STEVE-O, 24.10.2011, Zwölfzehn, Stuttgart

Foto: Promo

„Ich hab‘ hier schon richtig gute Bands gesehen, bei denen gerade mal eine Hand voll Leute vor der Bühne stand. Und die haben nicht mal die Hälfte gekostet“, staunt mein Begleiter kopfschüttelnd, als er sich im relativ vollen Zwölfzehn umschaut. „Ich weiß gar nicht mehr, warum wir überhaupt hier sind“, wundert er sich kurz darauf über sich selbst. Vor allem der stattliche Eintrittspreis bereitet ihm sichtlich Magenschmerzen. Hat er nicht ganz Unrecht, denn die Comedy-Stunt-Bartrick-Show von Jackass-Oberfreak Steve-O kostet immerhin rund 30 Euro. Und was einen heute erwartet, weiß eigentlich auch keiner so genau. Hat man nicht eigentlich auch alles schon mal gesehen? Wird er sich seinen Hodensack diesmal ans Ohrläppchen tackern? Wird er im Strahl ins Publikum kotzen? Wird er irgendwen mit runtergelassener Hose bespringen? Wir werden sehen. Die Stimmung im durchaus jugendlichen Publikum, das den Auftritt der Blödelikone mit Steve-O-Sprechchören vehement fordert, scheint jedenfalls bestens sein.

Pünktlich um neun Uhr ist es dann soweit: unter dem Applaus seiner Fans betritt Steve-O die Bühne. Und mir fällt auch gleich wieder einer der Gründe ein, warum ich hier bin. Der Typ sieht einfach so sympathisch durch den Wind aus, den muss man einfach liebhaben. Da sorgt nicht mal sein Auftritt bei Germany’s Next Top Model für einen Punktabzug in der B-Note. Mit seinem typischen breiten Grinsen begrüßt er das Publikum und lässt mit seiner ersten Frage in die Runde erahnen, wohin die Reise heute Abend gehen wird: „What has four thumbs and fucking loves blowjobs?“ Während ich noch krampfhaft überlege, was das denn nun sein kann, zieht Steve-O sein Shirt aus und präsentiert seinen tätowierten Rücken. Für die, die das Meisterwerk noch nicht kennen: es zeigt ihn selbst mit erhobenen Daumen und dem Spruch „Yeah Dude, I rock!“. Für alle Spätzünder löst er das Rätsel dann auf: „I have four thumbs and I fucking love blowjobs.“ Das Publikum johlt und ich mit. Muss ja nicht immer subtiler, intellektueller Humor sein. Schon gar nicht, wenn man ein paar Bier intus hat. Außerdem steckt die Stimmung an.

Steve-O erzählt noch ein bisschen darüber, dass er seit mehr als drei Jahren keinen Tropfen Alkohol zu sich nimmt und schon gar keine anderen Drogen mehr. Sogar vegan will er nun leben. „I do healthy shit now“, freut er sich. Dabei sieht er gar nicht mal so gesund aus, aber das sind wohl nur die Spuren eines schnellen Lebens. Er plaudert ein wenig über Jackass, Johnny Knoxville und darüber, wie unglaublich er es findet, mit dem Mist, den er macht, auch noch berühmt geworden zu sein. Das ließe Rückschlüsse auf die Gesellschaft zu. Von einer Downward Spiral spricht er, womit er wohl nicht ganz Unrecht hat.

Recht schnell findet er dann aber auch wieder die Kurve zum eigentlichen Thema des Abends: Blowjobs, Groupies, seinem Penis und der dazugehörigen Spermaflugbahn. Und das ist anfangs auch wirklich lustig. Beispielsweise die Zote, als er den Penis eines Kumpels geküsst hat. Schwul sei das nicht gewesen, weil er erstens nur die Eichel geküsst hat, zweitens keinen Augenkontakt dabei hatte und drittens in Russland war. Alles in allem also rein platonisch. Das Publikum ist begeistert und lacht sich auch schlapp als er in die Runde fragt, zu welchen Internet-Porno-Seiten seine männlichen Fans am häufigsten onanieren, erzählt wie ihm eine Transe einen geblasen hat und nicht vergisst zu erwähnen, wie unglaublich schnell er beim Sex kommt. Seinen Groupies sei das egal, er sei ja schließlich berühmt. Schon ein lustiger Typ dieser Steve-O, aber langsam beginne ich mich doch zu fragen ob er heute noch mehr auf der Pfanne hat als diese Kanonade von versauten Schenkelklopfern.

