere zeichnen mit ihrem Lächeln ein Herz in die Luft. Die Sache ist klar: Danko geht als Chef nach Hause.

Davor muss aber noch sein pfundigster Bühnenstunt her – die alte „Bring On The Mountain“-Geschichte. Er erzählt sie jeden Abend: wie er den großen Berg besteigt und herunterschaut auf all‘ die, die ihn halt nicht so richtig geil finden. Dann rattert er die Namen von toten Musikern runter, die mit ihm da oben stehen. Tupac Shakur, Cliff Burton, Dimebag Darrel, Adam Yauch, Ronnie James Dio, Johnny Cash – und wer halt noch so hart chillt, backstage im Rockhimmel. In der einzigen Kneipe, die niemals ausverkauft ist.

Danko Jones

Foto: Reiner Pfisterer

„Everybody is sexy in heaven“, sagt Danko, um ein letztes Mal von seinem Defizit zu berichten: Frauen, natürlich. Besonders die, denen es mehrspurig am Hintern vorbeigeht, dass es Danko überhaupt gibt. Denen schleudert der Kanadier entgegen: „This heart gets stronger, this skin gets thicker, this mouth gets louder“ und verpasst sich dabei selbst mehrere Watschn. Tolles Entertainment. Er hält sein Versprechen: Rock’n’Roll.

Und was ist dann oben auf dem Berg? Nix. Da oben ist Schlussendegelände und so. Nur ein ausgemachter Idiot würde wieder runtersteigen. Danko ist gewiss keiner.

Ohmann, vor lauter Rockerei fast vergessen: Bombus. Vorgruppe aus Schweden. Anständiger Vollbartmetal mit Lemmy-Röchel-Gesang. Und nur manchmal wirkte das ein bisschen wie die Doomriders im Ferienlager. Wirklich nur manchmal.

Danko Jones

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