UDO LINDENBERG, 15.03.2012, Schleyerhalle, Stuttgart

Udo Lindenberg

Foto: Steffen Schmid

Lieber Udo,

(ich darf hier doch Udo sagen? Liest ja schließlich keiner mit.) das letzte Mal haben wir uns in Stuttgart 1989 gesehen, da hast Du mir ein Exemplar Deiner Autobiographie El Panico in so einem Bücherkaufhaus an der Königsstraße signiert. Da kamen wir nicht so richtig zum Reden, war ziemlich viel los. Ich mag ja Großbuchläden gar nicht und kauf meine Bücher lieber beim netten Buchhändler hier bei mir ums Eck. Aber zu dem kamst Du halt nicht zur Signierstunde. Wir haben uns dann ein bisschen aus den Augen verloren und die Kommunikation zwischen uns verlief ein wenig einseitig: Du hast gesungen und ich hab‘ halt zugehört, war völlig okay so.

Dein Buch habe ich damals übrigens mit roten Ohren und heißem Herz verschlungen. Vor dem Stuttgarter Konzert hab‘ ich nach Jahren mal wieder reingeschaut, da steht schon dolles Zeug drin:

Als ich das erste Mal nach Hamburg kam, war gerade große Hippie-Zeit. Das war am Freitag, den 13. Dezember 1968. Ich ging durch die Mönckebergstraße und trug einen großen Schlabbermantel. Darauf hatte ich mit dem Filzi geschrieben: Alle Menschen werden Brüder – auch ich bin dein Freund sprich mich an. Mich beseelte der Gedanke, daß alle Menschen weltweit friedensbetont zueinander finden.

Da wollte ich natürlich sofort auch so einen Mantel, aber hab dann doch nach einiger Bedenkzeit, wo man wohl den coolsten beschreibbaren Schlabbermantel im Stuttgarter Talkessel kaufen könnte, weiter auf meinem Schlampermäppchen rumgemalt, naja. Aber auch fürs weitere Leben konnte ich aus Deinem Buch echte Lehren ziehen:

Es gibt Fälle, da reicht Genialität nicht aus, da reicht es nicht, begnadeter Künstler zu sein. Man muss sehr clever sein in diesem Geschäft und seine Interessen in hasenschlauer Weise durchsetzen, obwohl alles seine Grenzen hat. Selbst meine Oberausbilder aus Sizilien (ein mysteriöses Kapitel nebenbei, über das ich in diesem Buch, und ich setze das freundliche Verständnis des Lesers voraus, nicht berichten kann) bemühen sich um Haltung, Fassung und Würde in den Untiefen dieses unsäglichen Geschäfts.

Ich bin kein Musiker geworden, sondern was anderes, aber das waren schon große Sätze. Nun, ich muss Dir ja nicht weiter aus Deinem Buch vorlesen, das kennst Du besser als ich, erstens isses ja Dein Leben und zweitens hast Du es ja diktiert, nur noch eins, dankbar war ich Dir immer für den Schlusssatz:

So sprach ich. Amen!

Da hatte ich was fürs Leben gelernt. Es ist immens wichtig, gelegentlich mal einen auf ganz dicke Hose zu machen, Dankeschön für diese Lebenslektion an dieser Stelle!

Udo Lindenberg

Foto: Steffen Schmid

Auf Dein Konzert hab‘ ich mich bestens vorbereitet und weitergelesen. In den Höhen und Tiefen der Tagespresse standen ja schon nach dem Tourstart alle Plattitüden und flachen Witze, die den Schreiberlingen so einfallen. Eine große deutsche Boulevardzeitung titelte nach dem ersten Konzert „Ein UDO ist gelandet!“, uff! So was muss ich hier jetzt echt nicht wiederholen. Ich wollte Dir einfach schreiben, wie es mir gefallen hat.

Udo Lindenberg

Foto: Steffen Schmid

Rundum großartig war‘s! Nach Deinem beeindruckenden Einflug mit dem eigenen Zeppelin gab’s genau die richtige Mischung aus alten Hits und neuem Material. Das „Cello“ war dabei, „Ich lieb dich überhaupt nicht mehr“, „Mein Ding“, „0 Rhesus Negativ“, „Wozu sind Kriege da“ undundund! Besonders gefreut hat mich, dass Signore „Controletti“ vorbeigeschaut hat und die „Andrea Doria“ bestiegen wurde. Beim „Sonderzug nach Pankow“ wehte ein Hauch deutsch-deutscher Geschichte durch die Halle und nicht nur ich hatte Gänsehaut. Vermisst aus deiner Diskographie habe ich den „Detektiv der niemals schlief“, aber der ist dann halt beim nächsten Mal wieder an Bord.

Udo Lindenberg

Foto: Steffen Schmid

Du hast einen beeindruckenden Wanderzirkus aus Tänzern, Vampiren und anderen Luftikussen mitgebracht. Das Panikorchester muss keinem mehr beweisen, dass es aus feinen Musikern besteht und gesanglich hast Du wirklich bezaubernde Unterstützung. Man war richtig neidisch wenn Du Deine Goldkehlchen herzen durftest. Was gab’s noch zu sehen und zu hören? Einen Kinderchor, den Bühnenbarmann, Tänzerinnen, eine unplugged Session…. Herrje! Ich kann es gar nicht mehr alles aufzählen und hab‘ bestimmt schon wieder die Hälfte vergessen. Nach den Zugaben gab’s dann natürlich ein großes Finale und als Du nach drei – viel zu kurzen – Stunden mit dem Zeppelin wieder aus der Halle gesegelt bist, sangen alle Lindianer in der Halle aus voller Kehle „Goodbye Sailor“ und waren glücklich.

Lieber Udo, wir sind schon wieder nicht dazu gekommen, uns ordentlich zu unterhalten, das macht aber gar nix, denn Du kommst ja wieder. Es gibt noch viel zu tun und: Der Greis ist ja immer noch heiß. Mach’s gut, habt noch eine schöne Tour und bis zum nächsten Mal.

Alles Gute und panische Grüße aus Stuttgart,

Dein Christian.

Udo Lindenberg Tour

Foto: Steffen Schmid

3 Gedanken zu „UDO LINDENBERG, 15.03.2012, Schleyerhalle, Stuttgart

  • 16. März 2012 um 15:33 Uhr
    Permalink

    Boah, krass wie alt der aussieht! Messerscharfe Fotos & subbatext!

  • 16. März 2012 um 19:08 Uhr
    Permalink

    Niko, der Udo sah immer gut aus, sieht gut aus und wird immer gut aussehen! Schön, dass Dir der Text gefallen, Deinem Kompliment zu Steffens Bildern kann ich mich nur anschliessen! Grüße!

  • 16. März 2012 um 21:38 Uhr
    Permalink

    Was für ein Bericht! Top-Leistung von Euch beiden :)

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