THE KOOKS, MORNING PARADE, AULETTA, 28.10.2011, Arena, Ludwigsburg

Foto: Steffen Schmid [Stuttgart, 2008]

„Indie is dead“ – wer am Freitag bei The Kooks in der Ludwigsburger Arena war, würde diesen in letzter Zeit allzu oft propagierten Satz so wohl nicht unterschreiben. Vielmehr würde „indie is tired“ zutreffen: Macht Sänger Luke Pritchard zwar den Eindruck, als habe er Spaß auf der Bühne, so wirken seine Bewegungen, seine Blicke, seine Posen allesamt recht einstudiert. Doch auch beim Publikum merkt man, was ankommt und was nicht: Während bei Songs wie „Naive“ die schwitzenden Körper aneinandergepresst werden oder bei „Ooh La“ Arm in Arm mit fremden Menschen getanzt wird, so nutzen doch viele der Besucher die Songs vom neuen, dritten Album „Junk of the Heart“ eher, um eine kleine Verschnaufpause einzulegen.

„Viel zu kommerziell“, „langweilige 08/15-Musik“ – das sind die Reaktionen auf das neue Album, die man in der langen Schlange am Eingang der Halle aufschnappt, von all den zurechtgemachten Mädchen mit ihren Absatzschuhen, von den Jungs mit Röhrenjeans und V-Ausschnitt. Später werden auch sie wissen, dass ihr Aufstylen völlig sinnlos war, es gibt wohl an diesem Abend niemanden, der nicht verschwitzt aus der Arena herauskommt.

Pünktlich um 19.30 Uhr eröffnet die erste Vorband, Auletta aus Mainz, das Konzert. Eine von mittlerweile unzähligen deutschsprachigen Indie-Pop-Bands, ein bisschen wie Madsen in glatt und brav, irgendwann wiederholt sich eben alles. Sie singen ein wenig, sie spielen ein wenig Gitarre, die Sorte von Musik, die man eben so nebenher hört. Und sie kommen gut an.

Als jedoch die zweite Vorgruppe, Morning Parade aus Essex in England, angekündigt wird, hört man vereinzeltes Stöhnen aus der Masse: „Oh nee, ich bin doch für die Kooks hier, nicht für 100 Vorbands!“ Jedoch: Morning Parade haben richtig was drauf, ihr Britpop, gepaart mit Elektro-Elementen, geht in die Beine. Nach und nach fangen die Leute zögerlich an, im Takt mitzuwippen, doch spätestens bei ihrem dritten Song haben die Briten, deren Musik auch schon in „The Vampire Diaries“ lief, alle mit sich gerissen.

Als dann schließlich The Kooks– nachdem sie sich ordentlich Zeit gelassen haben – auf die Bühne treten, gibt es endgültig kein Halten mehr. Es wird gekreischt, es wird mitgesungen, es wird getanzt, zu Liedern wie „Shine on“ oder „Always where I need to be“. Alles schön rücksichtsvoll, in der Indie-Szene ist man schließlich lieb und nett und gefühlvoll.

Auch The Kooks scheinen Rücksicht auf ihre Fans zu nehmen. Dafür, dass das dritte Album eigentlich der Anlass zur Tour ist, spielen sie beachtlich wenige Lieder daraus, was die meisten Fans wohl freut, denn so bleibt mehr Zeit für ältere Hits wie etwa „Do you wanna“ oder auch den „Sofa Song“. In diesen Momenten ist der ausverkaufte Innenraum der Halle ein einziges Springen, ein Tanzen, ein Klumpen aus miteinander verschmolzenen, sich zur Musik bewegenden Körpern. Dazu führt Luke seine Tanzschritte aus, die er offenbar zuhause vor dem Spiegel geübt hat. Nichtsdestotrotz nimmt man ihm die Rolle des süßen Indie-Jungen noch immer ab, obgleich Mr. Pritchard mittlerweile das 27. Lebensjahr erreicht hat. Während er so auf der Bühne andauernd von rechts nach links und wieder zurück rennt, damit auch jeder etwas von ihm hat, zwinkert er dem weiblichen Publikum immer mal wieder zu, woraufhin dieses in Jubelschreie ausbricht – klar, wo sie doch schon kein Wort verstehen von dem, was er mit seinem Brighton-Akzent von sich gibt.