Und tatsächlich, jetzt scheint doch noch der spektakuläre Part der Show zu beginnen. Ich bin auf Bahnbrechendes vorbereitet. Okay, die Messer-auf-dem-Gesicht-Balancier-Nummer war sicher nur zum Warmwerden. Denn jetzt zerschlägt Steve-O eine Glühbirne und beteuert folgenden Stunt nur zu machen, weil er sein deutsches Publikum so liebt. Ja ja, okay, sei’s drum. Ich frage mich was für eine Sauerei er mit den Scherben machen will. Ah okay, die Zunge aufschneiden… einmal längs, einmal quer, nochmal längs, nochmal quer… mit dem Blut malt er sich dann in bester Braveheart-Manier  das Gesicht an. Hmm, lustig ist das nicht, spektakulär auch nicht unbedingt, tut halt weh nehme ich an. Irgendwem im Publikum sackt beim Anblick des blutverschmierten Grinsegesichts dann noch kurz der Kreislauf weg. Hätte lieber mal live gesehen, wie er Raketen aus seinem Arsch abfeuert oder irgendwas in der Richtung. Ordentlich Applaus kriegt er trotzdem.

Jetzt noch kurz der angekündigte Bartrick, der einem Freigetränke in jeder Bar verschaffen soll. Alles was es dazu braucht, ist ein Depp, der mit einem wettet, dass man es nicht schafft, ein Glas, das auf dem eigenen Kopf steht, leer zu trinken ohne dabei die Hände zu benutzen. Steve-O setzt sich also den Becher auf die Ömme, geht langsam in die Knie, legt sich vorsichtig über einen Tisch und… dann kann ich ihn wegen der Leute vor mir nicht mehr sehen. Sicher akrobatisch was der ehemalige Student eines Clown Colleges da vorführt. Aber so richtig jucken tut’s mich nicht. Bin eh nicht so der Turnertyp. Die Chancen stehen also schlecht, dass ich genau jetzt in diesem Augenblick meine große Chance verpasse, mich in Zukunft jederzeit und überall für umme besaufen zu können. Und dann ist es auch schon rum. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, das der Auftritt gerade mal eine Stunde gedauert hat. Puh, was soll man da sagen. Für zehn Euro wäre es sicher nett gewesen, aber für einen Preis, für den sich andere Komiker oder gestandene Bands schon mal zwei Stunden den Arsch wund spielen, war das irgendwie ein wenig mau. Aber so ist das wohl mit Popstars: die werden oft nach Bekanntheitsgrad bezahlt. Und Steve-O hat ja erwähnt, wie schnell bei ihm alles vorbei ist.

4 Gedanken zu „STEVE-O, 24.10.2011, Zwölfzehn, Stuttgart

  • 26. Oktober 2011 um 00:27 Uhr
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    Er hat sich den Becher mit den Füßen von der Stirn geholt ,auf den Tisch gestellt, den Becher mit den Zähnen gegriffen und ausgetrunken. Was ich allerdings recht peinlich fand, dass 1210 konnte ihm kein Slayer bieten um dass er gebeten hatte.
    Zwischen Messer jonglieren und Zunge zerschnippeln hat er sich noch ne Zitrone in die Augen gepresst.

    Amüsanter Abend :D Allerdings fand ich die anschließende Fan-Belagerung fast schon pervers.

  • 26. Oktober 2011 um 07:56 Uhr
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    Ein wirklich erstaunlicher Bericht. Aus Sicht der Suchmaschinen-Optimierung sogar ein wirklich wertvoller Beitrag. Angesichts der Dichte einschlägiger Keywords dürfte sich der Traffic fehlgeleiteter Google-Sucher hier wohl bald deutlich erhöhen… ;)

  • 26. Oktober 2011 um 09:13 Uhr
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    Da könntest Du natürlich Recht haben Holger. Aber war ja auch das Hauptthema des Abends :o)

  • 26. Oktober 2011 um 21:42 Uhr
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    jepp einer der besten Artikel!! 100% meine Gedanken!! Top!!

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