TU FAWNING, 19.07.2011, Schocken, Stuttgart

Tu Fawning

Foto: Nikolai Worms

Später, am Promostand: „When we’re not touring, I sometimes work for my friends The Decemberists”, lässt Corrina Repp mal kurz lässig im Nebensatz fallen, als wir mit ihr und Bandkollege Joe Haege noch über die griechische Staatskrise und Portland vs. Stuttgart palavern.

So was kann man halt nur normal finden, wenn man aus Portland, OR, kommt, der gar nicht mehr heimlichen Indie-Hauptstadt der Welt, aus der neben den genannten Decemberists oder Rumpel-Folkern (nicht verwechseln mit Rumpel-Volker, Kalauer am Rande) wie The Builders and the Butchers auch die gewieften Multiinstrumentalisten Tu Fawning kommen, die Anfang März bereits in der Schorndorfer Manu gastierten und deren Masterminds Repp und Haege uns verschwitzt signierte CDs verkaufen.

Weil es in Portland sehr oft regnet, wage ich ihnen gegenüber die These, dass dort so viele Bands herkommen, weil man außer im Bandkeller zu hocken einfach nichts anderes machen kann. Zum Beispiel fallen so spaßige, aber unproduktive Aktivitäten wie Freibad oder den ganzen Tag im Straßencafé hängen und dabei 16 Espressen reinleeren weg. Dazu würde ja auch passen, dass aus Italien, Spanien oder Französisch-Guayana schon länger nichts rechtes mehr kommt, versuche ich einen kleinen Scherz und ernte Ratlosigkeit. Um mich wieder einzuschleimen lobe ich noch kurz die stilvolle Konzertkleidung und bekomme die Information, dass das andere weibliche Bandmitglied Lisa Rietz in ihrer Freizeit Mode entwirft und grade von der Berlin Fashion Week kommt. Haben wohl echt zu viel Zeit und zu viel Druck auf der Kreativenblase. Angeber-Seggl, die.

Vorausgegangen war ein sympathisches, veschrobenes und leider viel zu kurzes Konzert des von Toussaint Perrault komplettierten Quartetts. Zu ihrem Album Hearts on Hold habe ich mal eine schauderhafte Rezi geschrieben, in der ich verträumt herausstellte dass das „Songwriting athmosphärisch dicht“ sei und ein „Ritt in die Abgründe des Pop“. Heute abend sind die Spezialisten für komische Instrumente (Klangholz, die längste Trompete der Welt) nicht so finster und abgründig unterwegs wie ich sie in Erinnerung hatte, mehrstimmiger Arcade Fire-mäßiger Gesang und wirklich nette Melodien, trotz dauerrumpelndem und prägnant nach vorne gemischtem Schlagzeug wie bei einer Probe der Feuerwehrkapelle Backnang.

Mein Nebenmann bemängelt zwischendurch, dass ihm das jetzt zu pappig sei; er geht deshalb zur Bar im vielleicht halbvollen Schocken. Pappig ist eine interessante Vokabel, die ich im Zusammenhang mit einem Livekonzert so noch nie gehört habe. Ich überlege, dass der Kerl ja wirklich sehr geile und witzige, neue Metaphern erfinden kann und ob ich ihn fragen soll, ob er vielleicht diesen Artikel schreiben will. Später finde ich zufällig heraus, dass er poppig sagte und ich mich verhört hatte. War ja auch Quatsch, pappig sind Tu Fawning echt nicht, sondern schon recht poppig, die hauen trotz manchmal sehr sperrigen Songstrukturen paradoxerweise einen Ohrwurm nach dem anderen raus. Außer ihm sind auch alle Anwesenden begeistert und machen oft Wooo.

Manchmal scheppert das träge daher wie bei Multiply a house oder I know you know, manchmal geht’s folk-rockiger nach vorne wie bei I felt Sense, immer mit dem Pop im Hinterkopf und der Hand am Verschrobenheitshebel. Beeindruckend auch, dass sie neben ihrem geschmirgelten Äußeren, dem Nebenjob bei den Decemberists oder der Modebloggertätigkeit auch noch jeder so viele Instrumente spielen können und sich mit der Bedienung derselben ständig abwechseln. Bin jedenfalls gespannt auf Album Nummer Zwei und eine hoffentlich wieder scheußlich kitschige Rezension desselben.

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