CHRISTOPH SIEBER, 19.10.2011, Rosenau, Stuttgart

Foto: Promo

Animateure habens nicht leicht. Die pauschal Gebuchten nicht, welche den lieben langen Tag unter südlicher Sonne ihren Faxenmarathon in den Sand stanzen. Die Yogalehrer nicht, wenn sie sämtliche gebräuchliche Sonnengötter auf diversen Volkshochschul-Matten vordehnen. Noch weniger die Aerobictrainer in Diensten der Fettverbrennung oder Gymnastiklehrer in Seniorenheimen. Stimmungsmache ist ein knallhartes Gewerbe.

Und ‚alles ist nie genug‘.

Der Kabarettist (und Animateur) Christoph Sieber hat es auch nicht leicht. Mit dem eher zurückhaltenden Publikum in der Rosenau zumindest. Manchmal muss er den Applaus einfordern, zuweilen sind Anheizer nötig, womöglich hat er an diesem Abend die ruhigeren, gesetzteren Zeitgenossen im Ländle erwischt. Soll es ja geben.

An Witz, an Biss, an Geist und Gift mangelt es jedenfalls nicht. Nicht an politischen Betrachtungen, auch nicht an Turneinlagen.

‚Alles ist nie genug‘ – der Titel des Programms, welches Christoph Sieber mitgebracht hat. Ganz Animateur, in Hemd und Weste, mit angeschnalltem Mikro, macht er sich vom Eingang aus auf die Bühne und kündigt seinen Auftritt an. Man möge bitte brüllen und jubeln, auch wenn ein Gag seines, wie er versichert, tadellosen Abendprogramms mal fehlzünde, immerhin liefe im Hintergrund die Aufnahme einer CD. Das Publikum ist folgsam und spendet eine kleine schwäbische Sturmflut, als Sieber schließlich hinter dem Vorhang hervorschlüpft.

Ein Horoskop in eigener Sache, dann geht es mit dem Empörungswalzer los. Der erste Roundhouse-Kick trifft faule Spanier, der nächste das ‚Pharmazäpfchen‘ FDP-Rösler, der ja Arzt ist, obwohl die Partei doch eher einen Priester brauche. Weiter geht’s mit der urdeutschen Verbotsmeierei, das Glühbirnenverbot, das Alkoholverbot in Bussen und Bahnen, was sehr hart für viele Busfahrer sei. Sogleich die Banken, verantwortlich für eine 171-prozentige Steigerung der Preise für Grundnahrungsmittel in der Welt, und allein deshalb einer Erwähnung wert. Zusehends folgt eine rastlose Pointe hier der nächsten, viele von ihnen zünden, doch die Dichte der stramm aufs Lachen gebürsteten Gags sorgt dafür, dass man nicht so richtig mitkommt. Am Anfang, ja, geht es etwas hastig zu, chaotisch die Themenreise, mitunter stark auf Publikumsgewinn ausgelegt, vermutlich der klassische Hook. Oder zwei.

Platt, allerdings, sind die Gags nie, nicht hier, nicht später.

‚Alles ist nie genug‘

Nach zwanzig Minuten ist Christoph Sieber eigentlich fertig. Programm Ende. Das Meiste gesagt. Meint er. Und wechselt in unseren Alltag. Zuvor mehr Speisebeilage, jetzt das Hauptgericht. Früher versus heute, der Kampf der guten alten Zeiten ohne Handy gegen die schlimme, komplexe Gegenwart. Früher halt, als man die Kaffeemaschine noch mit einem Knopf bedienen konnte, während heute ein Latte rauskommt, den wir saufen, weil er eben raus kommt. Früher, als wir noch Auto fuhren, während es uns heute per Müdigkeitserkenner disqualifiziert und alleine das Weite sucht. Früher, als es noch ein Testbild im Fern gab, mit anschließendem Mattscheibenschnee.

Politik, Gesellschaftskritik, Alltagsgeschichten, munter wechselt Sieber zwischen diesen drei Elementen hin und her. Die Präsentation ist dabei abwechslungsreich, mal liest er aus einem Buch vor, mal wirft er sich einen Kittel über, verwandelt sich so in den Trennungsexperten der Bundesregierung und erklärt, weshalb Merkel und Co das Volk loswerden wollen. Nicht immer ist das gelungen, Langeweile indes kommt nicht auf.

Zum Ende hin wird aus dem Kabarettisten endgültig der Animateur. Eine Jongliereinlage, ein Rap in Gangsta-Pose (‚Xavier Neidoo, der Stimmbruch Gottes‘), dazu ein Schuss Breakdance (sportlich).

Einer der Höhepunkte, ein bitterböser, giftiger Auftritt als Personalchef, der einige offene Worte gegenüber der versammlten Bewerbermannschaft verliert, ist hier zu finden – muss man gesehen haben.

Christoph Sieber, das ist schnelles, manchmal zu hastiges, aber druckvolles Kabarett voller scharfzüngig pointierter Betrachtungen zum Leben, zum Alltag, zur Politik.

Überzeugend.

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