AHAB, ESOTERIC, OPHIS, 30.05.2012, Rockfabrik, Ludwigsburg

Foto: Promo

Death Doom, Funeral Doom – die Bezeichnungen dieser Musikarten weisen einhellig auf einen düsteren Themenkomplex: Körperliches oder seelisches Leiden, Wahnsinn und Verzweiflung, Verlust, Verfall und Vernichtung. Man assoziiert offene Gräber auf verwilderten Friedhöfen zwischen Ruinen, karge, kalte Landschaften, die „Sturmhöhe“ oder den unter Gothics wie Metallern allzeit beliebten Edgar Allan Poe mit seinem Geschichten vom „Vorzeitigen Begräbnis“ oder dem „Untergang des Hauses Usher“. Irgendwo im metaphorischen Nebel und Dunkel, abgekehrt oder abgeschnitten von der menschlichen Zivilisation fröstelt es einen unbehaglich.

Death Doom, Funeral Doom – das ist Wintermusik. Auf Open Air-Bühnen oder in der drückend schwülen Rofa wird man mit der Musik nicht richtig kalt. Erschwerte Bedingungen also für die eine britische und beiden deutschen Bands im sehr gut besuchten Club 2. Glücklicherweise ist deren Musik so beschaffen, dass man sich, selbst wenn einem die Musik gefällt, nicht zu hektischen Bewegungen verleitet sieht, die unnötig weiteren Schweiß treiben würden.

Den drei Bands ist die Vorliebe für einen tiefenlastigen Sound, stark verzerrte Gitarren und natürlich die Death Growls gemein. Die Saiteninstrumente und die Stimme, die sich klanglich zu einer dichten, schwebenden Atmosphäre verweben, holen das Tempo auf ein Minimalmaß runter. Es kann schon vorkommen, dass auch die Drums mit nur noch 48 bpm daher kommen. Parallel dazu ergehen sich Stimme und Gitarre dann teilweise in halben oder ganzen Noten, oder mehr noch: Einzelne Silben werden auf fünf, sechs Sekunden gedehnt. Trotzdem unterscheiden sich die drei Bands ganz deutlich.

Ophis, die vier Nordlichter, konzentrieren sich am meisten auf langsame Riffs und den hier zweistimmig gegrowlten, konsequent ultra-langsamen Gesang: Gitarrist Philipp Kruppas Stimme ist tief und voll; Schlagzeuger Nils Groth hält höher und schärfer dagegen. Die Band, der noch Oliver Kröplin am Bass und Martin Reibold an der zweiten Gitarre angehören, hat noch die deutlichsten Death Metal anleihen. So spielen sie mit dem frühen „Convert To Nihilism“ – ihre „Sommerbotschaft“ an uns – den schnellsten Song des Abends, wenn auch nicht den einzigen mit Blastbeats. Er weist einige Tempowechsel auf und ist gegenüber dem sonst eher flächigen Charakter ihrer Musik sehr rhythmisch. Leider dauert es etwas, bis bei diesem ersten Auftritt der ersten Band auf der Tour der Sound in die Gänge kommt, sodass über weite Strecken die klangliche Differenzierung fehlt. Auf Platte klingt Ophis weit weniger eintönig und kommt stärker rüber. Vielleicht liegt es auch daran, dass es „scheiße-heiß hier“ ist, wie Philipp in einer Songpause wütet. Vom jetzt auf September verschobenen Split mit Officium Triste spielen sie dann noch „The Mirthless“. Das Wetter kann da einfach nicht mithalten.

