OM, 25.03.2012, Schocken, Stuttgart

OM, 25.03.2012, Schocken, Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

Warum hört man sich das überhaupt an: Diese Bands, die gleichförmige, monotone Musik machen wie diese hier? Lange Stücke mit einer sich stetig wiederholenden Melodie – keine griffigen Melodien, nichts, was man unter der Dusche nachsingen oder auf dem Weg zum Bus vor sich hin summen könnte, nichts, worauf man abgehen oder tanzen könnte.

Da sind nur diese langen, gleichmäßigen Melodiesegmente, welche der Bass beständig wiederholt – einlullend, alle Gedanken auflösend –, begleitet nur von minimalistischem Schlagzeug und einer Stimme in der Tonlage der Bass-Melodie, welche unverständlich ein Mantra spricht – einnehmend, die Sinne verwirrend –, das Ganze durchdrungen von einer Synthiemelodie, welche immer wieder ihre Finger ausstreckt zwischen den Rhythmus von Bass und Schlagzeug, welche exotisch, mal sphärisch, mal orientalisch wie aus Tausendundeiner Nacht, auf den Besucher einwirkt und ihn mit sich fort trägt – sich in den Kopf bohrend, märchenhaft –, Flötenklänge sind da zu hören, auch mal etwas Orgelartiges, ein Streichinstrument oder nur ein schwebender Ton, ein Mal sogar eine Gitarre, alles rechts hinten von Gastmusiker Robert Aiki Aubrey Lowe (Lichens) gespielt, der auch mal sein Tamburin zwischen das Valium-Schlagzeug von Emil Amos (Grails, Holy Sons) schlägt, aber immer wieder bleibt es der Bass von Al Cisneros (Sleep, Shrinebuilder), der seine alles dominierende Melodie wiederholt – sich festsetzend, sich in den Hirnstamm fressend, bis der Kopf nickt –, und wenn dann der Bass einmal eine Variation spielt oder aussetzt, sodass das Schlagzeug sich in einigen Fills ergeht und man gespannt ist, wohin sich das Stück entwickeln mag, setzt der Bass wieder ein mit ein und derselben Melodie – wieder einlullend, in Trance versetzend –, so ist jedes der sieben Stücke des Abends in wunderbar vollendeter Monotonie gestrickt.

Om ist Trip Doom – Om ist das heiligste aller Mantren, auf welches die Hindus meditieren – Om ist Acid Rock, dieses auf Musik geträufelte Lysergsäurediethylamid, – Om ist die Korrespondenz mit der tiefsten Ruhe und dem Traum – Om ist Psychedelic Rock, dieser in Vinyl gepresste Trancezustand, – Om ist für die Hindus der transzendente Urklang aus dessen Schwingung das ganze Universum entstand – Om ist der ultimative Stoner Sound – Om ist die Schwingung, in welcher sich das hypnotisierte Publikum des Schockens wiegt, umflirrt vom Rot der unveränderlichen Beleuchtung, während ihm die Musik durch jede Pore dringt, fließt, strömt. Aber das Om der Hindu ist ohne Anfang und ohne Ende. Wäre das nur bei diesem Om auch so. Doch nachdem die Musik sich wie der seidene Schal einer indischen Tänzerin ganz langsam und sanft und unbemerkt um die Körper der Zuschauer gewunden hat, sie verstrickt hat, bis sie alle in ihren Bewegungen und Gedanken erstarrt sind und sich in der Musik auflösen, hört die Band plötzlich auf und geht ab. Kein Wunder, dass vor der leeren Bühne ungewöhnlich lange nach Zugaben gerufen wird, obwohl schon längst Saalbeleuchtung und Pausenmusik angegangen sind. Zwecklos: Die nächste Meditation auf Om muss vor den heimischen Boxen stattfinden.

Warum hört man sich das überhaupt an: Diese anderen Bands?

OM, 25.03.2012, Schocken, Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

Ein Gedanke zu „OM, 25.03.2012, Schocken, Stuttgart

  • 29. April 2012 um 14:41 Uhr
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    Auf den dunklen Bildern gar nicht so recht zu erkennen ist, dass Al OM so fürstlich zugelegt hat, dass ich zunächst von einer Support Band ausgegangen bin. Ein Insider hat mir gesteckt, dass mit der plötzlichen Alkohlabstinenz in Zusammenhang steht – kann man nur davor warnen, wie andere Beispiele in der jüngeren Musikgeschichte zeigten.

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