Die vielen Lichter und Laser, die während der Show durch die Halle scheinen, sollen wohl die Tanzlaune anregen, sollen zeigen, dass das, was da gerade in der Arena abgeht, eine ganz große Party ist. An sich keine schlechte Idee, jedoch zur Musik von The Kooks extrem unpassend und fast schon peinlich. Die Indie-Szene will keine großen Inszenierungen, sie will Authentizität. Was man hier bräuchte, wäre eine einfache Bühnenbeleuchtung ohne bunte Farben – irgendetwas, was die Natürlichkeit und Normalität der vier Musiker unterstriche. Vielleicht hofft die Band jedoch, mit einer imposanten Lightshow den ein oder anderen musikalischen Mangel unbemerkbar machen zu können. Selbstverständlich waren nach den Alben „Inside in/Inside out“ und „Konk“ die Erwartungen groß, und The Kooks sind leider weit dahinter zurückgeblieben. Nur ganz selten hört man in den neuen Songs noch das Trotzige, Unsaubere, dieses „Es kommt wie es kommt“. Das Album „Junk of the Heart“ ist an vielen Stellen einfach zu glatt, The Kooks verlieren ein Stück ihrer Natürlichkeit mit diesem Album, an dem alles am richtigen Fleck sitzen muss. Vielleicht sind daran aber nicht mal The Kooks allein schuld: Man lässt die Band in großen Hallen spielen, obwohl sie – besonders bei Akustikstücken wie „Seaside“ – viel besser in kleineren Etablissements aufgehoben wären.

Beinahe zwei Stunden stehen The Kooks auf der Bühne und nehmen die Besucher komplett für sich in Anspruch. Das Publikum hat Spaß, zweifellos. Doch The Kooks sind erwachsen(er) geworden und haben damit ein Stück ihrer Echtheit verloren. Trotzdem ist Indie noch lange nicht tot. Es ist nur ein wenig müde.

3 Gedanken zu „THE KOOKS, MORNING PARADE, AULETTA, 28.10.2011, Arena, Ludwigsburg

  • 31. Oktober 2011 um 19:30 Uhr
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    Der Konzert war der absolute mega Hammer! Ich habe mich an dem Abend bis nach ganz vorne gequetscht (Und ich habe weder Teddies auf die Bühne geworfen, noch das ganze Konzert mit meinem Handy mitgefilmt!) und muss 1. sagen, dass der Satz „Alles schön rücksichtsvoll, in der Indie-Szene ist man schließlich lieb und nett und gefühlvoll.“ überhaupt nicht zutrifft.- Ich habe massig blaue Flecken und eine meiner Freundinnen hat eine gebrochene Hand! – 2. War „Morning Parade“ eine der schlechtesten Vorbands, die ich je in meinem Leben gesehen habe! Die waren wirklich schlecht! Und 3. Bin ich auch der Meinung, dass das dritte Album der Kooks wirklich nichts Besonderes ist, aber die Show hat nun wirklich in keiner Hinsicht einstudiert oder peinlich gewirkt. (Obwohl mir The Kooks in einem kleinen Club natürlich auch tausend Mal besser gefallen würden!) Und ich kenne eine Menge Leute, die auch bei dem Konzert waren und alle waren durchweg begeistert. – So „tired“ kanns ja wohl nicht gewesen sein.

  • 31. Oktober 2011 um 19:51 Uhr
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    Ja! Battle! Krieg! Weiter! Killerindiekinder.
    Ich schau so gern zu.

  • 31. Oktober 2011 um 20:27 Uhr
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    Für deinen Kommentar würde ich dich am liebsten hassen liebe Daniela, leider geht das nicht, da der Kommentar einfach zu genial ist!:‘) Das sollte keine Kriegserklärung an Gig-Blog sein, ich wollte nur meine Meinung zum Konzert und zum Artikel äußern. Etwas Kritik sollte ja wohl noch erlaubt sein.

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