BERLIN FESTIVAL / CLUB xBERG / AUF DEN DÄCHERN FESTIVAL, 07.-09.09.2012, div. Locations, Berlin

Berlin Festival 2012

Foto: Stephan Flad

Ich bin ja absoluter Anfänger, was Festivals angeht. Ich war nämlich noch nie auf einem, abgesehen von den HipHop Open und Bizarre Festival und Rock im Park vor vielen Jahren, das allerdings zum Arbeiten und mehr „hinter den Kulissen“. Deshalb hab ich mir mit Bernd, Tobi und Manu drei überaus erfahrene Festival-Gänger als Mitreisende ausgesucht und in einen Benz gepackt.

Berlin Festival 2012

Foto: Stephan Flad

Das Berlin Festival habe ich mir eigentlich wegen Michael Kiwanuka ausgesucht, weil ich den in München verpasst hatte, aber auch der Rest des Line-Ups hat sich doch ganz schick angehört. Ein weiteres Pro-Argument für mich: Das Berlin Festival findet am Flughafen Tempelhof statt, d.h. kein Matsch, kein Zeltplatz und notfalls ein Dach über dem Kopf.

Zur Sicherheit sind wir schon Donnerstagabend losgefahren, und obwohl oder weil meine Mitfahrer die Hinfahrt für die Beseitigung einer Palette 0,5-Liter-Dosenbier genutzt haben, haben wir die Gelegenheit gleich für einen Besuch bei der Miau Miau-Party im Freudenzimmer genutzt, einer Off-Location, bei der man dem Türsteher ein Kennwort sagen musste und wo – ganz Stuttgart-Connection – Schowi, Palina und der ehemalige Produzent von Bushido aufgelegt haben.

Hier haben wir zum ersten Mal die Musik gehört, die wohl gerade so bisschen Trend in Berlin (und anderswo) ist: Trap. Eine Mischung aus Crunk, HipHop und Dubstep. 70 bzw. 140 BPM, wem das was sagt. Sehr gut und sehr tanzbar.

Berlin Festival 2012

Foto: Stephan Flad

Am nächsten Tag fing dann das Berlin Festival an, und zwar eigentlich mit einem kleinen Drama: Denn aus diversen privaten und sonstigen Gründen haben sowohl meine Mitreisenden als auch ich Michael Kiwanunka verpasst, der um 16.15 Uhr aber auch zu einer eher unfreundlichen Zeit gespielt hat. Meine Mitstreiter waren zu Kate Nash vor Ort, die laut einhelliger Meinung unglaublich schlecht gewesen sein muss, ich traf dann pünktlich zu Tocotronic auf der Main Stage ein.

Und was soll ich sagen: Großer Tocotronic-Fan war ich nie, und aufgrund schwachen Bühnensounds und der ersten Eindrücke des Festivals, die erst mal verarbeitet werden wollten, kann ich gar nicht viel dazu sagen. Nur dass Sänger Dirk von Lowtzow eine weiße Hose und ein rosafarbenes Hemd trug, was auf einem ausgewiesenen, äh, Hipster-Festival zumindest fragwürdig ist.

Im Anschluss wurde ich von den anderen zu Frittenbude auf einer kleineren Stage genötigt, und ich kann mich nicht zurückhalten, das ist für mich einfach mit Deichkind und ja, Atzen, auf einer Stufe. Kirmestechno mit Kinderrap, das brauch ich nicht.

Berlin Festival 2012

Foto: Stephan Flad

Auf der Main Stage dann ein für die Fast-Main-Time doch mutiges Booking, nämlich Sigur Rós. Die Leute kamen anfangs nicht wirklich zurecht mit dem sehr entspannten Klicker-Klacker-Flächensound der Isländer, aber nach ein paar Liedern hat man sich dann doch kollektiv eingegroovt, und ohne zu viel vorwegzunehmen war das eines der Highlights des Festivals.

Vor dem großen Finale dann noch mal kurzer Wechsel rüber zur kleinen Bühne, wo Miike Snow spielten – die Band sagte mir ehrlich gesagt nicht so viel, hat mich live aber durchaus überzeugt.

Und dann natürlich nichts wie wieder rüber zur Main Stage, wo das Highlight des Abends, wenn nicht des Festivals, erwartet wurde: The Killers. Eigentlich die perfekte Festival-Band, wie ich gedacht hatte. Wall of Sound, Feuerwerk und Konfetti, damit hatten ich – und viele andere wahrscheinlich auch – gerechnet. Und was war es dann? Ein absolut hervorsehbarer Auftritt mit wieder viel zu leisem Sound, auch in Bühnennähe kam die Musik nicht richtig an… die Lasershow war nett, aber der Funke ist leider nicht übergesprungen.

Darum war es für mich auch nicht besonders schwer, einen Abstecher zur kleinen Bühne zu machen, wo zur selben Zeit Major Lazer spielten, die Combo um DJ und Produzent Diplo. Und was soll ich sagen: So geht Rave. Eine wilde Bühnenshow mit MCs und Tänzerinnen, dicke Bässe, Outfitwechsel und Stagediving mit Gummitieren. Großes Kino, wie man so schön sagt, und ich würde das Ganze sehr gern mal in einem Club erleben.

