RENE MARIK, 22.05.2011, Hegel-Saal, Stuttgart

Foto: Ben Wolf

Beiß nicht in die Hand, die dich füttert.

Das rät Herr Falkenhorst, der hochnäsige Frosch, Spitzname Froschn, seinem Puppenspieler René Marik, und klärt damit, wer auf der Bühne des pappsatt gefüllten Hegelsaals in Wahrheit wen in der Hand hat. Bissig allerdings war Froschn selbst, als er kurz zuvor seine eingeklebten Vampirzähne in Maulwurfns Schwarm Barbie versenkt hat. Obwohl er sich eher für den Vernünftigen der Puppenfamilie hält, und manchmal müde wird, wenn er dem berühmten wie blinden, rhetorisch unbeholfenen wie begriffsstutzigen Maulwurfn, dem Star der Show, wieder und wieder begegnet. Wird Herr Falkenhorst je aus der ihm so unangemessenen Rolle des Sidekicks herauskommen?

Rappelvoll ist Rene Mariks Puppenkiste nicht, um so voller die Ideenbox. Man hat ja nur zwei Hände, außerdem ist Minimalismus ohnehin Trumpf beim Puppentheater. Und so werden Maulwurfns Abenteuer mit ganz einfachen Mitteln erzählt, in fantasievollen Kurzszenen und Kurzdialogen, flankiert von einem 80er-Jahre-Pop-Mix an der Gitarre (Keyboard-Begleitung: Ingo Günther) und dazu laufenden Filmen.

Winnetou Maulwurfn, zu Papppferd, trifft auf Old Shatterhand Froschn, doch allein schon die Begrüßung geht schief. Maulwurfn begegnet ‚de Babe‘ Barbie auf einem Pappturm und ruft verzweifelt ‚Rapante, Rapante, lassn Hate kate‘, doch bleibt ungehört und allein zurück. Maulwurfn nascht, weil hungrig, von einem Papppilz, schlummert ein und erlebt eine Reise ins Ich, vorüber an Aborigine Froschn, vorüber am weißen Kaninchen, bis er auf den leibhaftigen Hasskasper trifft, vor dem er erzittert. Maulwurfn versucht, seine Angebetete auf einem Wolkenkratzer zu erreichen, verwandelt sich in den Helden ‚Supergage‘, fliegt auf und davon, in die Weiten des Weltraums und trifft auf Froschn in Gestalt von Mr. Spock.

Ein wahres Feuerwerk der witzigen bis wunderschönen Ideen bietet der Kurzfilm um den einsamen Maulwurfn auf der Jagd nach ‚de Babe‘ Barbie, untermalt von einem Song Mariks. Über Pappberge, durch Papptäler, mit dem Flugzeug, mit dem Auto, einmal sogar unter Wasser, reist der blinde Wühler seiner großen Liebe nach, und verpasst sie stets knapp.

Es mangelt auch nicht an Nebenschauplätzen. Zwei Lappen unterhalten sich in gebrochenem Schulenglisch auf dem World-Trade-Center, bis das Flugzeug einschlägt, der geschwätzige Berliner Eisbär Kalle sieht auf seinem Berg der Titanic entgegen und entdeckt sogar den schwimmenden Leonardo. Zuletzt wäre da noch der glatzköpfige Hasskasper in schwarzem Doktor-No-Gewand mit passender Hakennase, der grundsätzlich auftritt, wenn es düster und dunkel wird, natürlich bewaffnet. Er säbelt dem Frosch einen Schenkel ab oder piekst E.T. eine Ampulle Gift in den Arm. Und er bevölkert die sogenannte Hasskasperbox, eine im Foyer stehende Bühne für all jene, die einmal die kasperbekleidete Hand heben und sich ordentlich auskotzen wollen (ausgewählte Szenen werden in der Show gezeigt).

Puppentheater für Erwachsene, das kann verdammt schief gehen, manche Plattheiten haben sich in das Genre eingenistet, das nicht umsonst ein Karnevals-Nischendasein fristet. Hier geht nichts schief. Ideenreichtum, Spielwitz und Mut zeichnet Mariks Programm aus. Mit einfachen Mitteln zaubert er ein kleines Universum auf die Bühne, das einen ganz eigenen und durchaus eigentümlichen Charakter hat, plus jeder Menge Esprit.

Am Schluss bleibt Maulwurfn an der Winkekatze hängen. Tagelang, wochenlang. Er kann sich nicht von ihrer winkenden Hand lösen, bis er in Ohnmacht fällt und daliegt, ein schwerer Abschied.

2 Gedanken zu „RENE MARIK, 22.05.2011, Hegel-Saal, Stuttgart

  • 25. Mai 2011 um 09:01 Uhr
    Permalink

    Wunderbar geschrieben. In dieser Richtung Kabarett/Comedy unerreicht. Ganz großes Kino.Durfte ihn ja noch vor kleinem Publikum in der Rosenau sehen. Noch besser wie ich finde weil kleiner und intimer. Hage !!!

  • 28. Mai 2011 um 21:39 Uhr
    Permalink

    Ich hab Marik zuerst bei „Neues aus der Anstalt“ im ZDF gesehen, und mich schlapp gelacht. Vorher war er mir nicht bekannt. Wann hast du ihn in der Rosenau gesehen?

    Gruß …

    Jo

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