LOBOMOTIVe, 19.10.2012, Waldheim Heslach, Stuttgart

LOBOMOTIVe

Foto: Heike Pannen

Ein Grollen. Ein Beben. Düsternis zieht über das Land. Die drei Sensenmänner kommen – ins altehrwürdige Waldheim Heslach. Und ich bin wieder dabei, ist fast schon ein alljährliches Ritual. Wenn der Herbst kommt, steigt die Finsternis empor und aus ihr dröhnt LOBOMOTIVe!

Metal, das war, ist und bleibt eine mögliche Antwort auf das Leben. Eine, die von der Selbstinszenierung des Bösen lebt. Von Grabsymbolen, Teufelsfratzen, von Totenschädeln und von Feuersbrunst. Das Infernalische, als Antwort auf die Greuel der Welt. In meiner Jugend war das auch meine Form des Protests. Für die heutige Jugend, wirkt’s wohl eher strange. Jedoch es wirkt noch immer. Und natürlich haben die Giganten des Heavy-Hardcore-Speed-Trash-Metal immer noch ihre eingefleischten Fans.

Das gute an der Show von LOBOMOTIVe ist, sie lassen das alte Inferno wieder auferstehen, todernst – und doch mit dem Schalk im Nacken. Der Sound ist der gleiche wie bei den Monster- und Giganten-Bands. Die Wucht der musikalischen Wut haut einen um! Sogar besser gemacht, und auf höherem Niveau, als manch abgetakelte alte Heavy-Hure, die mit Metal heute noch Stadien füllt.

Is ja auch kein Metal, was die drei da verbrechen, es ist „Complete Metal“. Oder auch „lückenlosester Schwerstmetal“. Und sie lassen wirklich nichts aus. Kein Requisit der Metal-Küche, auch kein textliches Klischee: Hate, Death, Hate und noch mal Hate! LOBOMOTIVe liefert das volle Programm und zwar in ganz laut. Das einleitende Liedchen AFRAID OF SILENCE – says it all.

Mommel (Guitar,Vocals), Lazy (Bass und manchmal Vocals) und Slaggo (Drums – keine Vocals) machen schon seit frühester Jugend gemeinsam Krach und Pulverdampf. Ihre Pyrotechnik ist gefürchtet. Mommel: „Warum steht ihr so weit weg von der Bühne? Diesmal haben wir auch hinten Pyros.“ Das wirkt. Weil sowieso sinnlos, sich dem Sog des brachial zelebrierten Bösen zu entziehen. Der kleine Saal vom Waldheim ist zum Bersten voll. Außerdem, es steht ja ein Feuerlöscher auf der Bühne. Dann kann ja nix mehr schief gehen: PSYCHOTROPIC, BEAST OF PREY, SHE KILLS ME!

„Is leise, gell?“ spricht der Frontmann in den Raum und dreht den Regler noch ein bisschen höher. Am Eingang werden kostenlos Ohrstöpsel angeboten. Mein Tipp: annehmen! Denn sollte man noch mal ein Klavierkonzert von Chopin hören können wollen, dann sollte man bei LOBOMOTIVe nicht aufs Ganze gehen. Ehrlich, dröhnungstechnisch war Apocalyptica ein Scheißdreck dagegen!

Die als Songs getarnten Lärm-Sturmangriffe, sind eine Mischung aus allem was je an Metal geboren wurde und doch sind sie ganz eigene Kreationen. Alles ganz bewusst übersteigert. Die Speed-Riffs, das Gegröle, der donnernde Beat und die dazu passende Hass-Poesie. Nicht dass es nicht auch besinnliche Momente gäbe, wie am Anfang von LOST IN THE ABYSS, aber bei LOBOMOTIVe währen solche Momente eben nur – einen Genickschuss lang. Schlafmusik, wie bei den Intros von Metallica, so einen Quatsch macht diese Band nicht. Es ist laut und zwar andauernd, man könnte auch sagen: gnadenlos.

Auch die neueste Kreation NO RESPITE wird von den, unter anderem aus Halle, angereisten Fans frenetisch gefeiert. Es folgen ICE AND FIRE und mein absoluter Favorit CONTROLLED BY DEMENTIA. Ich wünsche mir, dass wenn ich eines Tages ins Schattenreich hinweg dämmere, CONTROLLED BY DEMENTIA das letzte ist, was ich noch wahrnehme. Die folgenden Titel sprechen dann für sich: LAST HATRED, BOMBER, ICE PICK LOBOTOMY. Explosionen der Wut, Exzesse des Hasses – feuersprühende Stahlhelme inklusive.

Wogegen aber eigentlich wehrt sich Metal? Was soll das ganze Getöse und Gebrüll? Man lese dazu den Wikipedia-Eintrag zu Lobotomie, danach weiß ein denk ich jeder, warum die Welt den Metal braucht. Hinter dem medizinischen Begriff der Lobotomie verbirgt sich eine chirurgische Vorgehensweise, mit der (bis vor ein paar Jahrzehnten noch) Homosexualität, Kommunismus und rebellisches Verhalten ganz allgemein aus dem Gehirn von vermeintlich kranken Menschen entfernt werden sollte.

Metal kann gar nicht krass genug sein, um die Zustände anzuklagen, oder (wie im Fall von LOBOMOTIVe) gar nicht maximal grotesk genug sein, um die Welt zu verhöhnen. Denn so liebenswert die Band auch ist, die machen das nicht nur zum Spaß! Hier geht’s darum die innerste Wut raus zu lassen, auf dass die reale Düsternis, vom Lärm zerstört, sich zurück zieht und die Erde gereinigt durch den Feuersturm, wieder neu erwachen kann.

Ein Gedanke zu „LOBOMOTIVe, 19.10.2012, Waldheim Heslach, Stuttgart

  • 5. November 2012 um 10:18 Uhr
    Permalink

    War selber auf dem Konzert von Lobomotive.
    Und was soll ich sagen ? Es hat sich genauso zugetragen. :-)
    Das nächste Konzert der Jungs im Waldheim Heslach steigt übrigens am 18.10.2013 !!!
    Für Freunde härterer Klänge ein absolutes Muß…
    also schon mal fett im Terminkalender vormerken.
    Wieder einmal ein sehr guter Bericht mit sehr schönen Fotos.
    Weiter so, Felix und Heike !!!!

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