Dann war Zeit für einen Zwischenstopp bei Mustafas Gemüsekebap in Kreuzberg, trotz Hype und Tourmagnet einfach der beste Döner der Welt, true story. Und dann ab zum Club Xberg, dem zugehörigen Clubfestival in der Arena in – ach was – Kreuzberg. Aufgrund missverständlicher Zeitangaben haben wir von Metronomy leider nur das letzte Lied gehört, der Rest war aber bestimmt auch super.

Super war aber auch der anschließende Gig von DJane Maral Salmassi zusammen mit einer Dame vom Münchner Kollektiv Chicks on Speed. Und die haben wieder ein Trap-Set aufgelegt, das den gut gefüllten großen Saal der Arena gut zum Schwitzen gebracht hat. Wobei man sagen muss, dass Frau Salmassi wahrscheinlich der schlechteste DJ der Welt ist, technisch gesehen, aber ihre Tanzeinlagen im Catsuit waren spektakulär und die Musik atemberaubend.

Und dann war auch schon Samstag, und es reichte absolut, abends pünktlich zu WhoMadeWho einzutreffen, die auf einer der kleinen Bühne spielten. Und ihr Auftritt passte zum Eindruck des ganzen Festivals: Die Elektro/Elektropop-Bands und -Acts konnten zumindest mich mehr überzeugen als die anderen. Vielleicht auch, weil sie den – ich wiederhole mich – zu schwachen Sound am besten kompensieren konnten.

Berlin Festival 2012

Foto: Stephan Flad

Dann freuten sich die anderen sehr auf Kraftklub, und ich wurde mitgeschleppt mitten in die Menge vor der Mainstage – und ich muss ja zugeben, die Show war besser als ich erwartet hatte, das Ausleben von Rock-Klischées auf der Bühne und Spielchen mit dem Publikum waren vielleicht etwas albern, aber zumindest hatten die Leute Spaß.

Da sich langsam die ersten Ermüdungserscheinungen einstellten blieben wir einfach bis zum nächsten Act sitzen, hat sich für Franz Ferdinand auch durchaus gelohnt. Wieder zu leise, aber nicht überkandidelt und mit Spaß bei der Sache.

Und dann der „Main Act“, Highlight und Abschluss des Festivals, der Mann mit den nachweislich meisten Fan-T-Shirts auf dem Gelände: Paul Kalkbrenner. Eine Unverschämtheit und Verarsche am Publikum. Der Mann stand tatsächlich 1,5 Stunden alleine auf der Bühne und hat seine eigene Musik aufgelegt. Aufgelegt. Nix live, keine Show, keine Effekte, keine Tänzer. Ein Typ mit Glatze steht auf der Bühne, legt seine unfassbar langweilige Musik auf und unten warten alle auf „Sky and Sand“.

Wir haben das genau eine halbe Stunde ausgehalten und lieber direkt unseren traditionellen Zwischenstopp bei Mustafa eingelegt. Beim Club Xberg waren wir dann pünktlich zu Modeselektor, und das war ein sehr schönes Beispiel, wie man einen Live-Act mit elektronischer Musik auch ohne pompöse Show würdig über die Bühne bringen kann. Zwei coole Typen, eine Flasche Champagner, ein Mikro und eine Videoleinwand reichen völlig.

Da hätten sich der meiner Meinung nach überbewertete Totally Enormous Extinct Dinosaurs im Anschluss und später Simian Mobile Disco gern eine Scheibe abschneiden dürfen – langweiliges Technogebollere ohne Inspiration, da kann man zu tanzen, man kann es aber auch genauso gut lassen.

Die Nacht oder besser den Morgen beschlossen wir mit einem Besuch bei der Wilden Renate, einem sehr schönen Club in einem ehemaligen Wohnhaus mit vielen Räumen und Floors und einem Garten, wo ein Boot an einem Baum hängt.

Doch zwei Festivals sind für ein Wochenende in Berlin noch nicht genug, und so nahmen wir am Sonntagnachmittag noch das Auf den Dächern Festival von Tape.TV und Spiegel Online mit. Das fand als Highlight der Auf den Dächern-Konzertreihe statt, wo tatsächlich Bands auf dem Dach des Tape.TV-Büros an der Spree spielen.

Wir hatten leider keine der sehr wenigen Tickets fürs Dach, durften die Konzerte aber mit vielen anderen Leuten unten in der „Public Viewing“-Area auf Leinwand mitverfolgen. Das war spannender als es sich anhört – Stuttgart war dick vertreten, die Orsons hatten wir verpasst, aber Cro und Max Herre legten bei wunderbarsten Wetter sehr solide Kurzauftritte hin, genauso wie die Citizens, Amanda Mair und MIA. mit einem wunderbar kitschigen Auftritt mit Federkleid und Seifenblasen.

Zeit für die Heimfahrt und ein kleines Fazit: Das Berlin Festival ist ja wie gesagt als Hipster-Festival verschrien, das Publikum war tatsächlich sehr hip aber durchaus angenehm, mit den Side-Events wie Autoscooter, Art Camp und anderem hat man sich wirklich Mühe gegeben. Allerdings kann ich auch den allgemeinen Eindruck bestätigen, dass die Leute im Publikum nicht gerade vor Begeisterung ausgeflippt sind, da ist die Stimmung bei anderen Festivals bestimmt besser. Aber welchem anderen Festival kann man schon bei Regen unter dem Dach und trotzdem fast direkt vor der Main Stage stehen? Also!

Berlin Festival 2012

Foto: Stephan Flad

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