HANDSOME FURS, 27.09.2011, Schocken, Stuttgart

Handsome Furs

Foto: Andreas Meinhardt

Wenn mich der Soundteppich einer Gegenwartsband einfach nur weghaut, dann der von Handsome Furs. Virtuoses Gitarren-Gekreische, Drumbeats und eine heftige Keyboard-Bass-Wumme, die bis zum Anschlag reinknallt, garniert mit orgelnden Melodien. Seitdem sich das Paar Dan Boeckner und Alexei Perry von Montreal/Kanada aus auf die Reise gemacht hat, hat ihre Musik von Anfang an einen ganz eigenen Klangraum an sich gerissen. Heute machen Handsome Furs Station im Schocken in Stuttgart.

Drei Alben bisher: Plaque Park, Face Control und (gerade rausgebracht) Sound Kapital. Alle drei verpassen einem diesen zärtlichen Kick in die Eingeweide, den man von gutem Indie-Rock erwarten kann. Alle drei sind liebevoll gebastelt und doch hammerhart in der Wirkung. Man kann kaum glauben, dass der unverwechselbare Sound nur von zwei Leuten performt wird. Ist aber so. Wenn man sie live hört, glaubt man’s. Dan Boeckner und Alexei Perry verbrechen diesen Angriff auf die Sinne ganz alleine. Er mit Stimme und E-Gitarre in allen Variationen. Sie mit Drum-Machine und Keyboard. Eine unglaubliche Energie wird da freigesetzt.

Der Sound basiert auf Dans Gitarren-Wahnsinn und dem Keyboard-Zauber von Alexei. Stets vorwärts getrieben von einer anrührend altmodisch stampfenden Drum-Machine. Nicht dass diese nicht donnern könnte, je nachdem ob Alexei sie wahlweise streichelt oder brachial traktiert, aber der Grundbeat ist manchmal fast ein bisschen Disco. Dazu passt der beleuchtete 70er-Jahre Boden im Keller vom Schocken hervorragend. Die quadratischen, bunten Lichtflecken zucken munter unter den Füßen der Zuhörer. Was den beiden zu Beginn der Show auch gleich auffällt und viel Spass macht, Dan: „And the yellow ones are poison.“

Nach dem sympathischen Sirenengesang der Vorgruppe The little Scream (der Name – akustisch eine Untertreibung) ist der gut gefüllte Rockkeller vom Schocken gut vorgeglüht. Die beiden legen sogleich heftig los mit „When I get back! When I get back! When I get back, I won’t feel the same!“ Bereits nach einem Song ist Alexeis Frisur punkartig zerstört und die Highheels sind verloren gegangen. Ihr barfüßiger Spreizbeintanz hat was begeisternd theatralisches. Sie hüpft hoch und runter, wie ein lebendes Trampolin. Dazwischen, mit ausgestreckten Armen, Gesten der Abwehr, Gesten der Zuneigung. Die beiden spielen sich an, spielen mit und gegen einander. Gitarre gegen Keyboard, Bass kontra Drum-Machine.

Dan begrüßt die Menge und entschuldigt sich: „Ich schwitze…How do you say in German?…Wie ein Schwein?…Ok…Ich schwitze wie ein Schwein!“ Die Stimmung im Keller vom Schocken ist schweißtreibend. Die beiden hocken sich kurz auf den Boden und besprechen sich: „Sorry. Short band meeting!“ Und weiter geht’s mit Damage und Memories of the future.

Texttechnisch schwanken die beiden zwischen mystisch Metamophorischem und Gesellschaftsprotest. In I’m confused geht es um Zwei die „aus dem Wasser“ kamen, um sich zu finden. In Serve the people wird den Herrschenden entgegen geschrienen: „You don’t serve the people!“ Die Themen reichen weit, vom phantastisch, imaginären Officer of hearts. Über das Radio, als der tatsächlichen Heimat: In the radios hot sun. Bis zum unbeugsamen Repatriated mit seinem Kampfruf: „I will never be repatriated!“

Das Konzept der Songs, ist der Tritt in die Magengrube. Oft erreicht, durch die Zweiteilung der Songs. Die Übergänge sind mal abrupt, mal melodisch, aber immer hat man das Gefühl, da wird ein Stück perfektioniert. Durch eine Ergänzung, nach der der erste Teil des Songs geradezu geschrieen hat. Schon auf Plaque Park mit der Düsterhymne Dumb Animals. Dieser Abgesang auf die Menschheit erinnert im zweiten Teil ein wenig an A great big gig in the sky von Pink Floyd. Nur halt in den infernalischen Tiefen der Unterwelt. Nicht nach oben, sondern nach unten geschraubt.

What about us? ist dann auch Höhepunkt-verdächtig und eben so ne Nummer mit zwei Teilen. Zuerst der rockig-rotzige: „Was wird aus uns?“ Danach der orgelnd, romantische: „Brech mir mein Herz!“ Dann erschallt Repatriated, in einer extra-starken Version. Das Keyboard hämmert die Töne markerschütternd raus. Der Boden bebt, die Kleidung vibriert, der Refrain „I will never be repatriated!“ donnert im Gewölbe. Schließlich, der reinste Gitarren-Keyboard-Orgasmus: „You don’t serve the people!“

Dan und Alexei: “Thank you! You were fucking great!” Bleibt nur zu sagen: Yes – you too!

Handsome Furs

Foto: Andreas Meinhardt

2 Gedanken zu „HANDSOME FURS, 27.09.2011, Schocken, Stuttgart

  • 29. September 2011 um 14:47 Uhr
    Permalink

    Felix DANKE !!!

    Großartiger Bericht. So hab ich das empfunden. Ganz großer Sport in einem sehr eigenen Stil. Wahnsinn.

    Den Fotografen durfte ich ja anschließen auch noch kennenlernen. Top Fotos Andreas. Einen kleinen Kritikpunkt. Wieso ist kein Foto von der Sängerin der Vorband dabei ;-))

    Meine Güte das war wieder so ein Abend.

    Ahoi

  • 29. September 2011 um 15:22 Uhr
    Permalink

    Hab noch ein Bildchen für Dich auf der Kamera ;)

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