MOBYLETTES, 30.04.2011, Zwölfzehn, Stuttgart

Mobylettes

Foto: Steffen Schmid

Früher war alles besser. Prinz William war unverheiratet und hatte volles Haupthaar. Bei H&M gab’s schicke Röcke für 4 Mark 95, AKWs, Renten und die Bäume in Schlosspark waren sicher – und auf Konzerten enttäuschten unsere Helden nie.

Heute essen wir keine Spaghetti Miracoli mehr sondern „Pasta“, tragen Klamotten, die nicht dem Anlass sondern dem Wetter entsprechen und freuen uns samstags nicht mehr aufs Ausschlafen, sondern darauf, endlich mal wieder was „weg g’schafft“ zu bekommen (Fenster putzen, Steuererklärung machen, bügeln, Telefonat mit Mama oder in meinem Fall Balkonblumen bei Obi kaufen). Wenn es dann dunkel wird, der Himmel auch noch nach Regen aussieht und die Kinder, Partner, Haustiere endlich im Bett sind, muss schon etwas Großes in der City warten, damit wir uns in unsere Kombis setzen, die Vorstädte und Hanglagen verlassen und „clubben“ gehen.

Gestern Abend wartete etwas übergroßes im 1210 auf unsere müden Knochen. Die Mobylettes spielten auf.

Mein erster Gedanke: Endlich, endlich, endlich. Denn ich gehöre zu den Glücklichen, die 1998 beim ihrem Stuttgarter Konzert im Travellers‘ Club zugegen waren (ja, wir alten Leute schreiben so) – und kann nur bestes darüber berichten: Der Sound war glockenhell damals, die Band traf jeden Ton, die Songauswahl ließ keine Wünsche offen, die Backround Girls trugen Abendkleider und swingten in bester 60s-Girlgroup-Manier. Das größte am Konzert damals war aber Frontfrau Diana Diamond. Niemals wieder sah ich eine selbstbewusst-nonchalantere, schnippisch-kokettere und mondäner gestyltere Heldin als sie. Alle Mädchen im Publikum hingen an ihren Lippen und dachten „wenn ich groß bin, will ich werden wie Diana“. Alle Jungs fürchteten sich vor ihrer Arroganz und träumten doch heimlich davon, Opfer ihrer spitzzüngigen Zwischenbemerkungen zu werden.

Wir waren alle verliebt. Wir haben gewartet.

Mobylettes

Foto: Steffen Schmid

13 bittere Jahre lang. Die Zeit haben wir mit Studium, Hochzeit, Familiengründung, Scheidung, Italienurlaub und Karriere machen überbrückt. Dabei haben wir uns in stillen Momenten immer mal wieder gefragt, wie’s Diana wohl so geht. Ob sie ihr Glück gefunden hat. Ob sie noch ab und zu an uns denkt. Ob sie uns auch vermisst.

Gestern im 1210 waren wir also alle wieder da. Und es fühlte sich ein bisschen an wie Klassentreffen. Älter sind wir geworden, übergewichtiger, haarloser und müder. Die Wartezeit wurde – iPhone sei dank – mit dem umherzeigen von Kinderbildern überbrückt. Man nippte am einzigen Bier des Abends (man ist ja mit dem Auto da) und ich habe sogar Menschen Hochzeitseinladungen verteilen gesehen.

Als um 22 Uhr immer noch keine Mobylettes auf der Bühne standen, wurde man langsam nervös. Man muss ja morgen früh raus. Und hinsetzen kann man sich auch nirgends. Als es los ging, waren wir gedanklich schon halb im Bett.

Nun zum Konzert.

Gestern passierte leider das, was mit alten Helden immer passiert. Sie werden unseren Traumbildern nicht gerecht. Hatte der Sound schon immer so gescheppert? Kann die Band sich bitte aufs Musizieren konzentrieren und das mit dem Singen sein lassen? Und überhaupt. Wo waren eigentlich die Backround-Sängerinnen? Zur Songauswahl: Das neue Album muss unter die Leute gebracht werden. Schon klar. Aber ein paar alte Hits mehr hätten’s schon sein können. „Tu mir weh“ z.B. oder „Wo gehobelt wird da fallen Späne“. Und warum endete das Konzert mit dem langsamsten Lied ever und schickte uns nicht mit einem alten Hit im Ohr nach Hause? Oh Gott. Ähnliches bemängeln meine Eltern wahrscheinlich an Phil Collins Konzerten. Oh Gott.

Einen Lichtblick gab es aber: Diana ist immer noch Diana. Alterslos schön. Perfekt frisiert. Ladylike gekleidet. Herrlich süffisant-arrogant im Umgang mit Publikum und Band. Wir sind immer noch ein bisschen verliebt.

Nach dem Konzert gab’s wohl noch so DJ-Musik für junge Leute. Kann leider nicht sagen, wie das ankam. War schon arg spät, und ich bin heim ins Bett. Jetzt ist es kurz nach 9 Uhr morgens und es gibt so viel zu tun. Wäsche waschen maybe?

2 Gedanken zu „MOBYLETTES, 30.04.2011, Zwölfzehn, Stuttgart

  • 1. Mai 2011 um 17:44 Uhr
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    extrem guter text!! das konzert mochte ich aber eigentlich sehr, ob der sound gut oder schlecht ist kann ich meistens sowieso nicht unterscheiden, aber hast recht mit der zugabe. ich hätte zum schluss natürlich gerne „auf liebe fall ich nicht herein“ gehört, aber hits/coverversionen werden bands glaube ich immer ziemlich schnell langweilig und dann spielen die das nur noch ungern ;)

  • 2. Mai 2011 um 09:32 Uhr
    Permalink

    Der Sound im 1210 ist leider gerne mal nicht so prall, da wäre noch ein wenig Luft nach oben.
    Der Gitarrist sah manchmal aus wie Distelmeyer mit Gainsbourg-Haaren.

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