Esoteric, die sechs Briten, gehen ganz anders an die Sache heran. Auch Greg Chandlers Gesang ist zwar langsam und hält sich über weite Strecken gleichförmig bei ganzen Noten, er bildet aber nur den schwarzen Schleier, welcher die vielschichtigen, abwechslungsreichen Arrangements zurück auf den Boden drückt, wo ihn Joe Fletcher mit den Drums dann festnagelt. Die umfangreiche Instrumentierung mit drei Gitarren – nochmal Greg, Gordon Bricknell und Jim Nolan –, Keyboards – neuerdings in den Händen von Jan Krause – und Mark Bodossians sechsaitigem Bass ergäbe sonst auch einiges Potential an melodiöser Leichtigkeit. Zunächst schafft diese Besetzung vor allem den Druck, den man bei Ophis vermisst hat. Die Gitarren überlagern sich hier aber nicht einfach, um dichter zu wirken, sondern spielen zu jedem Zeitpunkt etwas anderes, mindestens eine übernimmt dabei eine Leadmelodie von häufig melancholischem oder verträumtem Charakter. Mal sind es auch zwei oder drei Gitarren, während der Bass zwischen den Rollen als Melodie- und Rhythmusinstrument wechselt. Im Gesamteindruck ist Esoteric sehr abwechslungsreich, ein bisschen sphärisch, ohne gleich dem Touch des Poppigen zu erliegen, der Shape of Despair manchmal ergreift, zugleich satt und heavy, ohne mit Klotz am Bein daher zu kommen, und so heiß, dass nach einem Drittel sogar eine Monitorbox durchbrennt und schnell entfernt werden muss.

Ahab, die vier süddeutschen Wahlseebären, besitzen die Trägheit und Gewalt von Kaventsmännern. Klanglich bilden sie das nach, worüber sie singen: Ihre drei Konzeptalben widmen sich dem Thema Schiffbruch und zeigen den Mensch im Kampf mit dem Naturgewalten und in der Verzweiflung angesichts des sicher erscheinenden Todes, ja, wie ihn sein Überlebenstrieb zum Kannibalen degenerieren lässt. Dementsprechend ist der Klang der Stücke wild, die Stimme brutal und auch voll Klage, und die Gitarren – es sind die fettesten des Abends – sowie das äußerst hart abgemischte Schlagzeug bilden den Sturm und die Weite des Meeres nach. Im Grunde ihres Herzens sind Ahab Romantiker und mit dem Schiffbruchmaler William Turner verwandt und mit Théodore Géricault, dessen „Floß der Medusa“ das Cover von „The Divinity of Oceans“ ziert.

Musikalisch zeigen sich Ahab heute am flexibelsten, stellt doch auch ihr neues Album eine deutliche Weiterentwicklung dar. Ohne irgendetwas an seiner Erhabenheit einzubüßen und die bisherigen Trademarks zu vernachlässigen, öffnet sich das Werk ruhigeren, melodischen und auch experimentelleren Stellen wie in „Deliverance“ oder „Antarctica The Polymorphess“. Dort baut sich der Song langsam aus einer monotonen Basslinie Stephan Wandernoths auf, in welche das Schlagzeug von Cornelius Althammer unabdingbar hinein drischt. Minuten vergehen, bevor Christian Hector und Daniel Droste den Weg in ein kantiges, schleppendes Riff finden. Schließlich entfesselt Letzterer seine Growls, dabei ist der Song auf der Platte in seinem Mittelteil eigentlich durch etwas für Ahab so Ungewöhnliches wie mehrstimmigen Klargesang gekennzeichnet. Dennoch: Die prägenden Soundmerkmale von Ahab sind die extrem düstere Growl-Stimme und – hier noch deutlicher im Vordergrund stehend als bei den beiden Vorbands – Gitarre und Schlagzeug.

Schweißnass ist der Abend geworden. Aber während sich das mit der Kälte solcher Death und Funeral Doom-Bands wie Ophis und Esoteric schlecht verbinden lässt, vereint Ahab das Unvereinbare: Den Mief körperlicher Ausdünstungen und die schwüle Gluthitze werden auch die auf „The Divinity of Oceans“ besungenen Überlebenden der „Essex“, die mit ihrem Ruderboot in Äquatornähe auf dem offenen Meer trieben, erlebt haben – nur bei wesentlich schlechterer Bierversorgung. Noch schlimmer allerdings, ist es Arthur Gordon Pym ergangen, dessen von Edgar Allan Poe verfasster „Bericht“ das Thema des neuen Konzeptalbums „The Giant“ abgibt: Jenseits des Eisschildes der Antarktis findet Pym auf seiner – natürlich von Schiffbruch gekennzeichneten – Reise eine Welt vor, die so heiß ist, dass selbst das milchweiße Meer, in welchem er mit einem Kanu treibt und worin er dem ebenso weißen Giganten begegnet, zu kochen beginnt. Im Vergleich dazu ist es uns noch ganz gut ergangen.

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